Spruch:
1. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
2. Der Revision der zweitklagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird in Ansehung der Abweisung des von der zweitklagenden Partei begehrten Schmerzengelds von 12.000 EUR samt 4 % Zinsen aus 3.600 EUR vom 1. 12. 2001 bis 1. 6. 2006 und aus 12.000 EUR ab 2. 6. 2006 bestätigt; in Ansehung des von der zweitklagenden Partei zuletzt noch begehrten Verdienstentgangs von 74.716,32 EUR sA werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben.
Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
3. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens im Prozessrechtsverhältnis der zweitklagenden und der beklagten Partei sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Die Stadt Wien ist als Rechtsträger der Ignaz S*****klinik dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten beigetreten.
Die Zweitklägerin ist seit August 1991 Patientin des Beklagten. Der Erstkläger ist ihr am 29. 5. 2000 geborener Sohn. Am 25. 5. 1997 hatte die damals noch nicht privatkrankenversicherte Zweitklägerin das erste Kind - Peter - in der S*****klinik entbunden. Der Beklagte war damals nicht Geburtshelfer. Der Neugeborene wurde beim Geburtsvorgang schwer verletzt. Er erlitt unter anderem eine Facialis-Parese links, eine Schlüsselbeinfraktur rechts und eine Plexus-Parese rechts und wurde kurz nach der Geburt in der Intensivstation der Kinderklinik G***** aufgenommen und dort bis 12. 6. 1997 betreut. Nach mehrmonatiger Physiotherapie ergaben sich keine Dauerschäden. Im Mutter-Kind-Pass des Sohnes Peter sind eine Zangengeburt, eine protrahierte Austreibungsperiode, ein Geburtsstillstand und - als Anomalie - eine Schulterdystokie dokumentiert. Auch im Einlagebogen zur Krankengeschichte der S*****klinik findet sich in der Geburtsdokumentation - mit drei Rufzeichen versehen - der Hinweis des Geburtshelfers „Schulterdystokie". Ein entsprechender Vermerk findet sich auch im Hebammenprotokoll. Der vom Turnusarzt verfasste und unterfertigte Kurzarztbrief enthält allerdings keinen Hinweis auf diese Geburtskomplikation. Er war vom Vorstand der Klinik nicht unterfertigt worden. Ein weiterer, in Form eines Computerausdrucks hergestellter und vom Klinikvorstand unterfertigter Arztbrief vom 25. 6. 1997 erwähnte Name, Gewicht (3.965 Gramm) und Größe des Kindes in cm, seine Apgarwerte, den Geburtszeitpunkt sowie die Entbindungsart (Zangengeburt) und - als Indikation - Geburtsstillstand. Vermerkt wurde überdies, dass Peter in die „Neonatologie intensiv" transferiert wurde. Der Begriff „Schulterdystokie" findet sich darin nicht.
Anlässlich eines Untersuchungstermins beim Beklagten beschrieben die Zweitklägerin und ihr Ehegatte die traumatische Geburt Peters. Die Zweitklägerin hatte auch den Mutter-Kind-Pass mit und legte ihn vor sich auf den Tisch, der Beklagte nahm weder zu diesem Zeitpunkt noch zu einem späteren Zeitpunkt Einsicht in den Mutter-Kind-Pass.
Um sich den Beklagten als Geburtshelfer anlässlich einer weiteren Schwangerschaft leisten zu können, schloss die Zweitklägerin eine private Krankenversicherung ab. Nach Eintritt der weiteren Schwangerschaft führte sie mit dem Beklagten am 11. 11. 1999 ein ausführliches Gespräch über die künftige Geburt. Sie schilderte erneut, dass Peter „stecken geblieben" sei, dass es länger gedauert habe, dass es eine Zangengeburt und einfach eine schreckliche Geburt gewesen sei, die sie nie wieder erleben wolle. Sie erzählte weiters, dass das Kind nach G***** gebracht worden sei. Auf Frage des Beklagten erklärte sie, dass es ihm mittlerweile gut gehe. Der Beklagte fragte nicht, welche konkreten Verletzungen Peter damals erlitten hatte. Die Informationen der Zweitklägerin und die vorbeschriebenen Arztbriefe der Klinik schienen ihm ausreichend. Er führte die Verletzungen auf die Zangenentbindung und den Aufenthalt in der Intensivstation auf Anpassungsstörungen des Neugeborenen durch die schwierige Geburt zurück. Er stellte keine weiteren Nachforschungen an und verlangte auch nicht den Mutter-Kind-Pass, den die Zweitklägerin immer mit sich führte. Weitere Informationen der S*****klinik oder der Kinderklinik G***** holte er nicht ein. Die Seiten 10 und 11 des Mutter-Kind-Passes (Anamnese der werdenden Mutter) ließ er unausgefüllt. Wesentliche Punkte dieser Anamnese sind vorangehende Entbindungen mit Geburtsdatum, Geschlecht, Geburtsgewicht, Ort der Entbindung und Besonderheiten/Komplikationen.
Hätte der Beklagte die Geburtsdokumentation der S*****klinik gekannt, so hätte er primär den Kaiserschnitt empfohlen. Die Zweitklägerin hätte in einen Kaiserschnitt eingewilligt.
