Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Gerhard K***** und Michael H***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 2. Februar 2006 im Bereich des Hauptgebäudes des Innsbrucker Hauptbahnhofes im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) dem Stefan W***** mit gegen ihn gerichteter Gewalt sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich seine Geldtasche samt 50 Euro Bargeld und 8 Stück Substitol-Tabletten, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, „indem Gerhard K***** zunächst den Stefan W***** von hinten umklammerte und festhielt, während Michael H***** den Genannten unter gleichzeitigem Vorhalten eines geöffneten Klappmessers aufforderte, ,das Zeug' (gemeint: Bargeld und Tabletten) herauszugeben, widrigenfalls er ihm das Messer hineinsteche, wobei es dem Gerhard K***** im anschließenden Handgemenge mit Stefan W***** schließlich gelang, diesem die Geldtasche samt Bargeld und die Substitol-Tabletten aus seiner Hosentasche zu entnehmen".
Die Geschworenen bejahten die anklagekonform gestellten Hauptfragen, die Beantwortung einer den Erstangeklagten betreffenden Eventualfrage in Richtung des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB konnte daher entfallen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit einer von Gerhard K***** auf Z 4, 6, 8 und 10a, von Michael H***** auf Z 5, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Gerhard K*****:
Aus Z 4 rügt der Angeklagte einen Verstoß gegen § 271 StPO, weil das Protokoll der Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2007 nicht vom Vorsitzenden unterfertigt worden sei. Die Unterschrift des Vorsitzenden findet sich jedoch unterhalb der unmittelbar anschließenden, noch am selben Tag erfolgten Verfügung über die Ausschreibung der neuen Hauptverhandlung (S 12/IV), wodurch auch klargestellt ist, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen bloßen Protokollsentwurf handelt (vgl Danek, WK-StPO § 271 Rz 5). Im Übrigen ist nach der hier anzuwendenden (vgl § 516 Abs 1 StPO) Norm des § 271 Abs 1 StPO nur das gänzliche Fehlen eines Protokolls mit Nichtigkeit bedroht (Fabrizy StPO10 § 271 Rz 1). Die Anordnung, dass das Protokoll vom Vorsitzenden sowie, soweit ein solcher beigezogen wurde, vom Schriftführer zu unterschreiben ist, findet sich nunmehr im Abs 6 des § 271 StPO, der unter keiner Nichtigkeitssanktion steht.
Gleiches gilt für den letzten Satz des § 271 Abs 6 StPO, wonach eine Ausfertigung des Protokolls den Beteiligten ehestmöglich, spätestens aber zugleich mit der Urteilsausfertigung zuzustellen ist. Die Nichteinhaltung dieser Bestimmung bewirkt lediglich eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist (11 Os 58/02; Danek, WK-StPO § 271 Rz 40). Die Frage einer allfälligen Anwesenheit des Schwurgerichtshofs bei der Beratung der Geschworenen wurde durch die Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (Beschluss ON 121) geklärt, weshalb sich eine Behandlung des darauf gerichteten Vorbringens in der Nichtigkeitsbeschwerde (Verletzung des § 329 StPO) erübrigt. Die Fragenrüge (Z 6), die eine Eventualfrage nach versuchter Begehung (§ 15 StGB) reklamiert, bezieht sich nicht auf ein konkretes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung, sondern auf spekulative Erwägungen zum Geschehensablauf und verfehlt so die Orientierung an den Verfahrensgesetzen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 43). Mit dem Argument, der Sachverhalt sei „rechtlich in zwei Teilabschnitte zu gliedern", führt der Rechtsmittelwerber die Beschwerde im Übrigen nicht zu seinem Vorteil aus, weil zum Verbrechen des (versuchten) Raubes noch das Vergehen des (vollendeten) Diebstahls hinzuträte.
Soweit der Beschwerdeführer die Benützung eines Messers bei der Tat bestreitet und demnach eine Eventualfrage nach dem Verbrechen des (einfachen) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begehrt, legt er nicht dar, warum dies ungeachtet der den Geschworenen nach § 330 Abs 2 StPO zukommenden Möglichkeit der Streichung von Tatumständen notwendig gewesen wäre (RIS-Justiz RS0100696).
Mit dem spekulativen Einwand, die Geschworenen hätten - im Hinblick auf die kurze Zeit der (mündlichen) Rechtsbelehrung durch den Vorsitzenden - „die Möglichkeit von Streichungen und die Konsequenz der Nichtvornahme von Streichungen nicht vollumfänglich verstanden", wird weder eine fehlerhafte Fragestellung (Z 6) noch eine inhaltlich unrichtige Rechtsbelehrung moniert. Denn Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist allein der Inhalt der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 1 StPO) oder eine nichtprotokollierte Abweichung davon im Rahmen der nach § 323 Abs 1 StPO vom Vorsitzenden mündlich zu erteilenden Belehrung (RIS-Justiz RS0100711), nicht aber deren zeitliches Ausmaß.
