OGH 2Ob144/08b

OGH2Ob144/08b24.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois P*****, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Güssing, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Sluka Hammerer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei Gemeinde W*****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen 25.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. April 2008, GZ 13 R 269/07k-49, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 28. September 2007, GZ 2 Cg 108/04y-42, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger rutschte am 25. 10. 2003 am späteren Vormittag im Freizeitpark R***** auf einer Stelle mit verdichtetem glattem Schnee auf einer Straße aus, stürzte und erlitt dadurch einen Oberschenkelhalsbruch.

Der Kläger begehrt an Schmerzengeld 25.000 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle zukünftigen Schäden aus dem Vorfall. Er brachte im Wesentlichen vor, der Unfall habe sich auf einem Weg ereignet, der in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle, die aufgrund der sie treffenden gesetzlichen Bestimmungen sowie aufgrund des zwischen den Streitteilen bestehenden Vertrags verpflichtet gewesen wäre, für einen einwandfreien Zustand und eine gefahrlose Benützung des Wegs zu sorgen. Im Unfallszeitpunkt sei die Gemeinde W***** nicht mehr mit der Räumung und Streuung des Unfallbereichs beauftragt gewesen, weshalb die entsprechenden Pflichten von der Beklagten als Wegehalterin zu erfüllen gewesen wären. Aufgrund der konkreten Witterungsbedingungen, nämlich des Wintereinbruchs in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober 2003, wäre eine Schneeräumung mit Streuung des Einfahrtswegs nicht nur notwendig, sondern auch zumutbar gewesen. Dennoch sei eine Schneeräumung und Streuung überhaupt nicht vorgenommen worden, obwohl der Beklagten bekannt gewesen sei, dass der Einfahrtsbereich zur Siedlung keine getrennten Teile als Gehwege aufweise und die Bewohner des Freizeitsparks R***** keine andere Möglichkeit hätten, als die Straße als Gehweg zu benützen. Aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten bzw deren Rechtsvorgängerin im Jahr 1976 abgeschlossenen Nutzungsübereinkommen, im Rahmen dessen dem Kläger unter anderem die Benützung der allgemeinen Einrichtungen und gemeinsamen Flächen im Freizeitpark sowie ein Zufahrts- und Zugangsrecht zum Grundstück gewährleistet worden sei, ergebe sich die vertragliche Nebenpflicht der Beklagten zur Instandhaltung des Wegs. Die Beklagte hafte daher schon bei leichter Fahrlässigkeit. Sofern sich die Beklagte auf einen Haftungsausschluss nach Punkt 6 dieses Nutzungsübereinkommens berufe, sei dieser sittenwidrig. Überdies sei die Unterlassung der Beklagten, auch am 25. Oktober 2003 noch immer nicht für eine entsprechende Räumung und Bestreuung gesorgt zu haben, als grob fahrlässig zu qualifizieren. Für die erlittenen Verletzungen und Schmerzen sei vorbehaltlich weiterer Ausdehnung der eingeklagte Betrag als Schmerzengeld angemessen. Da unfallkausale Dauerfolgen und Spätkomplikationen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten, bestehe das Feststellungsinteresse.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und brachte im Wesentlichen vor, sie sei zwar Wegehalterin, habe aber - zumindest im Unfallszeitpunkt - die Räum- und Streudienste der Nebenintervenientin übertragen gehabt. Die Nebenintervenientin habe am 24. 10. 2003 nur den Schnee geräumt, ohne am folgenden Tag zu streuen, wie dies von der Nebenintervenientin im übrigen Gemeindegebiet gehandhabt worden sei. Die Nebenintervenientin habe dadurch geradezu eine Gefahrenquelle geschaffen, sodass die Nebenintervenientin hafte. Die Nebenintervenientin habe die Verrichtung des Winterdienstes im Rahmen des bestehenden Vertrags weisungsfrei als selbständige Unternehmerin ausgeübt und die Notwendigkeit der Räumung und Streuung selbst nach eigenem Dafürhalten beurteilt und ausgeführt. Die Nebenintervenientin habe von Beginn an ihre Aufgabe ordnungsgemäß und pflichtbewusst erfüllt, sodass die Beklagte auch kein Auswahlverschulden treffe. Da der gegenständliche Weg in einer Freizeitanlage, die überwiegend als Sommerbetrieb gewidmet sei und benützt werde, gelegen sei, sei der von der Beklagten zu fordernde Sorgfaltsmaßstab ohnehin entsprechend niedrig anzusetzen. Gemäß Punkt 6 des bereits erwähnten Nutzungsübereinkommens sei eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen. Im Unfallbereich seien Bäume, die Schatten würfen, der geschmolzene Schnee habe dort eine Glatteisplatte gebildet, auf der der Kläger ausgerutscht sei. Die Glatteisplatte sei gut erkennbar gewesen, man hätte seitlich im Schnee gut daran vorbeigehen können. Im Unfallbereich gebe es zwischen den Bäumen und dem Asphalt einen 1,6 m breiten geschotterten Streifen. Es wäre sehr leicht möglich gewesen, diesen geschotterten Streifen zu begehen, insbesondere habe keine Notwendigkeit bestanden, diesen Schotterstreifen zu verlassen und um einen auf dem Asphalt befindlichen Blumenkübel herumzugehen. Den Kläger treffe das Alleinverschulden am Unfall.