Bei der Geburt des Erstklägers am 29. 5. 2000 trat nach einem zunächst unproblematischen Geburtsverlauf eine Schulterdystokie auf. Der Beklagte konnte gemeinsam mit der Hebamme das Kind „entwickeln", die Vorgangsweise bei der Geburt entsprach im Wesentlichen den dafür ausgearbeiteten Leitlinien. Die Schulterdystokie wurde lege artis überwunden. Das Kind erlitt jedoch durch den bei der Geburt ausgeübten Zug und Druck auf Schulter und Hals eine Plexus-Parese des rechten Arms und musste vom Beklagten reanimiert werden. Am dritten Lebenstag wurde es in die Neugeborenen-Intensivstation transferiert. Ein Kaiserschnitt hätte die Plexus-Parese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert.
Der Erstkläger begehrt Schmerzengeld (40.000 EUR), Verunstaltungsentschädigung (14.500 EUR), Pflegekosten (125.896,66 EUR), Fahrtkosten (2.118,31 EUR), Behandlungskosten (2.185,30 EUR) und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden.
Die Zweitklägerin begehrt Schmerzengeld (3.600 EUR für die bei der Geburt erlittenen Schmerzen und weitere 8.400 EUR als Abgeltung seelischer Schmerzen wegen der Behinderung des Sohnes), Verdienstentgang wegen verspäteter Rückkehr in ihren Beruf (122.185,12 EUR) und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schäden.
Die Kläger machen geltend, der Beklagte habe seine Aufklärungspflichten verletzt und Behandlungsfehler begangen. Ein Behandlungsfehler sei in der unvollständigen und unrichtigen Anamnese zu sehen. Der Beklagte hätte sich aufgrund der Schilderungen der Zweitklägerin nicht auf Kurzarztbrief und Computerausdruck der S*****klinik verlassen dürfen. Er wäre verpflichtet gewesen, die Krankengeschichte (Geburtsdokumentation) beizuschaffen und in den Mutter-Kind-Pass Einsicht zu nehmen, um die geschilderten Probleme auf ihre medizinische Relevanz prüfen zu können. Schon der Hinweis auf die Zangengeburt und die nachfolgenden neunzehn Tage in der Kinderklinik G***** hätten den Beklagten veranlassen müssen, den damals aufgetretenen Komplikationen nachzugehen. Ein weiterer Behandlungsfehler sei in der unterlassenen Kontrolle des Geburtsgewichts des Erstklägers knapp vor der Geburt zu erblicken. Eine Kontrolle wäre zur Risikoabklärung indiziert gewesen. Das überdurchschnittlich hohe Gewicht hätte per se schon einen Kaiserschnitt indiziert. Der Beklagte habe die Zweitklägerin auch nicht informiert, dass die Möglichkeit einer Kaiserschnittgeburt bestehe, er habe eine „natürliche" Geburt in Erwägung gezogen und vorgeschlagen, einen Kaiserschnitt bei Auftreten von Problemen vorzunehmen. Mangels entsprechender Aufklärung fehle es an einer Einwilligung der Zweitklägerin in diesen Vorschlag, sodass die Vorgangsweise des Beklagten bei der Geburt rechtswidrig gewesen sei. Wäre die Zweitklägerin über das Wiederholungsrisiko bei Schulterdystokie von statistisch 13,8 % sowie darüber aufgeklärt worden, dass es bei ihr überdies weitere Risikofaktoren für das Auftreten dieser Komplikation gebe und ein Kaiserschnitt bei deren Auftreten nicht mehr möglich sei, so hätte sie sich primär für eine Geburt mittels Kaiserschnitts im Sinn der für das Kind sichersten Methode entschieden. Dadurch wäre die Plexus-Parese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden. Der Beklagte hätte im Zuge einer „lege artis" vorgenommenen Behandlung nicht nur über die Alternative eines Kaiserschnitts aufklären müssen, vielmehr wäre angesichts des Gewichts des ersten Kindes und des starken Übergewichts der Zweitklägerin ein Kaiserschnitt sogar indiziert gewesen und hätte ihr dringend empfohlen werden müssen.
