Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.217,86 EUR (darin 536,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist zur Ausübung des Gewerbes des Immobilientreuhänders, eingeschränkt auf Immobilienmakler, berechtigt.
Die Beklagte übt das Gewerbe des Immobilientreuhänders und die Tätigkeit eines Immobilienmaklers aus. Sie wurde von einem Kunden mit der Vermittlung seiner Wohnung in Hallein beauftragt. Die von der Beklagten namhaft gemachten beiden Mieter unterfertigten am 7. 2. 2002 einen schriftlichen Mietvertrag. Dieser Vertrag entstand aus einem in der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) der Beklagten gespeicherten Vordruck, der mittels EDV ausgefüllt und dann fertig aus dem Computer ausgedruckt wurde. Der im Vertrag vorgegebene Text war der Beklagten von einem Konkurrenten zur Verfügung gestellt worden. Der Mietvertrag vom 7. 2. 2002 wurde sodann dem Vermieter ohne inhaltliche Erörterung der einzelnen Vertragsbestimmungen zur Unterfertigung vorgelegt. Er hat folgendes Aussehen:
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Vertragserrichtungen, insbesondere Mietvertragserrichtungen, durchzuführen, wenn diese nicht im Ausfüllen formularmäßig gestalteter Verträge bestehen. Durch Errichtung des Mietvertrages vom 7. 2. 2002 habe die Beklagte gegen § 225 Abs 6 GewO verstoßen, weil es sich sowohl nach seinem äußeren Erscheinungsbild als auch nach seinem Inhalt (er enthalte nicht standardisierte Regelungen, durch die auch teils zwingende, teils dispositive gesetzliche Bestimmungen abbedungen worden seien) nicht um einen formularmäßig gestalteten Vertrag handle. Durch die Verwendung eigener Mietvertragstexte zur Vertragserrichtung verschaffe sich die Beklagte einen Vorsprung im Wettbewerb gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern, weil sie sich auf diese Weise gegenüber dem potentiellen Publikum und den aktuellen Kunden den Anschein verleihe, individuelle Verträge zu gestalten, was als besonderer Kundenservice den eigenen Wettbewerb zu Lasten gesetzestreuer Mitbewerber fördere.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Das von ihr verwendete Vertragsformular stamme von einem Mitbewerber und werde in der Branche mehrfach verwendet. In das standardisierte Formular würden die spezifischen Daten der Vertragsparteien eingesetzt. Es handle sich nicht um einen eigens für das gegenständliche Mietverhältnis errichteten Vertrag, sondern um ein vorgegebenes Formular, was sich auch daraus ergebe, dass in seinem § 3 die Kontoverbindung irrtümlich nicht eingesetzt worden sei, und dass der Vertrag dem Vermieter ohne inhaltliche Erörterung der einzelnen Vertragsbestimmungen zur Unterfertigung vorgelegt worden sei. Ähnliche Vertragsformulare seien gegen geringes Entgelt etwa auch bei Ineressenvertretungen oder juristischen Fachverlagen zu erwerben oder könnten aus dem Internet heruntergeladen werden. Die Verwendung von in der EDV errichteten Vertragsformularen entspreche dem Branchenstandard und sei nicht geeignet, der Beklagten einen Vorsprung im Wettbewerb gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen. Ein allfälliger Gesetzesverstoß sei der Beklagten nicht vorwerfbar, weil zumindest mit gutem Grund vertreten werden könne, dass die Verwendung eigener standardisierter Formulare gesetzlich gedeckt sei. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ein Verstoß der Beklagten gegen § 225 Abs 6 GewO sei nicht bescheinigt. Dieser Bestimmung sei nicht zu entnehmen, dass es sich bei den von Immobilientreuhändern zu verwendenden Vertragsformularen um von Dritten gestaltete und von Dritten bezogene Formulare handeln müsse. Welchen Inhalt der vorgegebene Vertragstext im Einzelnen enthalten dürfe, sei im Gesetz gleichfalls nicht geregelt, insbesondere sei von einer Standardvertragsgestaltung nicht die Rede und eine solche auch nicht definiert. Es müsse sich nur um Verträge handeln, bei denen der wesentliche Vertragstext vorgegeben sei und die jedenfalls für eine Vielzahl gleichartiger Verträge herangezogen und durch Ausfüllen vervollständigt werden könnten. Das Abbedingen von zwingendem und/oder dispositivem Recht bedeute kein Abgehen von formularmäßiger Gestaltung; die im Vertrag enthaltene Gerichtsstandsklausel unterstreiche den Charakter des Vertrages als formularmäßig gestaltet, weil die Beklagte überwiegend in der Stadt Salzburg tätig sei.