Die Gemeinde W***** schloss sich als Nebenintervenientin auf Seite der Beklagten dem Verfahren an und brachte im Wesentlichen vor, im Unfallszeitpunkt habe kein Auftragsverhältnis betreffend Schneeräumung und Streuung zwischen ihr und der Beklagten bestanden. In eventu brachte die Nebenintervenientin vor, es treffe sie kein grobes Verschulden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:

Mit Kaufvertrag vom 11. 8. 1976 erwarb der Kläger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Grundstücksparzelle im Freizeitpark R*****. Im Punkt IV des Kaufvertrags erklärt sich die Verkäuferin einverstanden, dass die Käuferseite das kaufgegenständliche Grundstück sowie die allgemeinen Flächen des Wohnparks R***** auf eigene Kosten und Gefahr benütze. Im separaten Nutzungsübereinkommen zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Kläger ebenfalls aus dem Jahr 1976 ist in Punkt 6 geregelt, dass jede Benützung der allgemeinen Einrichtungen und gemeinsamen Flächen im Wohnpark R***** einschließlich des Badesees auf eigene Gefahr des Nutzungsberechtigten erfolge. Eine Haftung für Personen oder Sachschäden aus welchem Grund immer, insbesondere für den allfälligen Verlust von Gegenständen, werde nicht übernommen. In Punkt 15 sichert die Verwaltung dem Nutzungsberechtigten das jederzeitige Geh- und Fahrtrecht mit dem PKW zu dem ihm zugehörigen Grund zu.

Etwa vor zehn Jahren begannen einige Bewohner des Freizeitparks R*****, ihre Häuser winterfest zu machen. Ab diesem Zeitpunkt wurde auch ein Winterdienst im Freizeitpark zunächst durch die Beklagte durchgeführt. Ab der Wintersaison 2002/2003 wurde mit der Nebenintervenientin eine entgeltliche Räumungs- und Streuvereinbarung geschlossen. Die Nebenintervenientin sollte die Räumung selbständig durchführen. Bis zum Unfallszeitpunkt führte die Nebenintervenientin die Räumungs- und Streuarbeiten bei Bedarf durch.