Die Zweitklägerin begründete ihr Schmerzengeldbegehren von 3.600 EUR zunächst damit, dass sie durch die Geburtskomplikation qualvolle Schmerzen erlitten habe, die bei einer Geburt mittels Kaiserschnitts nicht entstanden wären. Mit am 30. 6. 2006 eingelangtem Schriftsatz vom 1. 6. 2006 (die Klage war am 20. 2. 2002 eingebracht worden) dehnte sie ihr Schmerzengeldbegehren um weitere 8.400 EUR aus. Sie habe überdies seelische Schmerzen wegen der Behinderung und Entstellung ihres Kindes erlitten. Verdienstentgang werde für den Zeitraum zwischen 29. 5. 2002 bis einschließlich August 2006 deshalb begehrt, weil sie ihre berufliche Tätigkeit nicht - wie ursprünglich geplant - nach eineinhalb Jahren Karenzurlaub wieder aufnehmen habe können. Sie sei aufgrund der erforderlichen ständigen Betreuung ihres Sohnes gezwungen gewesen, länger zu Hause zu bleiben. Ein weiterer (künftiger) Verdienstentgang sei nicht auszuschließen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Zweitklägerin habe wohl über eine langwierige und schwierige Geburt berichtet, eine Schulterdystokie aber nicht erwähnt und den Mutter-Kind-Pass auch nicht vorgelegt. Er habe sich auf den Arztbrief, der keinen Hinweis auf eine derartige Geburtskomplikation enthalten habe, verlassen dürfen. Im Übrigen sei bei der ersten Geburt eine Schulterdystokie gar nicht aufgetreten. Vorgelegen sei lediglich ein tiefer Schulterquerstand als Folge der Zangenentbindung. Es habe daher auch ein Wiederholungsrisiko bei der zweiten Geburt nicht bestanden. Es sei ihm kein ärztlicher Aufklärungs- oder Kunstfehler unterlaufen. Zumindest habe die Zweitklägerin ein Mitverschulden zu verantworten, weil sie ihn nicht konkret über die Verletzungen des Erstgeborenen aufgeklärt habe. Hätte ihm die Zweitklägerin den Mutter-Kind-Pass vorgelegt, so hätte er ihn selbstverständlich gelesen. Die mehr als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Klageausdehnung zurückliegenden Pflege-, Behandlungs- und Fahrtkosten und das auf seelische Schmerzen gestützte Begehren seien verjährt. Die Klageforderung sei überhöht. Die Zweitklägerin habe ihre Schadenminderungspflicht verletzt. Sie hätte die Massagen, Physiotherapien und sonstigen Betreuungsleistungen auch neben ihrer Tätigkeit als Hauptschullehrerin durchführen können. Ihr Begehren auf Verdienstentgang und Pflegekosten beinhalte eine unzulässige Doppelverrechnung.
Das Erstgericht gab mit Teil- und Teilzwischenurteil dem Begehren des Erstklägers auf Feststellung und Zahlung (letzteres in einem Teilbetrag von 125.566,17 EUR sA) statt; das Zahlungsmehrbegehren von 56.948,80 EUR sA wies es (rechtskräftig) ab. Der Zuspruch umfasst Schmerzengeld (40.000 EUR), Verunstaltungsentschädigung (14.500 EUR), Pflegekosten (69.310,32 EUR) und Fahrtkosten (1.755,85 EUR). Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens für Behandlungskosten von 2.185,30 EUR sA sprach das Erstgericht aus, dass dieses Teilbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Das Zahlungs- und das Feststellungsbegehren der Zweitklägerin wurden - Letzteres rechtskräftig - zur Gänze abgewiesen.
Das Erstgericht stellte noch fest, bei der Geburt von Peter sei eine Schulterdystokie, wahrscheinlich in Form des sogenannten „tiefen Schulterquerstands" vorgelegen. Die Zweitklägerin und ihr zugleich anwesender Ehegatte hätten dem Beklagten am 13. 2. 1998 berichtet, dass das Kind „stecken geblieben sei", dass es ein „Vor und Zurück" gegeben habe und dass Peter erst habe geboren werden können, nachdem sein Schlüsselbein gebrochen worden sei. Der Beklagte hätte die Zweitklägerin im Zuge der Anamnese nach ärztlichen Erfordernissen detailliert über die Verletzungen Peters befragen und ergänzend in den Mutter-Kind-Pass Einsicht nehmen müssen, um die Schilderungen der Mutter mit den Dokumenten zu vergleichen. Der Informationsgehalt der Arztbriefe der Klinik sei zu gering gewesen. Um einen ähnlichen Vorfall bei einer weiteren Geburt zu vermeiden, wäre die Einsicht in das Geburtenblatt der Klinik erforderlich gewesen. Schon der Umstand der Zangengeburt und der nachfolgenden intensiv-medizinischen Betreuung von neunzehn Tagen hätte den Beklagten als Geburtshelfer bei der zweiten Geburt veranlassen müssen, die genaueren Umstände der ersten Geburt zu hinterfragen. Angesichts des Geburtsgewichts von Peter (3.950 Gramm) und des androiden Beckens der Mutter wäre es angezeigt gewesen, zu erheben, ob der Erstkläger größer oder kleiner als Peter sein werde. Die in den Mutter-Kind-Pass eingetragenen Messungen (des Schädelsdurchmessers) seien für die Schätzung des Geburtsgewichts unbrauchbar. Es wären vergleichende Ultraschalluntersuchungen in der 34. und in der 38. Schwangerschaftswoche notwendig gewesen, um festzustellen, ob der Erstkläger mehr oder weniger als 4.000 Gramm wiegen werde. Tatsächlich habe er bei der Geburt 4.500 Gramm gewogen. Selbst unter Berücksichtigung einer 10 %igen Fehlerquote hätte auffallen müssen, dass der Erstkläger makrosom gewesen sei. Wegen seines veralteten Ultraschallgeräts hätte der Beklagte eine Zweitmeinung durch einen Ultraschallfachmann einholen müssen. Er sei auch der Ursache der Makrosomie nicht nachgegangen. In der 30. Schwangerschaftswoche hätte ein oraler Glukosetoleranztest vorgenommen werden müssen. Bei sorgfältiger Anamnese und nach Einholung aller relevanten Befunde hätte unter Einbeziehung der Makrosomie des Erstklägers das - zuvor erwähnte - Wiederholungsrisiko abgeschätzt und primär ein Kaiserschnitt empfohlen werden müssen. Der Beklagte habe die Zweitklägerin auch nicht darüber aufgeklärt, dass nach Auftreten einer Schulterdystokie ein Kaiserschnitt nicht mehr möglich sein werde.
Zur Höhe der Ansprüche des Erstklägers stellte das Erstgericht fest, die in Anspruch genommenen Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie, Akupunktur und heilpädagogisches Reiten) seien sinnvoll und notwendig gewesen, um die Funktion des rechten Arms zu verbessern. Der Erstkläger sei seit seiner Entlassung aus der Spitalsbehandlung fortlaufend therapiert worden. Er habe nachstehende Therapien in Anspruch genommen:
Physiotherapie bei einer Therapeutin in Gerasdorf (6 km von der Wohnung der Kläger entfernt, Fahrtdauer je 15 Minuten) im Ausmaß von mindestens 57 Einheiten zwischen Juni 2000 bis einschließlich Mai 2006;
Akupunktur in einem Zentrum für Entwicklungsförderung im 22. Bezirk (18 km von der Wohnung der Kläger entfernt, Therapiedauer eine halbe bis eine ganze Stunde) im Ausmaß von mindestens 80 Therapieeinheiten zwischen Juni 2000 und Mai 2006;
Heilpädagogisches Voltigieren in Gerasdorf (6 km von der Wohnung der Kläger entfernt, Zeitaufwand je 75 Minuten für das Training) im Ausmaß von 60 Besuchen ab 2004 bis Mai 2006.
Der Erstkläger sei beim plastischen Chirurgen Dr. F***** im AKH in Behandlung gewesen, es hätten des öfteren Besuche im AKH und im Orthopädischen Zentrum Speising stattgefunden. Im März 2006 sei eine (erfolgreiche) Operation zur Verbesserung der Beweglichkeit der Finger vorgenommen worden. Die Zweitklägerin habe den Erstkläger zu Therapien und Arztbesuchen befördert und mit und an ihm - nach Anweisung der Therapeuten - täglich selbst Übungen und Massagen zu Hause ausgeführt. In den ersten Jahren habe die Therapie zu Hause vier Mal pro Tag je 25 Minuten in Anspruch genommen, ab Herbst 2005 habe sich der Aufwand auf zwei Mal je 25 Minuten pro Tag reduziert. Der Erstkläger habe auch immer wieder motiviert werden müssen, den rechten Arm zu bewegen, er habe eine Hilfestellung im täglichen Leben etwa auch auf Spielplätzen benötigt. Für die Jahre 2002 und 2003 habe der zusätzliche Pflegebedarf für den Erstkläger jedenfalls durchschnittlich drei Stunden pro Tag betragen, in den Jahren 2004 und 2005 sei ein durchschnittlicher täglicher Pflegebedarf von zwei Stunden pro Tag und in den ersten fünf Monaten des Jahres 2006 ein durchschnittlicher Pflegebedarf von eineinhalb Stunden pro Tag aufgetreten. Für Fahrten zu den Therapien und zu den Ärzten habe die Zweitklägerin ab der Geburt des Klägers bis 31. 5. 2006 insgesamt 6.756 km zurückgelegt.
Die bisher erreichten Fortschritte im Zustand des Kindes seien auf den großen Einsatz seiner Eltern, vor allem der Zweitklägerin zurückzuführen, die den Erstkläger seit seiner dritten bzw vierten Lebenswoche zu den Therapieterminen und Arztbesuchen bringe und täglich Übungen und Massagen nach Anleitung der Therapeuten durchführen müsse. Ohne diese täglichen Therapien wäre die rechte Hand gänzlich funktionslos geblieben. Die Funktion seines rechten Arms könne durch weiterführende Physiotherapie verbessert werden, eine komplette Heilung sei aber sehr unwahrscheinlich, allein die Längendifferenz des Arms könne nicht mehr aufgeholt werden. Durch die Funktionseinschränkung des rechten (gelähmten) Arms sei der Erstkläger sowohl bei der Ausübung der für sein Alter typischen Sportarten (Ballspiel, Klettern) als auch in der Berufswahl eingeschränkt; handwerklich-technische Berufe, bei denen beide Hände eingesetzt werden müssten, kämen für ihn nicht in Frage, auch Maschinschreiben mit beiden Händen werde nicht möglich sein. Der rechte Arm werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie gleichwertig verwendet werden können, sodass Dauerfolgen zu erwarten seien.
Die Höhe der Behandlungskosten könne derzeit noch nicht festgestellt werden, es sei noch ungeklärt, in welcher Höhe sie von der Krankenversicherung übernommen würden.
Zum Ausmaß der erlittenen Schmerzen stellte das Erstgericht fest, der Erstkläger habe vom 29. 5. 2000 bis 4. 6. 2000 dauernd starke Schmerzen, vom 4. 6. bis 8. 6. 2000 dauernd mittelgradige Schmerzen, in der Zeit vom 8. 6. 2000 bis 29. 5. 2001 während der Physiotherapie mittelgradige Schmerzen und seit 30. 5. 2001 während der diversen Therapien leichte Schmerzen erlitten. Mit zunehmendem Alter werde er wegen der bereits geschilderten Behinderung bei Spiel, Sport und Berufsausübung auch zunehmend seelische Schmerzen erleiden.
