OGH 11Os30/02

OGH11Os30/0228.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Miroslav A***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Krems vom 28. November 2001, GZ 24 Hv 1014/01g-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Schroll, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Cudlin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Miroslav A***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 26. Februar 2001 in Stein versuchte, Zoran J***** mit einem Falzmesser durch Stiche in den Bauch, die Brust und in die Wange sowie Schnitte am Hals vorsätzlich zu töten.

Die Geschworenen bejahten die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes, verneinten jedoch die Zusatzfrage nach dem Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr und jene nach Notwehrüberschreitung. Die Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung sowie nach den Vergehen der schweren Körperverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung blieben instruktionsgemäß unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 5, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt:

In der Verfahrensrüge (Z 5) bekämpft der Beschwerdeführer die Abweisung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen Jakob J*****, Burhan K***** und Alexander G*****, welche zum Beweis dafür geführt wurden, dass Zoran J***** auch die Zeugen J*****, K***** und G***** gefährlich bedroht und sich gegenüber dem Zeugen J***** aggressiv verhalten habe.

Abgesehen davon, dass der Zeuge Zoran J***** - wenn auch in verharmlosender Darstellung - Meinungsverschiedenheiten und Streit mit Mitgefangenen sowie eine Rauferei in der Strafhaft zugab (S 299 bis 301), aber auch eine der inkriminierten Tat vorangehende Auseinandersetzung mit dem Angeklagten einräumte (S 297), kann selbst aus der Tatsache, dass das Tatopfer generell ein aggressiver Mensch ist, kein Rückschluss auf das fallbezogen in Frage stehende Vorliegen der subjektiven Tatseite oder einer Notwehrsituation gezogen werden. Nachdem das der bekämpften Zwischenentscheidung zugrunde liegende Beweisthema nicht einmal ansatzweise eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zoran J***** in Bezug auf den verfahrensgegenständlichen Vorfall vom 26. Februar 2001 bezweckte, insbesondere nicht auf die nach der Zeugenaussage in der Hauptverhandlung vom 28. November 2001 auftretende Divergenz zwischen den Angaben des Zoran J*****, der Angeklagte habe ihn während der inkriminierten Auseinandersetzung mit dem Umbringen bedroht, und der dies leugnenden Verantwortung des Angeklagten, abstellte, bestand mangels sonstiger Schuldrelevanz eines grundsätzlich aggressiven Verhaltens bei einem Tatopfer für den Schwurgerichtshof keine Veranlassung, den Beweisanträgen Folge zu geben. Auf das nunmehr in der Beschwerde zumindest inhaltlich angedeutete Argument, die beantragten Zeugen wären auch zum Nachweis der Richtigkeit der eigenen Einlassung von Bedeutung gewesen, kann nicht weiter eingegangen werden, ist doch bei der Verfahrensrüge stets nur auf die Begründung des in der Zwischenentscheidung abgewiesenen Antrags abzustellen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41).

Sein Vorbringen zur Fragenrüge (Z 6), womit das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des versuchten Totschlages nach §§ 15, 76 StGB moniert wird, stützt der Beschwerdeführer auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er in einem Zustand gehandelt habe, der einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung entsprochen habe. Er übergeht aber in diesem Zusammenhang den vollen Umfang seiner Einlassung, zumal er stets und konsequent jeglichen Tötungsvorsatz in Abrede stellte, lediglich eine Gewaltanwendung im Sinne von körperlichen Attacken einräumte und im Übrigen eine fehlende Erinnerung an das konkrete Tatgeschehen behauptete (S 271, 275, 277, 287, 289 und 291; vgl auch S 89 und ON 11). Beruft sich der Beschwerdeführer aber beim Vorwurf einer unterlassenen Aufnahme einer Eventualfrage in den Fragenkatalog auf ein in der Hauptverhandlung hervorgekommenes Beweisergebnis (Tatsachenvorbringen im Sinne des § 314 Abs 1 StPO) - hier konkret auf den Inhalt seiner Verantwortung - so darf er den Nachweis der geltend gemachten Nichtigkeit nicht bloß auf der Grundlage einzelner, isoliert aus dem Kontext der Gesamtverantwortung gerissener Sätze führen (15 Os 201/98), sondern hat vielmehr die Verantwortung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen. Darnach aber war die begehrte Fragestellung nicht indiziert.

In der Tatsachenrüge (Z 10a) erblickt der Beschwerdeführer im Inhalt des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. R***** einen Ansatzpunkt dafür, dass der von den Geschworenen angenommene Tötungsvorsatz nicht vorgelegen sein konnte. Auch in diesem Punkt werden lediglich einzelne Sätze des Gutachtens aus dem Kontext gelöst; insbesondere wird übersehen, dass es nach dem Inhalt des Gutachtens tatsächlich zu einer Durchstechung der Bauchhaut und einer Muskelscheide der Bauchmuskulatur des Opfers bzw zum Durchstechen der Gesichtshaut und zum Vordringen in die Gesichtsweichteile gekommen war, wobei bei einem kräftigen und gezielten Einstechen gegen Hals, Brustkorb und Bauch im Einzelfall auch mit der Entstehung von lebensgefährlichen Verletzungen zu rechnen ist, wenngleich auch das Auftreten von in der Regel entstehenden lebensgefährlichen Verletzungen bei derartigen Angriffen zu verneinen ist (S 153 iVm AS 319). Im Hinblick darauf vermag der Beschwerdeführer aber keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aber auch die Berufung ist unbegründet.

Das Geschworenengericht, welches über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verhängte und dabei vier einschlägige Vorstrafen, darunter eine wegen versuchten Totschlages, sowie die schwere Verletzung des Tatopfers als erschwerend und den Umstand, dass die Tat nur versucht wurde, als mildernd wertete, hat die in Betracht kommenden Strafbemessungsgründe im Wesentlichen vollständig erfasst. Zutreffend wurde auch generalpräventiven Erwägungen - in Ansehung des erreichbaren Adressatenkreises, nämlich den Insassen von Haftanstalten vornehmlich unter dem Aspekt abschreckender Wirkung - Rechnung getragen. Dass das besondere Milieu einer Strafvollzugsanstalt gar mildernd zu berücksichtigen gewesen wäre wurde weder begründet noch ist diese These einsichtig. Zu einer Reduzierung des Strafmaßes besteht daher angesichts der Strafdrohung des § 75 StGB, welche eine lebenslange oder bis zu zwanzig Jahren reichende Freiheitsstrafe vorsieht, keine Veranlassung. Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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