OGH 14Os62/08m

OGH14Os62/08m27.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Nowak als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian H***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 131 StGB, AZ 123 Hv 162/07f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Christian H***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Februar 2008, AZ 20 Bs 43/08g, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In dem beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu AZ 123 Hv 162/07f gegen Christian H***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, 131 StGB geführten Strafverfahren wurde mit Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 1. Februar 2008 die über den Angeklagten am 19. November 2007 verhängte Untersuchungshaft (ON 42) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fortgesetzt (ON 72).

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Wien (bei dem das Rechtsmittel am 11. Februar 2008 eingelangte; ON 76) mit Beschluss vom 18. Februar 2008 nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem schon vom Vorsitzenden des Schöffensenats angenommenen Haftgrund an. Eine Ausfertigung dieser Entscheidung langte beim Erstgericht am 19. Februar 2008 ein (ON 77).

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Februar 2008 (ON 81), das auch einen Teilfreispruch des Christian H***** enthält, wurde dieser des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 StGB schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde eine gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des erwähnten Beschlusses des Oberlandesgerichts wurde vom Vorsitzenden des Schöffensenats erst zufolge darauf gerichtetem - am 7. April 2008 beim Landesgericht eingebrachtem - Ersuchen des Verteidigers vom 2. April 2008 am 8. April 2008 verfügt (ON 85). Dem Verteidiger ist die Beschlussfertigung am 10. April 2008 zugekommen.

In der gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhobenen Grundrechtsbeschwerde wird - unter Verweis auf 14 (offenkundig: 15) Os 82/93 - ausschließlich deshalb ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 StPO) moniert, weil „dem Beschuldigten die gegenständliche Entscheidung mit einer Verspätung von nahezu zwei Monaten übermittelt" worden sei. Da die Frist zur Erhebung einer Grundrechtsbeschwerde mit Kenntnis des Betroffenen von der bekämpften Entscheidung zu laufen beginne, hätten die Gerichte „somit nicht alles ihnen Mögliche getan, um auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken".

Die Grundrechtsbeschwerde ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Voraussetzung zulässiger Anfechtung eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen durch ein Landesgericht in erster Instanz mit Grundrechtsbeschwerde ist die Ausschöpfung des Instanzenzugs (§ 1 Abs 1 GRBG), mithin die Erfolglosigkeit einer diesen Verstoß relevierenden Beschwerde an das Oberlandesgericht im Haftprüfungsverfahren (RIS-Justiz RS0061119; anders der Fall, wenn - wie in 15 Os 82/93 [EvBl 1993/141, 559] - einem Oberlandesgericht die zögerliche Bearbeitung einer Haftbeschwerde vorgeworfen wird).

2. Eine Beschwerde gegen das Unterbleiben einer auf Zustellung der im Haftprüfungsverfahren ergangenen Entscheidung eines Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht durch ein Erstgericht sieht die Strafprozessordnung nicht vor. Eine Prüfung, ob der Beschwerdeführer durch verspätete Übermittlung der hier in Rede stehenden Entscheidung des Oberlandesgerichts im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt wurde, kommt demnach mangels Erschöpfung des Instanzenzuges im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht.

3. Effektiven Rechtsschutz gegen das vorübergehende Unterbleiben der fallaktuell gebotenen gerichtlichen Verfügung bot der Fristsetzungsantrag nach § 91 Abs 1 GOG. Als solcher konnte das Ersuchen des Verteidigers auf Zustellung der Beschwerdeentscheidung (auf das der Vorsitzende des Schöffensenats unverzüglich reagierte, indem er die darauf gerichtete Verfügung traf; § 91 Abs 2 GOG) durchaus aufgefasst werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte