Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Selami I***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 15. Juli 2007 in Wien Sonja G***** durch Versetzen zweier Messerstiche in die linke Brust, wodurch diese eine Stichbeschädigung der sechsten Rippe links, des linken Lungenflügels, des Zwerchfelles, der Milz, des Magens sowie des Herzbeutels und des Herzens im Bereich der Herzspitze mit Eröffnung der linken Herzkammer sowie eine Stichbeschädigung der Zwischenrippenmuskulatur im fünften Zwischenrippenraum unterhalb der Achselhöhle mit Eröffnung der Brusthöhle erlitt, getötet.
Die Geschworenen bejahten stimmeneinheitlich die anklagekonform gestellte Hauptfrage 1./ nach Mord und ließen folgerichtig die in Richtung gefährlicher Drohung (§ 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB) gestellte Eventualfrage 1./ unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Urteil richtets sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 5 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Die Verfahrensrüge (Z 4) behauptet eine Verletzung der Informationspflicht nach § 250 StPO. Aufgrund unzureichender Sprachkenntnisse des in der Hauptverhandlung beigezogenen Dolmetschers sei der Angeklagte nicht in vollem Umfang von den in seiner Abwesenheit gemachten Aussagen in Kenntnis gesetzt worden. Dem zuwider ist der Vorsitzende nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls seiner Informationspflicht betreffend die Aussagen der Zeugen Ismar N***** und Ferhat B***** nachgekommen (S 227/II). Diese Mitteilung durfte sich grundsätzlich auf die wesentlichen Aspekte beschränken, wobei es dem Verteidiger freigestanden wäre, auf eine ihm notwendig erscheinende ergänzende Information des Angeklagten hinzuwirken. Zur Beurkundung der Information im Protokoll genügt ein kurzer Hinweis auf die erfolgte Unterrichtung des Angeklagten (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 9 f).
Weiters macht die Beschwerde sowohl unter Z 4 als auch unter Z 5 geltend, dem Angeklagten seien die Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen - mit Ausnahmen jener der Zeugen Ismar N*****, Ferhat B***** und Michael M***** - nicht übersetzt worden.
§ 250 StPO bedroht nur die Unterlassung der Information des Angeklagten über das während seiner Abwesenheit Geschehene mit Nichtigkeit; mit der Behauptung mangelnder Übersetzung von Zeugenaussagen, die in Anwesenheit des Angeklagten abgelegt wurden, wird hingegen keine der in § 345 Abs 1 Z 4 StPO taxativ (vgl Fabrizy StPO10 § 281 Rz 33) angeführten Vorschriften angesprochen. Die entsprechende Rüge aus Z 5 wiederum scheitert bereits daran, dass der durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte in der Hauptverhandlung keinen auf Abhilfe der - vorgeblich in der unterbliebenen Übersetzung der Zeugenaussagen liegenden - Defizite zielenden Antrag gestellt hat, über welchen der Schwurgerichtshof zu entscheiden gehabt hätte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302).
Soweit der Angeklagte - erstmals im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde - behauptet, dass er „nur der mazedonischen Sprache mächtig", der serbischen Sprache hingegen „nur eingeschränkt mächtig" sei und der vom Gericht in der Hauptverhandlung beigezogene Dolmetscher Mag. D***** nicht fähig gewesen sei, seine „Verantwortung zu dolmetschen" und ihm die Aussage der vernommenen Personen zu übersetzen, wird er darauf verwiesen, dass es auch insoweit ihm und seinem Verteidiger frei gestanden wäre, bei Bestehen erheblicher Einwände gegen die Fähigkeiten des Dolmetschers entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen. Im Übrigen bietet das Hauptverhandlungsprotokoll keinen Anhaltspunkt für Verständigungsschwierigkeiten oder für eine mangelhafte Übersetzungstätigkeit des beigezogenen Dolmetschers. Die Fragenrüge (Z 6) reklamiert das Fehlen von Eventualfragen in Richtung „§ 86 StGB" und § 76 StGB.
Voraussetzung für die Stellung von Eventualfragen an die Geschworenen ist, dass in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger bestraft ist als das in der Anklageschrift angeführte (§ 314 Abs 1 StPO).
Die allgemein gehaltene, nicht substantiierte Behauptung irgendeines aus den Beweisergebnissen abgeleiteten Umstands oder einer denkmöglichen Variante genügt diesem Erfordernis nicht, weil die Fragestellung nicht dazu dient, einen Wahrspruch über Mutmaßungen einzuholen (14 Os 75/07x; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 12). Beruft sich der Nichtigkeitswerber bei der Kritik an der Unterlassung der Aufnahme einer Eventualfrage in den Fragenkatalog auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis - hier konkret auf den Inhalt seiner Verantwortung -, so darf er den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung gerissener Sätze führen (vgl 15 Os 201/98, 11 Os 30/02), sondern hat vielmehr die Verantwortung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Die Fragenrüge vermag mit dem Hinweis auf einzelne Details der Verantwortung des Angeklagten keine in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen aufzuzeigen, die einen bloßen Misshandlungs- oder Verletzungsvorsatz oder gar auf einen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gefassten Tötungsvorsatz indizieren.
