Spruch:
Der Revision wird teilweise dahin Folge gegeben, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.314,66 EUR (darin 219,11 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 18.930,88 EUR (darin 333,37 EUR USt und 16.930,67 EUR anteilige Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. 3. 1994, AZ 6 S 44, 45/94, wurde über das Vermögen der B***** Speditions GesmbH & Co KG (im Folgenden kurz: „B*****") über deren Eigenantrag der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die Beklagte hatte mit der B***** die Gewährung eines Kontokorrentkredits mit einem Kreditrahmen von 12,000.000 S (eigentlicher Kontokorrentkredit 8,000.000 S zuzüglich eines Überziehungsrahmens von 4,000.000 S) vereinbart, der zuletzt schriftlich bis 30. 11. 1993 prolongiert worden und daher zu diesem Zeitpunkt fällig war. Die Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin wollten im Jahr 1993 den Kreditrahmen um weitere 3,000.000 S ausweiten. Dies lehnte die Beklagte jedoch ab. Um eine Entscheidungsgrundlage dafür zu gewinnen, ob sie den am 30. 11. 1993 fälligen Kredit neuerlich prolongieren solle, wollte die Beklagte im November 1993 eine Kreditrevision bei der B***** durchführen. Zum damaligen Zeitpunkt lag der Jahresabschluss zum 31. 12. 1992 vor. Dieser ergab ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 1,209.132,19 S und einen Jahresverlust von 2,050.091,19 S. Weiters wies die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 5,534.296,78 S auf. Für eine Prognose wäre besonders eine Sachkonten-Salden-Liste wichtig gewesen, um daraus möglichst zeitnahe die Ertragslage des Unternehmens überprüfen zu können. Die von der Beklagten beauftragten Revisoren verlangten im November 1993 bei einem Erstbesuch von den Geschäftsführern der B***** diverse Unterlagen ab. Dabei wurden ihnen nur der Jahresabschluss zum 31. 12. 1992 sowie die Personenkonten zur Verfügung gestellt. Auch als sie die Geschäftsräumlichkeiten im Dezember 1993 ein weiteres Mal aufsuchten, erhielten sie die von ihnen gewünschten Sachkonten-Salden-Listen nicht. Einer der Geschäftsführer sagte den Revisoren deren Übermittlung zu, was in der Folge aber nie geschah. Ein Geschäftsführer zeigte den Revisoren der Beklagten lediglich eine handschriftliche Aufstellung über den zu erwartenden Cash-Flow. Hintergrund dieser Aufstellung war, dass die B***** in ein neues Geschäftsfeld, nämlich das Lagergeschäft, eingestiegen war, welches für die Geschäftsführer der B***** lukrative Gewinnaussichten versprach. Schließlich kam es zu keinem Revisionsbericht, weil die erforderlichen Unterlagen (Sachkonten-Salden-Listen) nie vorgelegt wurden. Tatsächlich war die B***** (mangels Darstellbarkeit einer positiven Fortbestehensprognose) zum 30. 6. 1993 insolvenzrechtlich relevant überschuldet, ab Juli 1993 war sie auch zahlungsunfähig. Aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftete die B***** vom 1. 1. 1994 bis zur Konkurseröffnung am 7. 3. 1994 einen Verlust von 9,970.000 S (= 724.548,15 EUR). Der Kreditrahmen von 12,000.000 S war in der Zeit vom 31. 12. 1993 bis 7. 3. 1994 am 31. 12. 1993, 4. 1. 1994, 7. 1. 1994, 25. 1. 1994 und 26. 1. 1994 voll ausgeschöpft. Auch erreichte die Summe der in dieser Zeit erfolgten Kontoeingänge den Kreditrahmen. Durch die Kontoeingänge wurde der offene Saldo im Zeitraum vom 31. 12. 1993 bis zur Konkurseröffnung am 7. 3. 1994 um 5,562.760,81 S (= 404.261,59 EUR) reduziert.
