OGH 6Ob214/08a

OGH6Ob214/08a1.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch HOHENBERG STRAUSS BUCHBAUER Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. Rudolf B*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentums (Streitwert 7.267,30 EUR), über den (neuerlichen) Ablehnungsantrag und Delegierungsantrag und den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 26. März 2008, GZ 3 Nc 6/07x-7, womit der Ablehnungsantrag der beklagten Partei gegen sämtliche Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz abgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Ablehnungsantrag gegen sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Graz wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht Linz wird abgewiesen.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 17. 11. 2006 (ON 44) gab das Bezirksgericht Graz-Ost im Verfahren 24 C 1713/04a der Klage statt. Der Beklagte erhob gegen das Urteil Berufung (ON 46). Nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz fiel die Behandlung dieses Rechtsmittels in die Zuständigkeit des Senats 6. Vorsitzender dieser Abteilung war Dr. Eugen Strohl, Senatsmitglieder waren die Richter Dr. Reinhard Klepeisz und Dr. Manja Scherz.

Im Schriftsatz vom 20. 4. 2007 (ON 52) lehnte der Beklagte den Vorsitzenden Dr. Eugen Strohl sowie den beisitzenden Richter Dr. Reinhard Klepeisz und den Vizepräsidenten des Landesgerichts Dr. Herbert Weratschnig als befangen ab und bezeichnete sie als ausgeschlossen. Einen mit diesem Ablehnungsantrag verbundenen Delegierungsantrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 25. 5. 2007 ab (6 Nc 11/07f).

Mit Beschluss vom 15. 10. 2007 (4 Nc 4/07g-5) wies der 4. Senat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz den Ablehnungsantrag gegen die Richter Dr. Strohl, Dr. Klepeisz und Dr. Scherz zurück. Mit Schriftsatz vom 3. 11. 2007 lehnte der Beklagte „sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Graz" und „sämtliche Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz" wegen Befangenheit ab. Namentlich angeführt wurden sämtliche beim Oberlandesgericht Graz in der Rechtsprechung tätigen Richter in alphabetischer Reihenfolge. Gleichzeitig beantragte der Beklagte die Delegierung der Rechtssache an das Oberlandesgericht Linz. Im selben Schriftsatz erhob der Beklagte gegen die Zurückweisung seines Ablehnungsantrags Rekurs. Mit Beschluss vom 26. 11. 2007 wies der 4. Senat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz den Rekurs als verspätet zurück. Mit Beschluss vom 24. 1. 2008 (6 Nc 25/07i, 6 Nc 26/07m) wies der Oberste Gerichtshof den Ablehnungsantrag des Beklagten gegen sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Graz zurück und wies den Antrag des Beklagten, das Verfahren an das Oberlandesgericht Linz zu delegieren, ab.

In der Begründung führte der Oberste Gerichtshof unter anderem aus, der Ablehnungsantrag gegen die Richter des Oberlandesgerichts Graz sei unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen. Im Hinblick auf die abschließende Erledigung der Ablehnung aller Richter des Oberlandesgerichts Graz erübrige sich aber auch die vom Beklagten weiters beantragte Delegierung an das Oberlandesgericht Linz. Vielmehr könne nunmehr das Oberlandesgericht Graz über die - gleichfalls pauschal ausgesprochene - Ablehnung aller Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz entscheiden. Dem Obersten Gerichtshof fehle insoweit die funktionelle Zuständigkeit. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Graz den mit Schriftsatz vom 3. 11. 2007 gestellten Ablehnungsantrag des Beklagten gegen „sämtliche Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz" ab. Abgesehen von der Behandlung der vom Beklagten gegen einzelne Richter des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz geltend gemachten Ablehnungsgründe führte das Oberlandesgericht Graz aus, nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs unzulässig (3 Ob 2268/96k; 1 N 518/99; 5 N 504/99; 1 N 4/00). Dies gelte im vorliegenden Fall für sämtliche im Antrag genannten Richter des insgesamt abgelehnten Gerichtshofs. Zur angeblichen Befangenheit der (weiteren) im Antrag genannten Richter werde im Einzelnen nichts Substanziiertes vorgebracht, selbst aus einer allfälligen Befangenheit anderer Richter, gegen die konkrete Gründe vorgebracht würden, lasse sich ihre Befangenheit keineswegs ableiten. Da die Ablehnungserklärung insoweit nicht ausreichend substanziiert sei, habe es keiner (weiteren) Äußerungen der abgelehnten Richter zum Ablehnungsantrag nach § 22 Abs 2 JN bedurft (1 N 4/00; 3 Ob 214/01v).

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen Nichtigkeit des Beschlusses „aufgrund Entscheidung durch befangene Richter", wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Rekurswerber beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass die Befangenheit sämtlicher Richter ausgesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Außerdem lehnt der Beklagte (neuerlich) sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Graz ab und beantragt die Delegierung an das Landesgericht Linz.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

I. Zum Ablehnungsantrag

Hier wiederholt der Beklagte seine im Verfahren bereits wiederholt vorgebrachte Behauptung, in Amtshaftungssachen bewirke § 9 AHG die Ausgeschlossenheit des gesamten Gerichts. Eine analoge Anwendung des § 9 Abs 4 AHG ist jedoch nur für jene Verfahren geboten, die einem Amtshaftungsprozess vorausgehen oder die die Voraussetzung für die Einbringung einer Amtshaftungsklage bilden (RIS-Justiz RS0109237). Dass diese Voraussetzung hinsichtlich aller pauschal abgelehnten Richter vorliegt, wurde vom Beklagten nicht einmal behauptet, geschweige denn substantiiert dargetan. Aus der Eingabe des Beklagten ist nicht einmal erkennbar, dass alle der angeführten Richter überhaupt Entscheidungen gefällt haben sollten, auf die der Beklagte Amtshaftungsansprüche stützt.