Der Beschwerde zuwider lassen weder die gegenüber Sonja G***** getätigten Äußerungen des Angeklagten („Ich steche dich") noch sein Verhalten nach der Tat (Ergreifen der Flucht zu dem Zeitpunkt, als Sonja G***** blutend am Boden lag, ohne „die Tat durch nochmaliges Zustechen sofort" zu vollenden) eine Schlussfolgerung auf die für die begehrte Eventualfrage in Richtung Körperverletzung mit tödlichem Ausgang wesentliche subjektive Tatseite (Verletzungs- oder Misshandlungsvorsatz) zu.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte sowohl im Vorverfahren (s S 151 ff, 169 ff und 199 ff/I sowie insbesondere S 201a/I und 201b/I) als auch in der Hauptverhandlung (s S 183 und 185/II sowie S 187/II) in Abrede gestellt hat, aktiv und somit willensgesteuert auf Sonja G***** eingestochen zu haben. Gegen Ende der Hauptverhandlung räumte er lediglich ein, es sei möglich, dass ihm das Opfer „an das Messer gelaufen sei" (S 269/II).
Bei Beurteilung der Verantwortung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit kann somit von einem in Richtung des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1 oder Abs 2, 86 StGB weisenden Vorbringen keine Rede sein.
Soweit die Fragenrüge (Z 6) das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB kritisiert, stützt sie dies gleichfalls auf einzelne Details aus der Verantwortung des Angeklagten, aus denen sie ableitet, er habe sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tötung der Sonja G***** hinreißen lassen.
Die Beschwerde übergeht in diesem Zusammenhang erneut die Verantwortung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit, in der er - wie eben dargelegt - jede aktive, willensgesteuerte Stichbewegung und auch jeden Tötungsvorsatz in Abrede stellte. Aber auch die vom Nichtigkeitswerber in der Beschwerde hervorgehobenen, auf seiner Verantwortung beruhenden Umstände - ca 20-minütiger Streit mit Sonja G*****; diese schlug auf ihn ein; sie versetzten sich wechselseitig Ohrfeigen; G***** sagte zu ihm, dass sie wieder in einem „Puff" arbeiten möchte, begann zu schreien und lachte ihn aus; er war in die Genannte sehr verliebt; aufgrund ihrer Weigerung mit ihm mitzukommen geriet er „in Rage" - bieten keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung. Eine „allgemeine Begreiflichkeit" der behaupteten heftigen Gemütsbewegung wäre nämlich nur dann gegeben, wenn - unter Zugrundelegung eines indiviualisierenden, objektiv-normativen Maßstabes - der psychische Ausnahmezustand (in seiner tatkausalen Heftigkeit) im Verhältnis zu seinem Anlass auch einem durchschnittlich rechtstreuen Menschen von der geistigen und der körperlichen Beschaffenheit des Angeklagten in der spezifischen Tatsituation derart verständlich wäre, dass er sich vorstellen könnte, unter den gegebenen besonderen Umständen ebenfalls in eine solche Gemütsverfassung zu gelangen (vgl Moos in WK2 § 76 Rz 26 ff). Dies ist bei gegebener Sachlage jedoch nicht der Fall. Danach aber war die begehrte Stellung einer Eventualfrage in Richtung § 76 StGB nicht indiziert.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es „das getrübte Vorleben" als erschwerend, als mildernd hingegen keinen Umstand.
Dagegen richtet sich die eine Herabsetzung der Strafe anstrebende Berufung des Angeklagten.
Die Strafzumessungsgründe bedürfen insoweit einer Korrektur, als nur auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen als erschwerend zu werten sind (Ebner in WK2 § 33 Rz 13). Der Berufung zuwider liegt der Erschwerungsgrund des § 33 Z 2 StGB jedoch tatsächlich vor, weil der Angeklagte nach der nunmehr vorliegenden Strafregisterauskunft der Republik Mazedonien (ON 80) - auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens beim Gerichtstag - unter anderem zumindest eine Verurteilung durch das Grundgericht in Skopje aus 2006 wegen schwerer Körperverletzung aufweist. Von der Annahme eines ordentlichen Lebenswandels kann daher nicht die Rede sein. Für die als mildernd reklamierten Umstände, dass der Angeklagte schwach an Verstand sei und die Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung begangen habe, bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte. Schließlich stellte die Verantwortung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit auch keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung iSd § 34 Abs 1 Z 17 StGB dar.
Berücksichtigt man das hohe Tatunrecht und die als gravierend anzusehende Täterschuld des wiederholt einschlägig vorbestraften Angeklagten, so ist die gesetzliche Höchststrafe sachgerecht und einer Reduktion nicht zugänglich.
Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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