OGH 15Os60/08z

OGH15Os60/08z8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter K***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB, AZ 20 Hv 104/07g des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Günter K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 21. März 2008, AZ 10 Bs 110/08i (ON 115 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Günter K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz wirft Günter K***** mit Anklageschrift vom 6. Juli 2007 (ON 61) das (richtig: die) Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB vor, weil er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Robert W***** zu einem unbekannten Zeitpunkt Mitte bis Ende März 2007 in Graz und Sulmeck/Greith in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die rumänischen Staatsangehörigen Lacrimioara V*****, Alina S*****, Mariana C*****, Corina T***** und Erzsebt C*****, mögen sie auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, der Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt oder sie hiefür angeworben haben soll, indem er sie zur Prostitutionsausübung in Österreich überredete, sie von Rumänien nach Österreich verbrachte und für ihre Eingliederung in das Bordell „Club d´Amour", für die Erlangung des Gesundheitsausweises für ihre Tätigkeit als Prostituierte, für ihre Unterkunft in Österreich und für die anschließende Zahlung an sie sorgte.

Mit Beschluss vom 14. März 2008 (ON 110) setzte der Vorsitzende des Schöffengerichts die über Günter K***** am 26. April 2007 (ON 31) verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO fort. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 21. März 2008 nicht Folge und prolongierte die Untersuchungshaft aus demselben Haftgrund (ON 115). Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 27. März 2008 wurde Günter K***** mittlerweile - anklagekonform - wegen Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner Grundrechtsbeschwerde (ON 122) bekämpft der Angeklagte die Annahme eines dringenden Tatverdachts sowie des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr und kritisiert die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft als unverhältnismäßig.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens nicht dazu aufgerufen ist, als weitere Haftbeschwerdeinstanz eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der angefochtenen Entscheidung zu setzen, sondern vielmehr Rechtsfehler wahrzunehmen.

Da zudem - anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht - nicht die Haft, sondern die Entscheidung über die Haft den Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde bildet, ist in diesem Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nach Maßgabe der Mängel- und Tatsachenrüge der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO in Frage zu stellen (vgl RIS-Justiz RS0114488, RS0112012, RS0110146).

Indem die Grundrechtsbeschwerde aber den Erwägungen des Oberlandesgerichts zum Tatverdacht bloß die in der Haftbeschwerde bereits dargelegte Bewertung des in Rede stehenden Sachverhalts durch den Angeklagten gegenüberstellt, zeigt sie weder einen Begründungsmangel auf noch vermag sie auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts zu erwecken.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich") angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Eine Willkür bei Annahme der Tatbegehungsgefahr vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, hat das Oberlandesgericht doch seine Prognose, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen oder eine solche mit einer Strafdrohung von mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe begehen, die wie die ihm angelastete gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, aus den einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, seinen erheblichen Schulden und der daraus resultierenden Notwendigkeit, den nach wie vor existenten Bordellbetrieb weiterzuführen, geschlossen. Damit wurden zur Prognosebegründung bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Befürchtung zu tragen.

Der Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass gelindere Mitteln im gegebenen Fall zur Erreichung der Haftzwecke nicht ausreichen, vermag der Angeklagte mit der Behauptung, dies sei „gänzlich unerklärlich", nichts substantiell zu entgegnen. Die Möglichkeit, bei seiner Lebensgefährtin zu wohnen, ist mit Blick auf den angenommen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr kein geeignetes Mittel zur Substituierung der Zwangsmaßnahme.

Das gegen die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft gerichtete Vorbringen scheitert schon an der mangelnden Erschöpfung des Instanzenzugs, wurde ein solches Vorbringen doch in der Haftbeschwerde nicht erstattet (RIS-Justiz RS0114487). Unverhältnismäßigkeit ist im Hinblick auf die in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten im Übrigen auch nicht gegeben, die Möglichkeit einer bedingten Entlassung hat bei Prüfung der Verhältnismäßigkeit außer Betracht zu bleiben (RIS-Justiz RS0118876).

Somit wurde der Angeklagte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung (§ 24 StPO) - ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Anzumerken bleibt, dass entgegen der in der Grundrechtsbeschwerde vertretenen Auffassung eine Entscheidung nach § 265 StPO auch vor Rechtskraft des Urteils ergehen kann.

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