Der Inhalt der nach §§ 321, 323 Abs 1 (und allenfalls § 327 Abs 1) StPO zu erteilenden Rechtsbelehrung ist aus Z 8 wiederum nur insoweit anfechtbar, als damit die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, auf die die Haupt- oder Eventualfrage gerichtet ist, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes oder die Belehrung über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage in Kritik gezogen werden (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53). Die vom Angeklagten monierte „rechtliche Trennung des Sachverhaltes in zwei Teilabschnitte" betrifft hingegen nicht die in der Beschwerde thematisierte „Vollendungsproblematik" (der tatsächliche Erfolgseintritt wird vom Rechtsmittelwerber gar nicht in Abrede gestellt [siehe S 264 f/III]; die Fragen von Versuch und Vollendung werden im Übrigen in der schriftlichen Rechtsbelehrung ausführlich dargelegt [S 5 ff und 19]), sondern die in § 312 Abs 2 StPO geregelte Frage des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen (in Ideal- oder Realkonkurrenz), die indes allein aus der Z 6 angefochten werden kann.
Mit einer eigenständigen - ohne Aktenbezug vorgebrachten („Im Beweisverfahren ist hervorgekommen ...) - Interpretation der Beweisergebnisse (etwa sei die Geldtasche nicht durch die den Angeklagten angelastete Raubhandlung entwendet worden, sondern „erst wesentlich später") und dem Hinweis auf - in der Hauptverhandlung ausführlich erörterte (S 286 ff/III) - Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Tatopfers vermag die Beschwerde keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken (Z 10a).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Michael H*****:
Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 5. Dezember 2007 gestellten Antrags auf Vernehmung jener Beamten, die den vom Zeugen W***** angezeigten Vorfall am 2. Februar 2006 aufgenommen hatten, zum Beweis dafür, dass der Zeuge ihnen gegenüber eine Rauferei mit mehreren Personen geschildert habe, und keine Rede davon gewesen sei, dass der Zeuge vom Zweitangeklagten mit dem Messer bedroht worden sei (S 297/III), Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Denn nichts anderes ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2008 (S 45/IV) verlesenen Auszug aus der ersten Niederschrift mit diesem Zeugen (S 143/I), sodass das Beweisthema als erwiesen gelten konnte (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO). Das den Antrag ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel ist unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325). Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge (Z 6) verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen (RIS-Justiz RS0119417). Diese Anforderung verfehlt der Beschwerdeführer, indem er bloß einzelne Aussageteile aus den Angaben des Erstangeklagten und des Zeugen W***** hervorhebt und seine Verantwortung wiederholt. Dem Vorbringen zuwider legte nämlich weder der Zeuge W***** dem Beschwerdeführer Raufhandel, versuchte Körperverletzung oder versuchten Diebstahl zur Last, noch verantwortete sich der Nichtigkeitswerber mit „gefährlicher Drohung im Rahmen der Überschreitung der erforderlichen Nothilfe". Vielmehr beteuerte er (S 275 ff/III), Stefan W***** bloß nachgelaufen und ihn zur Rede gestellt zu haben, wobei nicht er, sondern W***** ein Messer bei sich gehabt habe (S 276, 282/III); die Geldbörse habe K***** dem W***** aus der Hosentasche „gezupft" (S 276/III). Mangels Aufzeigens eines entsprechenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung und in Ansehung des Umstandes, dass die im Rechtsmittel ins Treffen geführte Verantwortung des Angeklagten - wäre sie von den Geschworenen als erwiesen angenommen worden - zum Freispruch geführt hätte, bestand daher für die vermissten Eventualfragen kein Anlass (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 44).
Die Tatsachenrüge (Z 10a) übersieht, dass die in der Niederschrift festgehaltenen Erwägungen der Laienrichter (§ 331 Abs 3 StPO) nicht zum Gegenstand einer auf Z 10a gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden können (Philipp, WK-StPO § 331 Rz 10; RIS-Justiz RS0115549).
Schließlich gelingt es dem Beschwerdeführer auch mit dem Hinweis auf Widersprüchlichkeiten in der Aussage des Zeugen W***** sowie in jener des Erstangeklagten nicht, auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken, werden damit doch bloß die Glaubwürdigkeit dieser Personen betreffende Umstände angesprochen, ohne einen qualifiziert bedenklichen Gebrauch des Beweiswürdigungsermessens der Geschworenen aufzeigen zu können. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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