In der Nacht vom 23. auf den 24. 10. 2003 kam es in der Folge einer Kaltfront zu einem Wintereinbruch. Am 24. 10. 2003 schneite es sehr stark. An diesem Tag wurde von der Nebenintervenientin das Areal des Freizeitparks R***** nur einmal mit einem großen Schneeräumfahrzeug derart geräumt, dass dieses den Schnee zur Seite schob. Es wurde jedoch nicht gestreut. Nach der Räumung schneite es noch etwa eine halbe Stunde. Am 25. 10. 2003 herrschte klarer Sonnenschein, wobei nach einem kalten Morgen (Minimumtemperatur um ca - 10° C) die Lufttemperatur im Tagesverlauf auf ca + 6° C anstieg. Im naturbelassenen Gelände lag weiterhin eine Schneedecke von ca 10 bis 15 cm. Es war niederschlagsfrei. Gegen 10:45 Uhr war es überwiegend sonnig bei Lufttemperaturen zwischen -2° und 0° C.

Wenn man von der Landesstraße kommt und Richtung See fährt, befindet sich unmittelbar rechts vom asphaltierten Einfahrtsweg ein Schotterbereich, der (nach den vorinstanzlichen Feststellungen) 50 cm breit ist. Entlang der gesamten Länge der rechten Seite des Einfahrtswegs befinden sich Nadelbäume. Die Äste der Nadelbäume waren mit dem Schnee beschwert und hingen teilweise tief herab. Teilweise konnte man bis zur Unfallstelle auch auf dem geschotterten Weg gehen. Auf der Fahrbahn befand sich ein Betonring mit einem Durchmesser von 95 cm, wobei sich die Mitte des Rings ca 1,3 m vom rechten asphaltierten Fahrbahnrand entfernt befand.

Der Kläger, der Winterstiefel trug, kam vom Eingangstor des Freizeitparks und ging auf der mit Schnee bedeckten asphaltierten Fahrbahn des Einfahrtswegs am rechten Fahrbahnrand in Richtung Badesee. Der Kläger wollte dem Betonring ausweichen und ging Richtung Straßenmitte, als er auf einem verdichteten glatten Schnee in diesem Bereich ausrutschte, stürzte und sich verletzte. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er die verdichtete und glatte Stelle sehen und ihr ausweichen können. Dem Kläger war bekannt, dass es gerade im Bereich der Einfahrtsstraße durch die Schattenwirkung der Bäume zu Glatteis und Schneeglätte kommen konnte. Da die Einfahrtsstraße von der Einfahrt in Richtung See teilweise abschüssig ist, gab es teilweise gerade beim Eingangstor Glätte und wurde auch dort üblicherweise gestreut. Im Bereich des Unfallsorts ist das Gefälle der Straße auslaufend, so dass prinzipiell keine gefährliche Stelle gegeben war.

Nach dem Erlass des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten, 911006/40-VI/8/b-88 vom 25. 9. 1989 über das Anforderungsniveau für den Winterdienst auf Autobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen, aufgrund der Richtlinie Straßenwinterdienst (Schneeräumung und Streuung) der österreichischen Forschungsgesellschaft für das Verkehrswesen und Straßenwesen RVS

13.41 sowie aufgrund des Merkblatts für den Unterhalts- und Betriebsdienst an Straßen der deutschen Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Verkehrsführung und Verkehrssicherheit ergibt sich unter anderem folgende Betreuungsart:

Betreuungsart 3: Diese Betreuungsart wird bei geringerem Verkehrsaufkommen und bei geringerem LKW-Anteil angewendet, wobei in der Regel eine Weißräumung mit Streuung gegen Eis und Schneeglätte erfolgt.

Grundsätzlich gilt daher die Kenngröße des Verkehrs als Kriterium für die Betreuungsart.