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 225 Abs 6 GewO zulässig sei. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch würden mit dem Begriff "Formular" Vordrucke zur Beantwortung bestimmter Fragen oder für bestimmte Angaben bezeichnet. Das Verbum "gestalten" benenne eine Tätigkeit, die einer Sache eine bestimmte Form, ein bestimmtes Aussehen gebe. Der von der Beklagten EDV-unterstützt erstellte Mietvertrag sei nicht formularmäßig, also nicht als Vordruck mit erkennbaren Freiräumen für bestimmte Angaben, sondern als durchgängiger einheitlicher Text gestaltet, weil er nicht wie ein mit nachträglich eingefügten individualisierenden Angaben vervollständigter Vordruck aussehe, also nicht die Form oder Gestalt eines Formulars habe. Für die Parteien des Mietvertrags sei nicht erkennbar, welche Teile des Mietvertrags ein standardisierter, also nicht auf die jeweiligen Vertragsparteien abgestimmter formularienmäßiger Vertragstext seien, und welche Passagen des Vertrags vom Immobilienmakler aufgrund der Besonderheiten der konkreten Vertragsparteien in den Vertragstext Aufnahme gefunden hätten. Gehe der Vertragsinhalt auch auf einen in der EDV der Beklagten gespeicherten, der Beklagten von einem Mitbewerber zur Verfügung gestellten Text, also auf ein mehrfach verwendetes Vertragsmuster zurück, so werde doch gegenüber ihren tatsächlichen und den Vertrag lesenden künftigen Kunden der Eindruck erweckt, die Beklagte habe nicht bloß ein Mietvertragsformular ausgefüllt, sondern einen individuellen Vertrag originär errichtet. Dieses gegen § 225 Abs 6 GewO verstoßende Verhalten sei auch geeignet, der Beklagten einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, könne doch bei Kunden der Eindruck entstehen, bei der Beklagten besonders individuell und kompetent und damit besser als bei solchen Mitbewerbern betreut zu werden, die sich auf das Ausfüllen von Formularen beschränkten. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, sie sei zur Vertragserrichtung durch Ausdruck eines den Umständen der jeweiligen Vertragsparteien angepassten Vertrags berechtigt, der seinem Inhalt nach von einem Mitbewerber stamme und seiner äußeren Form nach nicht zwischen vorgegebenem Standardtext und individualisierenden Ausfüllungen unterscheide, stehe in Widerspruch zum klaren Gesetzeswortlaut und sei nicht mit gutem Grund vertretbar.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Umfang der Befugnis von Immobilientreuhändern, im Rahmen ihres Gewerbes Verträge zu errichten, fehlt; das Rechtsmittel ist auch berechtigt. Nach Auffassung der Beklagten sei es im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung verfehlt, bei Auslegung des strittigen Begriffs darauf abzustellen, ob noch ein Vordruck in seiner äußeren Form und Gestaltung erkennbar und der Mietvertrag als Formular anzusehen sei; auch Formulare von Gerichten und Verwaltungsbehörden seien schon über Internet abrufbar und könnten - unter Verwendung derselben Schriftart - so ausgefüllt werden, dass ein Unterschied zwischen Formular und ergänztem Text nicht mehr erkennbar sei. Ein Normverstoß iSd § 1 UWG müsse auch objektiv geeignet sein, einen Wettbewerbsvorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern herbeizuführen. Die Meinung sei jedenfalls vertretbar, dass ein Immoblienmakler im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung abänderbare EDV-Formulare ausfüllen dürfe. Dazu ist zu erwägen:
Vorauszuschicken ist, dass das Bundesgesetz zur Änderung der Gewerbeordnung 1994, BGBl I 111/2002, zwar unter anderem die hier zur Beurteilung stehenden Bestimmungen über das Gewerbe des Immobilientreuhänders in eine neue Systematik eingefügt, sie aber - soweit im Streitfall von Bedeutung - inhaltlich unverändert gelassen hat. Demnach zählt das Gewerbe des Immobilientreuhänders (Immobilienmakler, Immobilienverwalter, Bauträger) zu den bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerben (§ 94 Z 35 GewO nF). Der Tätigkeitsbereich des Immobilienmaklers umfasst unter anderem die Vermittlung von Bestandverträgen über Immobilien einschließlich der Vermittlung von Bestandverträgen über Wohnungen, Geschäftsräume und Unternehmen (§ 117 Abs 2 Z 2 GewO nF) und die Beratung und Betreuung für die in Z 1 bis Z 4 angeführten Geschäfte (§ 117 Abs 2 Z 5 GewO nF).