Zur Höhe der Ansprüche der Zweitklägerin stellte das Erstgericht fest, die Zweitklägerin habe nach dem zweiten Karenzjahr wieder arbeiten wollen, sie habe mit einer vollen Lehrverpflichtung ab September 2002 gerechnet. Tatsächlich sei dies wegen der Behinderung des Erstklägers erst ab September 2006 möglich gewesen. Bis dahin habe sie über kein Einkommen verfügt. Die Zeit werde ihr auf die Pension angerechnet, die Vorrückung für diese Zeit aber auf die Hälfte reduziert. Der Erstkläger besuche seit September 2003 vormittags den Kindergarten, sofern nicht gleichzeitig eine Therapie angesetzt sei.
Nach Gegenüberstellung der tatsächlichen Geburtsschmerzen der Zweitklägerin mit jenen einer indizierten Kaiserschnittgeburt stellte das Erstgericht fest, dass diese durch die Nichtvornahme eines Kaiserschnitts nicht mehr Schmerzen erlitten habe, als sie im Fall einer von Anfang an geplanten Entbindung mittels Kaiserschnitts hätte erdulden müssen. Ob sie seelische Schmerzen durch die Behinderung ihres Kindes habe erleiden müssen, könne aus rechtlichen Überlegungen offen bleiben.
Rechtlich ging das Erstgericht von einer unzureichenden Anamnese aus, dementsprechend habe der Beklagte die Zweitklägerin mangelhaft aufgeklärt, ihre Einwilligung in eine Spontangeburt sei damit unwirksam. Der Beklagte hafte für die bei der Geburt entstandene Körperverletzung des Erstklägers. Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung seien dem Grunde und der Höhe nach, die Behandlungskosten dem Grunde nach berechtigt. Die Höhe der Behandlungskosten müsse noch geklärt werden. Die Fahrtkosten stünden nur mit einem Betrag von 1.755,85 EUR zu, der sich nach Abzug des für Fahrten zu einer logopädischen Therapie verrechneten Kostenanteils ergebe. Dass der Erstkläger wegen der bei der Geburt erlittenen Schäden an Sprachstörungen leide, habe das Verfahren nicht ergeben. Das Feststellungsbegehren des Erstklägers sei angesichts der noch zu erwartenden weiteren Verletzungsfolgen berechtigt. Zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten gehörten auch die Kosten von Pflegeleistungen. Würden diese durch Angehörige erbracht, müsse zuerst der tatsächliche Pflegeaufwand ermittelt und dann festgestellt werden, welchen Kostenaufwand die Befriedigung dieser Bedürfnisse durch professionelle Kräfte erfordert hätte. Bei einem behinderten Kind sei zu ermitteln, inwieweit die Summe der Betreuungszeiten das Ausmaß der Pflege- und Betreuungszeiten für ein normal entwickeltes Kind überschritten. Da ein Säugling einer 24-Stunden-Betreuung bedürfe, könne hier nur jener Mehraufwand abgegolten werden, der aus den konkreten Umständen seiner Behinderung resultierten. Im vorliegenden Fall sei der Zeitaufwand für Therapien und Arztbesuche eine zusätzlich erforderliche Pflegezeit. Zu berücksichtigen sei auch, dass Therapien zwar täglich durchgeführt werden müssten, aber sicher nicht im Ausmaß der für die ersten eineinhalb Jahre begehrten viereinhalb Stunden pro Tag. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Therapien außerhalb der Wohnung nicht täglich stattgefunden hätten, sei ein Durchschnittssatz von drei Stunden pro Tag für die Jahre 2001 bis 2003 (unter Heranziehung der Grundsätze des § 273 ZPO) als angemessen zu betrachten. Ab dem Jahr 2004 erschien dem Erstgericht ein Pflegemehraufwand von zwei Stunden pro Tag angemessen, wobei es berücksichtigte, dass der Erstkläger seit September 2003 den Kindergarten besucht. Für das Jahr 2006 reduzierte das Erstgericht die tägliche Pflegezeit auf durchschnittlich eineinhalb Stunden. Der von den Klägern verrechnete Stundensatz von 10,90 EUR für die Jahre 2000 und 2001 und von 15 EUR ab dem Jahr 2002 sei angemessen. Nach Abzug der erhöhten Familienbeihilfe ergebe sich ein Pflegekostenanspruch von insgesamt 69.310,32 EUR.
Zu den Ansprüchen der Zweitklägerin führte das Erstgericht aus, ihre Schmerzen bei der Geburt seien jenen eines Kaiserschnitts gleichwertig. Die Zweitklägerin habe daher nicht mehr Schmerzen erlitten, als sie bei einem von Anfang an geplanten Kaiserschnitt zu erleiden gehabt hätte. Die mit Klageausdehnung geltend gemachten seelischen Schmerzen seien verjährt, weil die Zweitklägerin zunächst Schmerzengeld nur aufgrund körperlicher Schmerzen begehrt habe. Verdienstentgang könne sie nicht geltend machen, weil das einer Doppelverrechnung mit den Pflegekosten des Erstklägers gleichkomme.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Zweitklägerin und jener des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen die Entscheidung über die Berufung des Beklagten nicht zulässig sei; die ordentliche Revision gegen die Entscheidung über die Berufung der Zweitklägerin sei hingegen zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zum Vorteilsausgleich bei Schmerzengeld noch nicht abschließend Stellung genommen habe. Mit dem Verdienstentgangsanspruch eines pflegenden Angehörigen habe sich der Oberste Gerichtshof bisher lediglich im Zusammenhang mit Ansprüchen eines pflegenden Ehegatten, nicht aber aus Anlass der Pflege eines Kleinkindes durch einen Elternteil beschäftigt. Die Pflege eines Kleinkindes könnte eine abweichende Beurteilung erforderlich machen.
Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen nach Erledigung der Mängel- und Beweisrüge des Beklagten. Das Erstgericht habe weitere Beweise über das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Schulterdystokie bei der Geburt des ersten Kindes nicht aufnehmen müssen. Die Mängelrüge sei in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie die Relevanz des Mangels nicht aufzeige. Es sei auch nicht Aufgabe des Beklagten gewesen, die Diagnose „Schulterdystokie" bei der Erstgeburt zu überprüfen. Im Übrigen sei für die Wiederholungsgefahr von Geburtskomplikationen und damit für den Einsatz eines Kaiserschnitts nicht nur eine Schulterdystokie bei der Erstgeburt entscheidend gewesen, ein Kaiserschnitt wäre auch wegen der Beckenform der Zweitklägerin und des hohen, unzureichend gemessenen Gewichts des Erstklägers während der zweiten Schwangerschaft angezeigt gewesen. Der Beklagte habe nicht auf den zu knappen Arztbericht über die vorangegangene Geburt vertrauen dürfen, er hätte vielmehr angesichts der eindringlichen Informationen der Zweitklägerin über damals aufgetretene Komplikationen weitere Nachforschungen im Rahmen der Anamnese vornehmen müssen. Der Arzt sei aufgrund des Behandlungsvertrags auch zur vollständigen Anamnese verpflichtet. Behandlungsfehler sei nicht nur ein Fehler bei der Therapie, sondern auch ein solcher bei der Anamnese.
Der Berufung der Zweitklägerin gegen die Abweisung ihres Schmerzengeldanspruchs für physische Schmerzen hielt das Berufungsgericht entgegen, ein hier nicht durchgeführter, aber indizierter Kaiserschnitt und die tatsächliche komplikationsbehaftete Spontangeburt hätten das gleiche Ergebnis - die Geburt eines Kindes - gezeitigt, sodass ein Vorteilsausgleich der mit beiden Geburtsformen verbundenen Schmerzen zulässig sei. Der auf psychische Schmerzen gegründete (weitere) Schmerzengeldanspruch sei verjährt, weil die Zweitklägerin diesen Anspruch erst mehr als drei Jahre nach Klageeinbringung erhoben habe. Abgesehen davon, dass die Zweitklägerin ursprünglich kein Vorbringen zu seelischen Schmerzen erstattet habe, habe das Erstgericht das Feststellungsbegehren unbekämpft abgewiesen. Soweit die Zweitklägerin Verdienstentgang geltend mache, handle es sich um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden.
Die Revision der Zweitklägerin richtet sich gegen die Abweisung ihrer Ansprüche auf Schmerzengeld von insgesamt 12.000 EUR und Verdienstentgang von (noch) 74.716,32 EUR.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision der Zweitklägerin ist aus den tieferstehend unter 1.3., 1.4., 1.5. erörterten Gründen zulässig und teilweise berechtigt.
1.1. In ihrer Rechtsrüge gegen die Abweisung des Schmerzengeldanspruchs macht die Zweitklägerin geltend, ihr Anspruch auf Schmerzengeld für psychische Schmerzen sei nicht verjährt. Diese Schmerzen seien erst durch das Sachverständigengutachten objektiviert worden, weshalb die Verjährung nicht schon vorher habe eintreten können. Die rechtskräftige Abweisung ihres Feststellungsbegehrens sei ohne Bedeutung, weil dieses nach Objektivierung der seelischen Schmerzen weggefallen sei. Die Anrechnung von „Sowiesoschmerzen" sei nicht zulässig, weil als Folge der Spontangeburt im Hinblick auf die eingetretene psychische Beeinträchtigung wegen der Behinderung ihres Sohnes keine mit einer Geburt nach Kaiserschnitt vergleichbaren körperlichen Zustände geschaffen wurden.
1.2. Die Zweitklägerin hatte zunächst ein Zahlungsbegehren auf Schmerzengeld (nur) wegen der bei der Geburt erlittenen physischen Schmerzen und ein Feststellungsbegehren erhoben, wonach der Beklagte für alle „künftigen Schäden" aus Fehlverhalten bei der Geburtsbehandlung hafte. Mehr als vier Jahre später dehnte sie ihr Schmerzengeldbegehren um 8.400 EUR aus und brachte vor, sie habe durch die Behinderung und Entstellung ihres Kindes auch seelische Schmerzen erlitten, die nicht nur „bis heute" andauerten, sondern auch noch in Zukunft zu erwarten seien.