Beim gegenständlichen Unfallbereich handelt es sich um ein relativ geschlossenes Areal, das öffentlich befahrbar ist. Nach der Maßgabe der Prioritäten ist die Betreuungsart 3 anzuwenden. Heute wird vielfach eine sogenannte Weißräumung betrieben, wo nur in Ausnahmefällen an exponierten Stellen Schnee geräumt wird, ohne dass überhaupt eine Streuung erfolgt. Aus verkehrstechnischer Sicht war die Weißräumung des gegenständlichen Fahrwegs als ausreichend anzusehen. Am 25. 10. 2003 wäre aus verkehrstechnischer Sicht im Bereich des Unfallorts eine Nachkontrolle durch die Nebenintervenientin nicht notwendig gewesen. Die Nebenintervenientin hatte am 25. 10. 2003 im Gemeindegebiet nur bei exponierten Stellen Nachschau gehalten und dort gestreut.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Haftung der Beklagten, weil die Nebenintervenientin aus verkehrstechnischer Sicht eine ausreichende Weißräumung am 24. 10. 2003 durchgeführt gehabt habe. Eine Nachkontrolle sei aufgrund der sehr niedrigen Priorität der Straße nicht notwendig gewesen, sodass der Nebenintervenientin keine Fahrlässigkeit zur Last falle.

Das Berufungsgericht änderte über die Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichts dahingehend ab, dass es in einem Teil- und Zwischenurteil aussprach, das Leistungsbegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht. Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren behielt das Berufungsgericht der Endentscheidung vor. Die Behandlung eines Teils der Beweisrüge des Klägers hielt das Berufungsgericht für entbehrlich, weil die bekämpften Feststellungen für die rechtliche Beurteilung irrelevant seien.

Hinsichtlich weiterer bekämpfter Feststellungen hielt das Berufungsgericht die Beweisrüge des Klägers zum Teil für nicht berechtigt, zum Teil handle es sich bei den bekämpften Feststellungen um eine rechtliche Beurteilung, zum Teil habe das Erstgericht die begehrte Feststellung ohnehin getroffen.

Das Berufungsgericht übernahm den festgestellten Sachverhalt mit Ausnahme der Feststellungen darüber, dass der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit die verdichtete und glatte Stelle sehen und ihr ausweichen hätte können. Diese Feststellung sei überschießend, weil weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin substanziiert ein Verschulden des Klägers eingewendet hätten, sodass sie vom Vorbringen der Parteien nicht gedeckt gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Beklagte hafte dem Kläger vertraglich aufgrund des Kaufvertrags und der Nutzungsvereinbarung für den Zustand des Wegs. Sie hafte daher auch für leichtes eigenes Verschulden und für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen (der Nebenintervenientin) gemäß § 1313a ABGB. Ein Haftungsausschluss sei gemäß § 6 Abs 1 Z 9 KSchG bei Personenschäden wirkungslos. Die Beklagte gehe selbst davon aus, dass sie vertraglich für die Räumung und Bestreuung in der Freizeitanlage hafte, sonst hätte sie die Räumung nicht zunächst selbst durchgeführt und dann durch die Nebenintervenientin durchführen lassen. Möge auch eine Bestreuung der Fahrbahn grundsätzlich nur an gefährlichen Stellen notwendig sein, treffe das auf den Gehsteig nicht zu, weil nach den zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen Fahrzeuge eine wesentlich bessere Bodenhaftung als Fußgänger hätten. Wegen der schneebedingt tief hängenden Äste habe der Kläger nicht rechts vom Fahrbahnrand auf dem geschotterten Bereich gehen können, er habe daher zwangsläufig auf die Fahrbahn ausweichen müssen. Sei aber der Gehsteig unpassierbar, so müsse derjenige, der für die Gefahrlosigkeit des Wegs vertraglich hafte, dafür sorgen, dass ein Weitergehen auf der Fahrbahn gefahrlos möglich sei. Auch bei einer vertraglichen Haftung dürften die Sorgfaltsanforderungen an den Wegehalter nicht überspannt werden. Dies sei hier schon deshalb nicht der Fall gewesen, weil die Beklagte gewusst habe, dass die Gemeinde nur am 24. 10. 2003 räumen werde. Die Beklagte habe keinen Versuch unternommen, die Gemeinde zu einer Kontrolle am 25. 10. 2003 zu bewegen, sich aber auch nicht selbst davon überzeugt, in welchem Zustand sich die Wege befänden. Die Beklagte habe weder gewusst, wann die Gemeinde räumen werde, noch, ob sie gestreut habe. Sie habe sich daher überhaupt nicht über den Zustand des Wegs informiert und von seiner Gefahrlosigkeit überzeugt. Sie habe es daher zu vertreten, dass der Kläger beim Ausweichen auf der schneeglatten Fahrbahn ausgerutscht sei und sich verletzt habe. Eine Kontrolle am Morgen des 25. 10. 2003 wäre keine Überspannung der Sorgfaltsanforderung an die Beklagte gewesen, zumal dazu ein kurzer Rundgang ausgereicht hätte. Da die Beklagte von der Beschaffenheit der Örtlichkeit (leichtes Gefälle und Schatten durch die Nadelbäume) Kenntnis gehabt habe, wäre eine solche Kontrolle auch zu erwarten gewesen. Die Beklagte hafte somit dem Kläger dem Grunde nach für alle Folgen aus dem Sturz vom 25. 10. 2003.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil die Verschuldensfrage den Einzelfall betreffe.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen auffallender Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Revisionswerberin macht unter anderem geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht § 6 Abs 1 Z 9 KSchG auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet, da das KSchG erst am 1. 10. 1979 in Kraft getreten und auf Verträge, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden seien, nicht anwendbar sei.

