Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Alois S***** ist Eigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Gebäude steht, das er der beklagten Partei (einem österreichischen Sozialversicherungsträger) vermietete. Aufgrund eines absehbaren Mehrbedarfs an Büroflächen für ihre Landesstelle trat die beklagte Partei durch ihren damaligen Leiter der Gruppe Wirtschafts‑ und Finanzwesen im Jahr 2001 an Alois S***** mit dem Ansinnen heran, die Liegenschaft zu kaufen. Da man sich über den Kaufpreis nicht einigen konnte, kam ein Rechtsgeschäft nicht zustande. Außerdem änderten sich für die beklagte Partei die Vorgaben dahin, dass neue Büroflächen künftig nicht mehr selbst zu errichten, sondern nur noch zu mieten waren.
Im Zuge von Gesprächen erfuhr Alois S*****, dass auch andere öffentlich‑rechtliche Körperschaften ein Interesse daran hatten, gemeinsam mit der beklagten Partei einen neuen Standort, in dem auch die Landesstelle untergebracht werden sollte, zu errichten.
Alois S***** wandte sich an die klagende Partei, deren Geschäftsführer er seit Jahren kannte und von der ihm bekannt war, dass sie im Bereich der Liegenschaftsentwicklung und -finanzierung tätig war und bereits ein anderes medizinisches Zentrum entwickelt hatte. Alois S***** schlug vor, auf seiner Liegenschaft ein medizinisches Zentrum zu errichten. Rund ein Drittel der Gesamtfläche sollte an die beklagte Partei, die restlichen Flächen an Ärzte und medizinische Unternehmen vermietet werden. Alois S***** vereinbarte mit der klagenden Partei, dass sie zunächst auf eigenes Risiko und eigene Kosten eine Projektmappe mit einem Vorentwurf und einer Baukörperstudie erstellen sollte, um dieses Projekt der beklagten Partei zu präsentieren. Für den Fall, dass dieses Projekt bei der beklagten Partei Zustimmung finden sollte, wurde vereinbart, dass Alois S***** die klagende Partei mit der umfassenden Projektentwicklung beauftragt. Die Kosten der Projektentwicklung sollten in weiterer Folge von der zu errichtenden und das medizinische Zentrum betreibenden Gesellschaft an die klagende Partei im Rahmen des zu erstellenden Finanzierungskonzepts bezahlt und über die entsprechend zu kalkulierenden Mieteinnahmen refinanziert werden.
Nach der Präsentation des Projekts übermittelte die beklagte Partei ein E‑Mail an Alois S*****, wonach der Überleitungsausschuss „grundsätzlich beschlossen" habe, das Angebot für die Unterbringung einer künftigen Landesstelle anzunehmen. Bezüglich der Vertragsgestaltung werde er noch kontaktiert.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die mit der Projektentwicklung verbundenen Aufwendungen ersuchten Alois S***** und der Geschäftsführer der klagenden Partei die beklagte Partei um eine offizielle Bestätigung der Beschlussfassung des Überleitungsausschusses.
Daraufhin richtete die beklagte Partei ein von ihrem Obmann und Generaldirektor unterzeichnetes Schreiben an die klagende Partei. Darin teilte sie mit, dass der Überleitungsausschuss einen für das Projekt notwendigen Gremialbeschluss gefasst habe und die beklagte Partei ermächtigt habe, die weiteren Entwicklungsschritte einzuleiten. Im Folgenden wurden nähere Angaben über die benötigten Flächen, den eigenen Mietbedarf und den Zeitplan gemacht.
Vom Direktor der beklagten Partei erfuhren die klagende Partei und Alois S***** im Sommer 2002 von einem Revisionsbericht des Sozialministeriums, wonach ihr Konzept gegenüber zwei weiteren für die künftige Landesstelle am besten bewertet worden war.
Der von der klagenden Partei ausgearbeitete Mietvertrag orientiert sich weitestgehend an der von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Vorlage für eine andere Landesstelle. Ausgehend von der durchgeführten Kalkulation wurde ein Mietzins von 9,95 EUR/m2 ermittelt, was um 75 Cent/m2 über dem im Schreiben der beklagten Partei genannten Betrag lag.
In der Folge wurde eine R***** Projekt Entwicklungs GmbH gegründet. Auf die Übersendung des Mietvertrags reagierte die beklagte Partei zunächst nicht.
Im April 2003 erlangte die klagende Partei erstmals von dritter Seite Informationen darüber, dass sich auch die U***** Versicherung um die Errichtung einer Landesgeschäftsstelle der beklagten Partei bemühe. Die klagende Partei trat daraufhin mit Schreiben vom 14. 4. 2003 neuerlich an die beklagte Partei mit dem Ansinnen heran, das Projekt weiter voranzutreiben. Da seitens der beklagten Partei keinerlei Reaktion erfolgte, urgierte die klagende Partei mit Schreiben vom 1. 6. 2003 neuerlich die zur Umsetzung ihres Projekts erforderlichen Schritte.