Bei Verbindung einer rechtzeitigen Leistungsklage mit einer später erfolgreichen (positiven) Feststellungsklage ist die Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist zulässig, wenn die Klageausdehnung auf neuen (inzwischen aufgetretenen) Schadenswirkungen beruht. Sie wird auch dann noch als zulässig angesehen, wenn sie zwar nicht auf neue Schadenswirkungen, aber auf die Ergebnisse eines - für den Kläger (unverhofft) günstigen - Sachverständigengutachtens gestützt wird (1 Ob 134/00p; siehe ferner RIS-Justiz RS0034286 [T6]). Voraussetzung für den Zuspruch eines erst nach Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageausdehnung erhobenen Schmerzengeld(teil-)begehrens ist jedoch die Berechtigung des erhobenen Feststellungsbegehrens. Hier erwies sich das Feststellungsbegehren mangels Vorliegens von Dauerfolgen als nicht berechtigt. Die nach Ablauf der Verjährungsfrist vorgenommene Ausdehnung des Schmerzengeldbegehrens wegen seelischer Schmerzen gründet sich nicht auf neue seinerzeit nicht vorhersehbare Schadenswirkungen. Die - dem Vorbringen nach - seelische Schmerzen der Zweitklägerin auslösende Behinderung des Kindes war von Anfang an erkennbar. Ihr Vorbringen verdeutlichte insofern auch, dass sie das schließlich bezifferte, auf seelische Schmerzen entfallende Begehren auf den Zeitraum ab Geburt bezog. Für diesen Zeitraum hätte sie überdies bereits ein Leistungsbegehren stellen können und - zur Vermeidung einer Verjährung des Teilanspruchs - auch stellen müssen. Ihr auf seelische Schmerzen gegründetes und erstmals mit Schriftsatz vom 1. 6. 2006 erhobenes Begehren war daher im Zeitpunkt der Klageausdehnung bereits verjährt.
1.3. Die Zweitklägerin wendet sich gegen eine Anrechnung jener Schmerzen, die sie bei (indizierter) Vornahme eines Kaiserschnitts erlitten hätte („Sowiesoschmerzen"). Ob „ersparte" Schmerzen unter dem Gesichtspunkt eines Vorteilsausgleichs zugunsten des Schädigers berücksichtigt werden können, wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zuletzt offen gelassen (RIS-Justiz RS0031407 [T3]). Eine Anrechnung „ersparter" Schmerzen wurde nur dann in Betracht gezogen, wenn trotz Fehlbehandlung ein vergleichbarer körperlicher Zustand wie ohne Fehlbehandlung erzielt wird (5 Ob 242/03d = ecolex 2004/204). Das Erfordernis eines „vergleichbaren Endzustands" ist teils auf Zustimmung (Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1325 Rz 85), teils auf Ablehnung (Helmich, Glosse zu 5 Ob 242/03d, ecolex 2004/204; Pletzer, Vorteilsausgleich bei Schmerzengeld, JBl 2007, 409) gestoßen.
Die Erwägungen in Literatur und Rechtsprechung zum Ausgleich „ersparter" Schmerzen bei der Zuerkennung von Schmerzengeld bedürfen im vorliegenden Fall keiner Erörterung. Es steht nämlich fest, dass in jedem Fall eine Entbindung stattfinden musste und die Zweitklägerin zufolge Nichtvornahme des indizierten Kaiserschnitts nicht mehr Schmerzen erdulden musste, als sie im Fall einer von Anfang an geplanten Entbindung mittels Kaiserschnitts hätte erleiden müssen. Die Zweitklägerin hätte demnach bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Beklagten die gleichen körperliche Schmerzen wie bei der konkreten Behandlung gelitten. Damit hat der Behandlungsfehler des Beklagten aber nur ein Maß an körperlichen Schmerzen verursacht, das mit dem im Fall sachgerechter Behandlung identisch ist. Bei dieser Sachlage hat der rechtswidrig Handelnde nach herrschender Auffassung für den Schaden nicht einzustehen (Karner in KBB² § 1295 ABGB Rz 14 mwN; Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1301 Rz 51, 54 mwN). Er haftete nur für ein Mehr an Schmerzen Reischauer in Rummel, ABGB² § 1312 Rz 19a).
1.4. Das Berufungsgericht hat einen Verdienstentgang der Zweitklägerin mit der Begründung verneint, es handle sich um einen mittelbaren Schaden, den der Beklagte nicht zu ersetzen habe. Die Zweitklägerin verweist zutreffend auf den Behandlungsvertrag. Als Vertragspartnerin des Arztes sei sie auch in ihren finanziellen Interessen geschützt. Dem ist zuzustimmen.
Von einem mittelbaren Schaden wird dann gesprochen, wenn der Schaden außerhalb des Schutzzwecks der übertretenen Norm (oder des verletzten Vertrags) liegt. Dies wird insbesondere für Reflexschäden vertreten, die - wie etwa in den Stromkabelfällen - als Seitenwirkung bei einem Dritten eintreten (Karner aaO § 1295 Rz 13 mwN). Von diesen Fällen unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt grundlegend. Zweck des Behandlungsvertrags war die fachgerechte Aufklärung, Beratung und Betreuung der Zweitklägerin vor und bei der Geburt, um körperliche Schäden - und daraus allenfalls resultierende Vermögensschäden - von Mutter und Kind zu vermeiden. Dabei wird die Hintanhaltung eines Verdienstentgangs, den die Vertragspartnerin des Arztes deshalb erleidet, weil sie den Wiedereinstieg in ihren Beruf zwecks Pflege des durch einen Behandlungsfehler des Arztes behinderten Kindes verschieben muss, vom Zweck des Behandlungsvertrags gleichfalls erfasst. Der der Zweitklägerin aus der Vertragsverletzung entstandene Nachteil ist somit nach den hier maßgebenden Umständen kein mittelbarer Schaden.
