OGH 15Os158/07k

OGH15Os158/07k8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Mai 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann H***** wegen des Finanzvergehens des Schmuggels als Beteiligter nach §§ 11 dritter Fall, 35 Abs 1 lit a und 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 6. März 2007, GZ 603 Hv 2/06v-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann H***** (richtig:) der Finanzvergehen des Schmuggels als Beteiligter nach §§ 11 (dritter Fall), 35 Abs 1 lit a und 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt. Danach hat er in der Zeit vom 26. Oktober 2001 bis zum 13. Februar 2002 in Köln und Duisburg vorsätzlich in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, dazu beigetragen, dass eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich Zigaretten der Marke Benson & Hedges, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht wurden, und zwar:

1./ am 26. Oktober 2001 4,580.000 Stück (22.900 Stangen) als 863 Kartons Radiokassettenrecorder deklarierte Zigaretten, 2./ am 12. November 2001 4,580.000 Stück (22.900 Stangen) als 863 Kartons Radiorecorder deklarierte Zigaretten,

3./ am 13. Februar 2002 4,580.000 Stück (22.900 Stangen) als 798 Kartons Radiorecorder deklarierte Zigaretten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist durch die im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgte Formulierung der Tatrichter, sie seien - aufgrund im Urteil detailliert angeführter Verfahrensergebnisse (US 14 ff) - „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" von der Täterschaft des Angeklagten auch zu 1./ und 3./ ausgegangen, keine offenbar unzureichende Begründung der entsprechenden Feststellungen gegeben; vielmehr stellt das dargelegte Quantum der Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten ein allgemein als ausreichend anerkanntes objektives Mindestmaß dar (vgl Lendl, WK-StPO § 258 Rz 30; Fabrizy, StPO9 § 258 Rz 8; RIS-Justiz RS0098480). Die Konstatierungen zu den Mengen der Zigaretten zu 1./ und 3./ blieben nicht unbegründet, sondern wurden ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen auf die sichergestellten Mengen zu 2./ und den nahezu identen Geschehensablauf gestützt (US 15, 18 f).

Mit der - die ausführlichen beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts (US 14 ff) ignorierenden - Behauptung, es gebe zu 3./ „keinen Anlasspunkt, dass sich in dem Container 22.900 Stangen Zigaretten befunden haben", wird kein Begründungsmangel dargetan. Soweit die Beschwerde zu 2./ aus den sichergestellten Zigarettenmengen andere Schlüsse auf die dem Angeklagten zuzurechnende Menge gezogen haben will, bekämpft sie in unzulässiger Form die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die vom Angeklagten zu verantwortende Menge an Zigaretten wurde - der insoweit ein Fehlen von Feststellungen behauptenden Beschwerde zuwider - ordnungsgemäß festgestellt (US 8). Die im Rahmen der Beweiswürdigung dazu gewählte Formulierung, dass - aufgrund zuvor detailliert beschriebener Verfahrensergebnisse - „davon auszugehen" ist, dass sich im vom Angeklagten beförderten Container eine Menge von 22.900 Stangen Zigaretten „befunden haben muss" (US 15), stellt eine zulässige Schlussfolgerung dar.

Zu 2./ bedurfte die Zahl der beim Angeklagten und bei Michael E***** erst zu 3./ sichergestellten leeren blauen Plastikkisten keiner gesonderten Erörterung im Urteil, zumal der Schmuggel von Zigaretten auch ohne die nachfolgende Aufbewahrung einer dafür verwendeten Verpackung erfolgt sein kann.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt. Zum einen bestreitet sie - mit der Behauptung des Vorliegens von in China hergestellten Plagiaten - die Urteilsfeststellung, wonach es sich bei den geschmuggelten Zigaretten um solche „der Marke Benson & Hedges" gehandelt hat.