Bereits im April 2003 hatte der Vorstand der beklagten Partei seine zuständige Abteilung mit konkreten Verhandlungen mit der U***** Versicherung über die Errichtung dieser Landesstelle beauftragt. Die beklagte Partei informierte die klagende Partei von diesem Umstand erst im Oktober 2003.
Die klagende Partei begehrt 444.000 EUR sA und bringt dazu im Wesentlichen vor, für Alois S***** und die klagende Partei habe kein Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung der beklagten Partei bestanden, die alle für einen Mietvertrag erforderlichen Elemente enthalte und die Annahme des von Alois S***** gemachten Anbots darstelle. Mit diesem Schreiben sei ein Bestandvertrag zwischen Alois S***** und der beklagten Partei zustandegekommen. Dieses Schreiben stelle eine verbindliche Zusage zur gemeinsamen Projektumsetzung dar.
Aufgrund dieses Schreibens habe die klagende Partei umfassende Leistungen im Bereich der Entwurfsplanung, Einreichplanung, Bau- und Ausstattungsbeschreibung, Prozessanalyse, Raumplanung sowie Erarbeitung und Festlegung der gemeinsamen Befundungslogistik mit dem IT Partner Siemens erbracht. Der Anspruch sei an die klagende Partei abgetreten worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Schreiben vom 19. 6. 2002 stelle noch keinen Mietvertrag dar. Allerdings habe die beklagte Partei vorvertragliche Warnpflichten (culpa in contrahendo) verletzt. Zwar sei jeder Vertragsverhandler berechtigt, Vertragsverhandlungen abzubrechen; es bestünden jedoch Schutz‑ oder Sorgfaltspflichten gegenüber dem Verhandlungspartner, wenn erkennbar sei, dass sich dieser im Vertrauen auf eine abgegebene Erklärung anschicke, selbst Verbindlichkeiten einzugehen. Die so geforderte Rücksichtnahme auf den Partner dürfe nicht zu einer vorzeitigen Bindung des Schutzpflichtigen an die Verhandlungen führen, der Partner müsse aber unter Umständen darauf hingewiesen werden, dass man auch keine Bindung entstehen lassen wolle.
Im vorliegenden Fall habe die beklagte Partei dadurch, dass sie auf eine rasche Umsetzung des ihr von Alois S***** präsentierten Projekts zur Unterbringung ihrer künftigen Landesstelle im geplanten medizinischen Zentrum gedrängt und sich dabei selbst als künftigen Großmieter bezeichnet habe, das Setzen wirtschaftlicher Dispositionen veranlasst. Bestärkt sei das Vertrauen auf einen Vertragsabschluss in weiterer Folge noch dadurch worden, dass man eine intensive Zusammenarbeit gepflegt habe und auch die erforderlichen Unterlagen zur Entwicklung des künftigen Bestandobjekts nach den Bedürfnissen der beklagten Partei zur Verfügung gestellt habe.
Aufgrund des erkennbaren Umfangs der Entwicklungsarbeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung des ihren spezifischen Bedürfnissen Rechnung tragenden Bestandobjekts hätte die beklagte Partei eindeutig als Warnung erklären müssen, dass von ihrer Seite ein Abschlusswille noch nicht bestehe.
Selbst nach Vorliegen der ausgearbeiteten Projektunterlagen und des künftigen Bestandvertrags sei von Seiten der beklagten Partei keinerlei Hinweis erfolgt, dass sie einen Bestandvertrag nicht oder nicht zu den Vertragsbedingungen des übermittelten Entwurfs schließen wolle, zumal der vorgelegte Mietvertrag in praktisch allen Punkten mit dem der klagenden Partei von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Mustervertrag übereinstimmte. Die beklagte Partei habe keinerlei Bemühungen gezeigt, dem Vertragsabschluss entgegenstehende Hindernisse zu beseitigen, sondern habe die klagende Partei bzw Alois S***** weiterhin monatelang im Unklaren gelassen. Der letztlich erst im Oktober 2003 erfolgte Vertragsabbruch seitens der beklagten Partei sei demnach treuwidrig gewesen; dieses Verhalten mache die beklagte Partei schadenersatzpflichtig.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aufklärungs‑, Schutz‑ und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Vertragspartner bestünden dann, wenn erkennbar sei, dass dieser beispielsweise im Vertrauen auf eine abgegebene Erklärung sich anschicke, selbst Verbindlichkeiten einzugehen. Angesichts der grundsätzlichen Handlungsfreiheit im Verhandlungsstadium müssten an einen Vertrauenstatbestand, der zu einer Haftung nach dem Rechtstitel der culpa in contrahendo führen könne, aber besondere Anforderungen gestellt werden, etwa, weil sich der Schutzpflichtige selbst schon so verhalte, als ob der Vertrag bereits abgeschlossen worden wäre, oder den Vertragspartner auffordere, mit dem Erbringen der im künftigen Vertrag vorgesehenen Leistungen zu beginnen, oder vom Verhandlungspartner ein Verhalten fordere, das nach den Begleitumständen nur im Hinblick auf einen Vertragsabschluss sinnvoll und gerechtfertigt sei, oder den getätigten Dispositionen des Verhandlungspartners zustimme. Die Rechtsprechung habe diese Tatbestände mehrmals im Begriff des „In‑Sicherheit‑Wiegens" zusammengefasst. Werde weit über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus Vertrauen des Verhandlungspartners zur eigenen Interessensverfolgung in Anspruch genommen, resultierten daraus Schutz‑ und Sorgfaltspflichten gegenüber dem erkennbar vertrauenden Partner, und zwar auch dann, wenn noch keine Einigung auf den wesentlichen Inhalt des abzuschließenden Vertrags vorhanden sei, aber ein intensiver Vertrauenstatbestand vorhanden sei (10 Ob 10/05a).