1.5. Dass der Behandlungsfehler des Beklagten geeignet war, einen Verdienstentgang der Mutter adäquat zu verursachen, ist nicht zweifelhaft. Die Zweitklägerin hatte sich angesichts der durch die fehlerhafte Behandlung aufgetretenen Behinderung des Erstklägers entschlossen, den Wiedereinstieg in ihren Beruf zu verschieben, um das Kind zu pflegen und seinen Zustand soweit wie möglich zu verbessern. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnte sie dieses Ziel auch erreichen. Der vergleichsweise gute Zustand des Erstklägers ist vor allem auch auf ihre in den Feststellungen näher geschilderten Pflegeleistungen zurückzuführen. Ohne die täglichen Therapien, zu denen sie den Erstkläger beförderte und die sie auch selbst zu Hause durchführte, wäre die rechte Hand gänzlich funktionslos geblieben.
Die Entscheidung, den Berufseinstieg aufzuschieben, ist grundsätzlich zu billigen, wenn und solange die Förderung des Erstklägers eine begründete Chance auf eine Verbesserung seiner Behinderung bot, keine gleichwertige Alternative zur Verfügung stand und die therapeutische Betreuung im erforderlichen Umfang durch die Zweitklägerin nicht auch neben einer Berufsausübung ohne eine Überbeanspruchung ihrer Kräfte möglich war. Wie lange diese - zunächst wohl erfüllten - Voraussetzungen vorlagen und ob nicht - dem Einwand der Schadenminderungspflicht entsprechend - die Übernahme einer teilweisen Lehrverpflichtung ab Eintritt des Kindes in den Kindergarten möglich gewesen wäre, wurde bisher nicht geprüft. Von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausgehend haben die Vorinstanzen überdies Feststellungen zur Höhe des Verdienstentgangs unterlassen. Auch solche werden im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sein.
1.6. Die Zweitklägerin bezweifelt nicht, dass die dem Erstkläger unter dem Titel Heilungskosten zugesprochenen Pflegekosten, die er an sie weiterzugeben hat, bei Berechnung ihres Verdienstentgangs zu berücksichtigen sind. Sie stellt daher die Anrechnungspflicht an sich nicht in Abrede, bringt jedoch die Pflegekosten nicht zur Gänze, sondern nur mit 50 % vom Verdienstentgang in Abzug. Sie vertritt die Auffassung, ein Abzug von 50 % entspreche dem Entgelt für jene Zeiträume, in denen es zu einer „Überlappung" des Entgelts für Pflegeleistungen und des Verdienstentgangs wegen unterbliebener Berufsausübung gekommen sei. Ihr Abzug im Ausmaß der Hälfte der Pflegekosten beruhe auf der Überlegung, dass der Pflegetag von Kleinkindern nach der Lebenserfahrung zwölf Stunden betrage, und sich der Pflegeaufwand auf den gesamten Tag verteile. Bei voller Lehrverpflichtung hätte sie sechs Stunden pro Tag gearbeitet und die Pflege des Erstklägers, für die sie die Pflegekosten erhalte, in der zweiten Tageshälfte vornehmen können.
Diese Begründung der Zweitklägerin ist nicht nachvollziehbar. Wäre sie ihrem Beruf weiter nachgegangen, so hätte sie die Pflegeleistungen durch Dritte gegen Entgelt erbringen lassen müssen, sie selbst hätte keinen Entgeltanspruch für Pflege gehabt. Die Aufgabe ihrer Berufstätigkeit während der Jahre, in denen sie den Erstkläger pflegte, ermöglichte es ihr, die erforderlichen Pflegeleistungen selbst in vollem Umfang zu erbringen und das Entgelt dafür aus jenem Betrag zu beanspruchen, zu dessen Zahlung der Beklagte im Rahmen der Heilungskosten an den Erstkläger verpflichtet ist. Eine Einschränkung ihrer Pflegetätigkeit auf bestimmte Stunden, in denen ein Doppelbezug mit dem zugleich in Anspruch genommenen Verdienstentgang nicht stattgefunden hätte, ist schon nach dem Charakter von Pflegeleistungen bei Kleinkindern nicht vorstellbar. Die dem Erstkläger zugesprochenen Pflegekosten sind daher vom Verdienstentgangsanspruch der Zweitklägerin zur Gänze in Abzug zu bringen.
2. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht die Höhe des Verdienstentgangs der Zweitklägerin festzustellen haben. Dem Einwand der Schadenminderungspflicht entsprechend wird auch zu berücksichtigen sein, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt es der Zweitklägerin möglich und zumutbar gewesen wäre, neben der erforderlichen therapeutischen Betreuung des Erstklägers eine volle oder teilweise Lehrverpflichtung aufzunehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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