Zum anderen legt sie nicht dar, warum gefälschte Zigaretten - mag ihre Verbreitung auch markenschutz- und wettbewerbsrechtliche Bestimmungen verletzen - nicht abgabenpflichtig sein sollten. Im Übrigen fallen unter den Ausnahmetatbestand des Art 212 zweiter Satz der Verordnung Nr. 2913/92 (EWG) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) lediglich Falschgeld, (illegale) Suchtstoffe (vgl Leitner/Toifl/Brandl, Finanzstrafrecht³ Rz 1146) oder psychotrope Stoffe, die vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wurden (eingehend Witte, Zollkodex4 Art 212 Rz 4 ff und [betreffend den - vergleichbaren - Schmuggel von Ethylalkohol] Rz 24). Ebenso wenig aus dem Gesetz abgeleitet wird der Beschwerdestandpunkt, § 5 FinStrG stehe „§ 65 StGB nicht entgegen", weshalb - unter Beachtung einschlägiger Bestimmungen der deutschen Abgabenordnung - auch das Einziehungserkenntnis rechtlich verfehlt sei. Dazu ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der territoriale Anwendungsbereich des österreichischen materiellen Finanzstrafrechts in § 5 FinStrG abschließend geregelt ist, sodass eine (auch bloß analoge) Anwendung des § 65 StGB im Finanzstrafverfahren von vornherein nicht in Betracht kommt. Im Anlassfall ergibt sich die inländische Gerichtsbarkeit aus § 5 Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall FinStrG, der die (unwiderlegbare) gesetzliche Fiktion aufstellt, dass ein von einem österreichischen Staatsangehörigen im Ausland, aber noch im Zollgebiet der Europäischen Union begangenes Finanzvergehen als im Inland begangen gilt, womit jeglicher auf das Erfordernis einer „identen Norm" iSd § 65 StGB abzielenden Argumentation der Boden entzogen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Das Oberlandesgericht Wien wird im Rahmen der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten - in der auch die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrags (vgl US 22) thematisiert wird (ohne allerdings Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall [iVm Z 5] oder aus der Z 3 wegen der Unterlassung der Anführung im Urteilstenor [vgl RIS-Justiz RS0098414, insbes 11 Os 99/97; Ratz WK-StPO § 281 Rz 285, 298] geltend zu machen) - zu beachten haben, dass die hier zur Anwendung gelangende zweite Alternative des § 5 Abs 2 zweiter Satz FinStrG auf Grund der Abgabendefinition des § 2 Abs 1 leg cit nur solche Finanzvergehen umfasst, die österreichische oder durch unmittelbar wirksame Rechtsvorschriften der Europäischen Union geregelte Abgaben betreffen (RV 1471 BlgNR 20. GP 30; Reger/Hacker/Kneidiger, Komm zum FinStrG § 5 Rz 7 und 17; Fellner, Komm zum FinStrG § 5 Rz 7a). Während die nach dem Zollkodex (Art 202 ff ZK) entstandene Zollschuld von der Abgabendefinition des § 2 Abs 1 lit a FinStrG erfasst ist, käme eine Haftung für die nach der Aktenlage (S 79/II) bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrags mitberücksichtigte Einfuhrumsatzsteuer - mangels gemeinschaftsrechtlicher Kodifikation - nur auf Basis einer Abgabenpflicht nach dem nationalen UStG 1994 in Betracht. Gemäß § 1 Abs 1 Z 3 UStG 1994 ist Einfuhrumsatzsteuer aber nur dann zu entrichten, wenn ein Gegenstand aus einem Drittlandsgebiet in das Inland (das Bundesgebiet; vgl Abs 2 leg cit), ausgenommen die Gebiete Jungholz und Mittelberg, gelangt (vgl Ruppe, UStG³ § 1 Tz 458 f), was im Anlassfall - den Urteilsfeststellungen zufolge (US 9 - 11, 19) - nicht anzunehmen ist.

Gleiches gilt für die dem strafbestimmenden Wertbetrag ebenfalls zu Grunde gelegte Tabaksteuer (S 79/II), der - als inländische Verbrauchssteuer - gemäß § 1 Abs 1 Tabaksteuergesetz 1995 nur solche Tabakwaren unterliegen, die (im Steuergebiet hergestellt oder) in das Steuergebiet (das ist Abs 2 leg cit zufolge das Bundesgebiet ausgenommen das Gebiet der Gemeinden Jungholz [Tirol] und Mittelberg [Vorarlberg]) eingebracht werden.

Das Berufungsgericht wird weiters dem Umstand Rechnung tragen können, dass sich dem Urteil die Berechnungsgrundlage für die Wertersatzfreiheitsstrafe (§ 19 Abs 3 FinStrG) hinsichtlich der nicht sichergestellten Zigaretten (US 23) nicht entnehmen lässt (RZ 1997/76; 13 Os 103/01; 14 Os 17/05i).

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