Da die Verträge (Kaufvertrag und Nutzungsvereinbarung) aus dem Jahr 1976 stammen, ist dieser Einwand der Revisionswerberin zunächst grundsätzlich richtig. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung war aber der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemachte Ausschluss der Haftung für leicht fahrlässige Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit seit jeher sittenwidrig und damit schon vor Inkrafttreten des § 6 Abs 1 Z 9 KSchG als gröbliche Benachteiligung des anderen Teils unwirksam (RIS-Justiz RS0109752 [T1]).

Im vorliegenden Fall wurde die Haftungsfreizeichnung zwar nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern im Kaufvertrag und im Nutzungsübereinkommen vereinbart. Diese Verträge sind aber, wie ein Blick auf diese in ihrer Echtheit bzw Übereinstimmung mit dem Original nicht bestrittenen Urkunden zeigt, unter Verwendung von (von der Rechtsvorgängerin der Beklagten herrührenden) maschinschriftlichen Vorlagen zustandegekommen, die als Vertragsformblätter zu qualifizieren sind (5 Ob 49/93; zum Begriff des Vertragsformblatts vgl 4 Ob 213/02f). Was die Rechtsprechung zu Freizeichnungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen judiziert, muss wegen der im gegebenen Zusammenhang bestehenden Gleichbehandlung im Gesetz (§ 879 Abs 3 ABGB; vgl auch § 864a ABGB, § 6 Abs 3 KSchG) auch für Vertragsformblätter gelten.

Für ihre Haftungsfreiheit für Personenschäden kann sich die Beklagte daher nicht auf die im Kaufvertrag und in der Nutzungsvereinbarung vereinbarte Haftungsfreiheit berufen, weil diese sittenwidrig und daher unwirksam ist. Vielmehr haftet die Beklagte dem Kläger aus dem bestehenden Vertrag und den daraus folgenden Schutz- und Sorgfaltspflichten auch bei leichtem Verschulden; sie muss gegebenenfalls auch für das Verschulden eines von ihr beauftragten Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313a ABGB einstehen.

Im Ergebnis zutreffend rügt aber die Revisionswerberin die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zum Vorbringen der Beklagten über das Mitverschulden des Klägers am Unfall. Wie sich schon aus dem eingangs der Entscheidungsgründe dieser Entscheidung wiedergegebenen Vorbringen der Beklagten (unter Berücksichtigung der Schriftsätze ON 10 und 16) ergibt, ist ihr Vorbringen zu einem Mitverschulden des Klägers am Unfall keineswegs unsubstanziiert.