In der Entscheidung 10 Ob 10/05a habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass die beklagte Partei dadurch, dass sie über die von ihr engagierten Berater die Adaptierung des in Aussicht genommenen Bestandobjekts nach ihren Vorstellungen betrieben habe, bei der Klägerin das Setzen wirtschaftlicher Dispositionen veranlasst habe. Zwar sei durchaus möglich, dass sich eine potentielle Bestandnehmerin nur dann zum Abschluss eines Bestandvertrags bereit erkläre, wenn das Bestandobjekt genau nach ihren Vorgaben adaptiert werde. In einem derartigen Fall müsse aber dem Bestandgeber, der die Änderungen auf sich nehme und dafür Aufwendungen tätige, der Vorbehalt, dass dennoch kein Abschlusswille bestehe, eindeutig als Warnung erklärt werden. Das Bestehen entsprechender Warnpflichten unter den genannten Voraussetzungen entspreche der ständigen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0014680).
Durch die beiden Schreiben habe die beklagte Partei Alois S***** im Sinne der zitierten Rechtsprechung in Sicherheit gewogen, ohne ihn darauf hinzuweisen, selbst noch keinen Abschlusswillen zu haben. Damit habe das Erstgericht zutreffend die grundsätzliche Haftung der beklagten Partei aus culpa in contrahendo bejaht. Es gehe nicht um ein Scheitern eines Vertragsabschlusses wegen einer nach § 31 Abs 7 Z 1 ASVG notwendigen Genehmigung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, die nicht erteilt worden wäre, sondern um die noch nicht erfolgte Warnung im Verhandlungsstadium, dass noch kein Abschlusswille bestehe.
Nach ständiger Rechtsprechung könne auch öffentlich‑rechtliche Körperschaften eine Haftung für durch ihre Organe begangene Verletzungen vorvertraglicher Pflichten treffen, selbst wenn die Organe keine Abschlussvollmacht besaßen (RIS‑Justiz RS0009178; 1 Ob 3/83 mwN).
Im Übrigen seien öffentlich‑rechtliche Körperschaften verpflichtet, den Partner durch ihre Verhandlungsführer als Erfüllungsgehilfen über die Gültigkeitsvoraussetzungen des beabsichtigten Geschäfts aufzuklären, sofern diese ihrem Organ bekannt oder ihm leichter erkennbar sind als dem Partner. Werde der Partner im guten Glauben gelassen, es bestehe keine Genehmigungsbedürftigkeit, hafte die öffentlich‑rechtliche Körperschaft auf das Vertrauensinteresse, wenn die Genehmigung in der Folge nicht erteilt werde (Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 278 f; allgemein Rummel in Rummel, ABGB3 § 867 Rz 9a).
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht von der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht zutreffend angeführten Grund nicht zulässig:
Dass auch öffentlich‑rechtliche Körperschaften vorvertragliche Pflichten treffen, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0009178). Wenngleich die Vertragspartner im Verhandlungsstadium grundsätzlich frei sind, auch ohne Grund vom Abschluss des Vertrags Abstand zu nehmen, ist unter Umständen auf einen fehlenden Bindungswillen hinzuweisen (RIS‑Justiz RS0014680). Dies gilt insbesondere dann, wenn der eine Teil im Vertrauen auf den Vertragsabschluss erkennbar Aufwendungen tätigt (RIS‑Justiz RS0013975, RS0119785).
Ob der Vertrauende im Hinblick auf das Gewicht der von ihm getätigten Aufwendungen einen Hinweis auf das Fehlen des Bindungswillens erwarten durfte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und betrifft daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0014680 [T13]). In der Auffassung der Vorinstanzen, Art und Ausmaß der von der klagenden Partei zu tätigenden Aufwendungen erfordere einen Hinweis seitens der beklagten Partei, dass auf ihrer Seite noch kein endgültiger Bindungswille vorliege, ist eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Die Frage, ob die Handlung eines Gründers einer Gesellschaft diesem oder der Gesellschaft zuzurechnen ist, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Liegenschaftseigentümer im eigenen Namen als natürliche Person gehandelt und seine Ansprüche der klagenden Partei abgetreten.
Zusammenfassend bringt die beklagte Partei sohin keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
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