Aus den weitwendigen Ausführungen des Beklagten, die die offenbar mehreren von ihm geführten Verfahren nicht ausreichend auseinanderhalten, ist auch nicht ansatzweise erkennbar, wieso eine mögliche Befangenheit einzelner Richter gegenüber einem Vizepräsidenten und Vorsitzenden eines Rechtsmittelsenats in einem Verfahren, in dem dieser selbst Partei ist, auch dazu führen soll, dass diese Richter in einem gegen den Beklagten geführten Verfahren befangen sein sollen. Nachvollziehbare Gründe, aus denen zu besorgen wäre, dass sich die Richter des Oberlandesgerichts Graz bei ihrer Entscheidung von anderen als rein sachlichen Erwägungen leiten ließen, sind den weitwendigen Ausführungen des Beklagten nicht zu entnehmen.

Völlig unerfindlich ist auch, warum die angebliche Äußerung eines erstinstanzlichen Richters, der eine andere Entscheidung als „Blödsinn" bezeichnet haben soll, eine Befangenheit sämtlicher Richter des Oberlandesgerichts Graz begründen sollte. Der unbegründete Ablehnungsantrag war daher vom gemäß § 23 JN zuständigen Obersten Gerichtshof (vgl RIS-Justiz RS0109137) spruchgemäß zurückzuweisen.

II. Zum Delegierungsantrag

Im Hinblick auf die abschließende Erledigung der Ablehnung der Richter des Oberlandesgerichts Graz und des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz besteht auch kein Raum für die vom Beklagten weiters beantragte Delegierung an das Landesgericht Linz. Der diesbezügliche Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen. III. Zum Rekurs

Nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO ist eine Entscheidung (unter anderem) dann nichtig, wenn daran ein Richter teilnahm, dessen Ablehnung vom Gericht als berechtigt anerkannt worden ist. Damit erfasst diese Bestimmung nicht jede Entscheidung durch einen (angeblich) befangenen Richter, sondern nur den Fall, dass ein Richter eine Entscheidung fällt, obwohl einem Ablehnungsantrag gegen ihn bereits stattgegeben wurde. Dieser Fall liegt hier jedoch evident nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat vielmehr mit dem bereits erwähnten Beschluss vom 24. 1. 2008, 6 Nc 25/07i (6 Nc 26/07m), bereits den Ablehnungsantrag des Beklagten gegen sämtliche Richter des Oberlandesgerichts Graz als unbegründet zurückgewiesen. Auch in seinem nunmehrigen, gemeinsam mit dem Rekurs gestellten neuerlichen Ablehnungsantrag vermag der Beklagte keine Befangenheit der befassten Richter darzutun. Auch die übrigen Ausführungen des Rekurswerbers unter dem Rekursgrund der Nichtigkeit lassen eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses auch nicht ansatzweise erkennen.

Als Verfahrensmangel rügt der Rekurswerber, das Oberlandesgericht Graz habe keine weiteren Äußerungen der abgelehnten Richter zum Ablehnungsantrag eingeholt.

Dieser Verfahrensmangel liegt nicht vor, weil nach der bereits vom Oberlandesgericht Graz zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung Äußerungen der als befangen abgelehnten Richter dann nicht eingeholt werden müssen, wenn die Ablehnungserklärung nicht ausreichend substanziiert ist (RIS-Justiz RS0045962 [T3, vgl auch T12, T13]). Auch zu seiner Rechtsrüge ist der Rekurswerber auf die zutreffende Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Graz zu verweisen (§ 500a ZPO):

Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich nicht ein gesamter Gerichtshof mit seinem Präsidenten wegen Befangenheit pauschal abgelehnt werden. Es können nur namentlich bezeichnete Richter aus bestimmten Gründen abgelehnt werden. Die Ablehnung eines ganzen Gerichts wäre nur durch Ablehnung jedes einzelnen seiner Richter unter Angabe von detaillierten Ablehnungsgründen für jede einzelne Person möglich (RIS-Justiz RS0045983 [T5, T6]).

Soweit sich der Rekurswerber auf § 9 Abs 4 AHG bezieht, ist ihm zu entgegnen, dass eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nur für jene Verfahren geboten ist, die einem Amtshaftungsprozess vorausgehen oder die die Voraussetzung für die Einbringung einer Amtshaftungsklage bilden (RIS-Justiz RS0109237). Der Verweis des Rekurswerbers auf die Entscheidung 1 Ob 33/99f = SZ 72/130 geht fehl, weil der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung (nur) ausgesprochen hat, § 9 Abs 4 AHG komme auch dann zur Anwendung, wenn ein seinem Wesen nach dem AHG zu unterstellender Anspruch (unzulässigerweise) gegen das Organ direkt geltend gemacht werde (RIS-Justiz RS0112465). Dieser Fall liegt hier nicht vor.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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