Die vom Kläger in der Berufung bekämpfte Feststellung, er hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit die verdichtete und glatte Stelle sehen und ihr ausweichen können und es sei ihm bekannt gewesen, dass es gerade im Bereich der Einfahrtsstraße durch die Schattenwirkung der Bäume zu Glatteis und Schneeglätte kommen konnte, ist daher nicht überschießend und wäre durchaus als Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz zu qualifizieren. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich von jedem Fußgänger zu verlangen, vor die Füße zu schauen, der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden und einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst auszuweichen (vgl RIS-Justiz RS0027447; RS0023787 [T3]). Die vom Kläger begehrte Ersatzfeststellung, wonach er selbst bei gehöriger Aufmerksamkeit die verdichtete und glatte Stelle nicht sehen und ihr nicht ausweichen hätte können und es nicht ihm, sondern der Beklagten bekannt gewesen sei, dass es gerade im Bereich der Einfahrtsstraße zu Glatteis und Schneeglätte kommen konnte, würde hingegen kein Mitverschulden des Klägers begründen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Beurteilung sowohl eines Mitverschuldens des Klägers als auch eines der Beklagten zuzurechnenden Verschuldens weiters sehr wohl relevant, ob (entsprechend der ebenfalls bekämpften Feststellung) man teilweise bis zur Unfallstelle auch auf dem geschotterten Weg gehen konnte oder ob (entsprechend der begehrten Ersatzfeststellung) der Kläger im Unfallbereich den tiefhängenden Ästen ausweichen musste und die asphaltierte Straße betrat, die mit Schnee bedeckt war. Unter Zugrundelegung der begehrten Ersatzfeststellung träfe den Kläger insoweit kein Mitverschulden, als er die asphaltierte Fahrbahn benützte, weil die Benützung des geschotterten Wegs auf Höhe der Unfallstelle nicht möglich gewesen wäre. Für die Beklagte hingegen könnte dieser Umstand ein Verschulden bedeuten, weil sie dann dafür zu sorgen hatte, dass Fußgänger den betreffenden Bereich gefahrlos passieren können und daher die nach den Feststellungen aus verkehrstechnischer Sicht an sich ausreichende Weißräumung des (asphaltierten) Fahrwegs möglicherweise doch nicht ausreichend war. Unter Zugrundelegung der bekämpften Feststellung hingegen hätte der dafür beweispflichtige Kläger ein der Beklagten zurechenbares Verschulden nicht erwiesen: Das Erstgericht hat keine Feststellung getroffen, ob der Kläger im Bereich der späteren Unfallstelle, also auf Höhe des Betonrings, auf dem geschotterten Weg gehen konnte oder nicht. Ist - wie hier - im Zuge einer Straße ein Weg für Fußgänger vorhanden, so haben Fußgänger diesen Weg und nicht die Fahrbahn zu benützen, ist doch die Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr (und nicht für die Fußgänger) bestimmte Teil der Straße (§ 2 Abs 2 Z 2 StVO). Konnte daher der Kläger auf Höhe des Betonrings den Gehweg (gefahrlos) benützen oder ist die Unbenützbarkeit des Wegs in diesem Bereich nicht erweislich, so begründete (auch angesichts der schon vom Berufungsgericht vorausgesetzten unterschiedlich intensiv notwendigen Räumung und Streuung von Fahrbahn und Gehweg) die nicht weitergehend vorgenommene Räumung und Streuung der Fahrbahn auf der Unfallstelle kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten oder ihres Erfüllungsgehilfen, weil es ja dann auf den Zustand der Fahrbahn für die Fußgänger, die einen Gehweg benützen können, gar nicht ankommt. Die Unterlassung der Behandlung des aufgezeigten Teils der Beweisrüge der Berufung durch das Berufungsgericht stellt somit einen Mangel des Berufungsverfahrens dar, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht führen muss.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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