Gemäß § 117 Abs 6 GewO nF ist die Vertragserrichtung durch Immobilientreuhänder dann zulässig, wenn diese im Ausfüllen formularmäßig gestalteter Verträge besteht. Diese durch die Gewerberechtsnovelle 1997 eingefügte Bestimmung beschränkt nach den Erläuternden Bemerkungen die Zulässigkeit der Vertragserrichtung durch Immobilientreuhänder auf "formularmäßig vorgegebene Verträge, wie sie insbesondere für Mietwohnungen gebräuchlich sind" (zitiert bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, § 225 Rn 16); nach Kinscher (Gewerbeordnung11 Anm zu § 225 Abs 6) diene sie der Klarstellung, nachdem das Recht zur Vertragserrichtung durch Immobilientreuhänder eingeschränkt worden sei. Unter welchen Umständen von einem „formulargemäß gestalteten Vertrag" im Sinne dieser Vorschrift gesprochen werden kann, ist den Materialien im übrigen nicht zu entnehmen; literarische Stellungnahmen dazu fehlen. Bei der Auslegung dieses Begriffs ist mit dem Rekursgericht zunächst davon auszugehen, dass ein Formular ein gedrucktes Formblatt oder ein gedruckter Vordruck für bestimmte Angaben ist (Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch; Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in acht Bänden²) und dass man unter "gestalten" das Herstellen einer äußeren Form versteht. § 864a ABGB verwendet im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle von Verträgen den verwandten Begriff der "Vertragsformblätter". Die Lehre rechnet diese den Vertragsschablonen zu und versteht darunter von einem Vertragspartner oder einem Dritten vorformulierte Vertragstexte, bei denen es nur an der Bestimmung für eine Vielzahl von Fällen fehle (Krejci in Rummel, ABGB³ § 864a Rz 1). Vorformulierte Vertragsbedingungen sind nicht das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Streitteilen und werden vom anderen Teil typischerweise nicht gelesen (Apathy in Schwimann, ABGB² § 864a Rz 5 mwN).
Nach einer Entscheidung des fünften Senats liegt der typische Fall eines mittels Formblatts abgeschlossenen Mietvertrags etwa dann vor, wenn in einen maschinschriftlich hergestellten und vervielfältigten Text an den entsprechenden freigelassenen Stellen handschriftlich ua die Namen und Anschriften der Parteien, die Wohnung und der Beginn des Mietverhältnisses eingefügt wurden, wobei es nicht darauf ankomme, ob dieses Formblatt gedruckt oder durch Vervielfältigung hergestellt worden sei (wobl 1933/133). In einem arbeitsrechtlichen Fall betreffend eine Pensionszusicherung wurde ausgesprochen, dass ein von der Unternehmensleitung gefertigtes, mit Schreibmaschine vorgeschriebenes Formular, das für alle Dienstnehmer verwendet wurde und in dem jeweils lediglich Name, Beträge und Daten eingesetzt wurden, eine mit Hilfe eines Vertragsformblatts abgeschlossene individuelle Pensionsregelung sei (14 ObA 26/87).
Folgt man diesen Überlegungen, gelangt man zu dem Ergebnis, dass einem formulargemäß gestalteten Vertrag inhaltliche und formale Grenzen gesteckt sind. Von einem formulargemäß gestalteten Vertrag kann jedenfalls dann keine Rede mehr sein, wenn der (der Form nach schablonenmäßige) Vertragstext seinem Inhalt nach über eine Vorformulierung für eine Vielzahl von Verträgen hinausgeht und deshalb nicht für eine Serienverwendung in Frage kommen kann, und/oder wenn sein äußeres Erscheinungsbild (etwa wegen seines besonderen Umfangs oder einer von der üblichen Vertragsgestaltungen abweichenden Gliederung) nicht einem Vertragsformular entspricht, bei dem eine Vertragsschablone zwecks individueller Adaptierung durch einige wenige Daten an passender (im Formular zur Einfügung freigelassener) Stelle ergänzt wird.
Der hier zu beurteilende Vertrag ist nun zwar - worauf das Rekursgericht zutreffend hinweist - als durchgängig einheitlicher Text und nicht als (gedruckter) Vordruck mit (nachträglich ausgefüllten) Freiräumen für individuelle Angaben gestaltet; das einheitliche Schriftbild allein steht seinem Formularcharakter aber noch nicht entgegen, solange er nur - wie hier - in seiner äußeren Form keinen entscheidend anderen Eindruck erweckt als ein händisch ausgefülltes (gedrucktes) Vertragsformular. Nach dem allgemein bekannten Stand der Technik können nämlich elektronisch gespeicherte Texte leicht auf dem Bildschirm aufgerufen und vor ihrem Ausdruck durch Einsetzen der erforderlichen individuellen Angaben vervollständigt werden, was nach dem Ausdruck ein einheitliches Schriftbild des gesamten Vertragstexts bewirkt.
Bei dieser Sachlage kann der Beklagten kein sittenwidriges Handeln iSd § 1 UWG vorgeworfen werden. Ihre Auffassung über die Auslegung des § 117 Abs 6 GewO nF, darunter fiele auch der Ausdruck von gespeicherten Vertragstexten, die ihrer Formulierung nach nicht auf den Einzelfall zugeschnitten sind und durch Ergänzung einiger weniger Daten an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden, ist nämlich durch das Gesetz so weit gedeckt, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Eine auf dieser Auslegung beruhende Tätigkeit kann dann aber nicht mehr als eine gegen das Anstandsgefühl der betroffenen Verkehrskreise verstoßende Handlung angesehen werden (stRsp ua ÖBl 2001, 63 - Teppichknoten; ÖBl 2001, 261 - Hausdruckerei mwN). Die Rechtsauffassung der Beklagten steht (objektiv) auch nicht im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer feststehenden höchstrichterlichen Judikatur (ÖBl 1994, 213 - Haushaltsübliche Reinigungsarbeiten ua). Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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