OGH 5Ob116/08g

OGH5Ob116/08g24.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Mj Petra M*****, vertreten durch den Vater Emmerich M*****, beide *****, letzterer vertreten durch Dr. Johannes Hübner und Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Zoran J***** (Keller und top 2), 2. Dragana B***** (top 1), 3. Milka D***** (top 3), 4. Milovan D***** (top 4), 5. Margarete S***** (top 5‑8), 6. Agnes U***** (top 9‑13), 7. Johanna H***** (top 14‑17), diese vertreten durch Mag. Walter Krauss, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, 8. Branka V***** (top 18/19), 9. Helene H***** (top 20/21), 10. Maria E***** (top 22/23), 11. Robert B***** (top 24‑26), sämtliche als Mieter des Hauses *****, wegen §§ 37 Abs 1 Z 10, 18, 18a MRG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. März 2008, GZ 40 R 54/08z‑89, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 12. Oktober 2007, GZ 17 Msch 4/05i‑61, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs der Antragstellerin gegen Punkt 3. des Beschlusses des Bezirksgerichts Hernals vom 12. Oktober 2007, GZ 17 Msch 4/05i‑61, zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht sprach in Punkt 3. seines Beschlusses - inhaltlich gestützt auf § 4 Abs 2 AußStrG - aus:

„Dem Vertreter der Antragstellerin (gemeint wohl: Der Antragstellerin) wird der Auftrag erteilt, sich hinkünftig durch einen geeigneten Bevollmächtigten vertreten zu lassen."

Gegen diese Entscheidung erhob die Antragstellerin Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und bestätigte den Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass dieser wie folgt zu lauten habe:

„Der Antragstellerin wird der Auftrag erteilt, binnen 14 Tagen einen geeigneten Bevollmächtigten zu bestellen, widrigenfalls auf ihre Gefahr und Kosten ein solcher von Gericht bestellt werden würde."

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil es sich bei der konkret zu beurteilenden Notwendigkeit der Beiziehung eines anderen Vertreters um eine Frage des Einzelfalls handle.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragstellerin ist die dem angefochtenen Beschluss des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen:

1. Vermag sich eine Partei schriftlich oder mündlich nicht verständlich auszudrücken, so hat ihr das Gericht gemäß § 4 Abs 2 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist den Auftrag zu erteilen, einen geeigneten Bevollmächtigten zu bestellen, wenn dies notwendig ist, um das Verfahren zweckentsprechend durchzuführen. Kommt die Partei einem solchen Auftrag nicht fristgerecht nach, so hat das Gericht auf ihre Gefahr und Kosten einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Diese Regelung dient, wie dies schon unmittelbar dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, dem Zweck, „das Verfahren zweckentsprechend durchzuführen". Es handelt sich demnach um einen verfahrensleitenden Beschluss, der im Sinn des § 45 Satz 2 AußStrG nicht selbstständig anfechtbar ist (unklar Fucik/Kloiber, § 4 AußStrG Rz 5, wonach [nur ?] der Bestellungsbeschluss [gesondert ?] anfechtbar sei).

2. Die Unzulässigkeit eines Rekurses gegen den Beschluss des Erstgerichts folgt hier aber auch aus der mangelnden Beschwer der Antragstellerin, weil der an sie gerichtete Auftrag noch mit keinerlei nachteiligen Rechtsfolgen verbunden ist, deren Rechtsstellung also noch nicht unmittelbar gefährdet (vgl RIS‑Justiz RS0006399); vielmehr könnte die Entscheidung des Erstgerichts nur die Grundlage für eine künftige Vertreterbestellung sein.

3. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0115201, RS0042059; s zur Entwicklung der Rechtsprechung Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24; vgl überdies RIS‑Justiz RS0043969). Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern, wie aus § 54 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG herzuleiten ist, auch für eine vom Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren zu treffende Entscheidung (1 Ob 156/06g).

Die Möglichkeit einer Beantwortung des Revisionsrekurses war nicht einzuräumen, liegt doch kein Beschluss über die Sache oder über die Kosten vor (§ 48 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG).

Stichworte