Neben der gegenständlichen Klage führte der Kläger noch zwei weitere Anfechtungsprozesse gegen weitere Gläubigerbanken, nämlich gegen die Bank ***** und die E***** (vormals *****). Im Verfahren 32 Cg 112/98g des Handelsgerichts Wien gegen die Bank ***** war zunächst nur ein Begehren auf Zahlung eines Kontoguthabens von 1,777.469,97 S gegenständlich, welches in der Folge um ein Begehren auf Anfechtung von Kontoeingängen im Zeitraum vom 3. 1. 1994 bis 4. 3. 1994 und auf Zahlung von insgesamt 31,460.140,06 S ausgedehnt wurde. Das Anfechtungsbegehren wurde auf die Anfechtungstatbestände der §§ 30 Abs 1 Z 1 (inkongruente Deckung) und Z 3 (subjektive Begünstigung), sowie 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO (Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit) gestützt. Erst nach Ablauf der einjährigen Frist des § 43 Abs 2 KO erstattete der Kläger mit Schriftsatz vom 15. 12. 1995 im genannten Parallelprozess erstmals ein Vorbringen dahin, dass die gewährten Wiederausnützungen des Kredits zusammen mit den Eingängen ein nachteiliges Rechtsgeschäft iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO darstellten. Dem letztgenannten Vorbringen hielt die Bank ***** als Beklagte unter anderem den Einwand der Verfristung entgegen. Am 21. 4. 1998 schlossen der Masseverwalter und die Bank ***** einen Vergleich, aufgrund dessen diese an den Kläger eine Zahlung in Höhe von 9,173.305 S leistete, wovon 8,195.836 S auf den Titel der Anfechtung entfielen. Eine nähere Zuordnung zu einzelnen Anfechtungstatbeständen erfolgte in diesem Fall nicht. Im Verfahren 32 Cg 78/98g des Handelsgerichts Wien gegen die E***** (vormals *****) focht der Masseverwalter Kontoeingänge ab 7. 9. 1993 sowie eine im Dezember 1993 geschlossene Generalzessionsvereinbarung an und begehrte Zahlung von 43,503.632,89 S an die Masse. In diesem Verfahren drang er mit 255.938,10 EUR durch, der Zuspruch erfolgte nach dem Anfechtungsgrund des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO.
Nach mehreren rechtskräftigen Teilabweisungen ist im gegenständlichen Verfahren nur noch der Betrag von 724.548,15 EUR (= 9,970.000 S) strittig. Der Kläger begehrte den Zuspruch dieses Betrags mit seiner (soweit im Rechtsmittelverfahren noch relevant) auf § 31 Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall KO gestützten Anfechtungsklage. Er brachte im Wesentlichen vor, dass die Buchhaltung der B***** im November 1993 vollständig und aktuell gewesen sei. Alle erforderlichen Informationen wie Sachkonten-Salden-Listen, Aufwands- und Ertragskonten, etc seien zur Verfügung gestanden und hätten ausgedruckt sowie von den Revisoren der Beklagten eingesehen werden können. Diese haben jedoch von ihrem Bucheinsichtsrecht nicht Gebrauch gemacht, sondern sich stattdessen auf die Aussagen des Geschäftsführers der B***** verlassen. Die negative Geschäftsentwicklung sei aus den Buchhaltungsunterlagen im November 1993 erkennbar gewesen. Die Bilanz zum 31. 12. 1992 habe eine bilanzielle Überschuldung und einen erheblichen Jahresverlust ausgewiesen. Eine erforderliche Fortbestehensprognose sei nicht erstellt worden. Es habe lediglich eine Planerfolgsrechnung (Cash-Flow-Rechnung) des Geschäftsführers gegeben, welche eine weitere, geringe Ergebnisabschwächung aufgezeigt habe. Aus dieser habe keine positive Fortbestehensprognose abgeleitet werden können. Eine ordentliche Analyse der wirtschaftlichen Situation der B***** hätte erkennen lassen, dass die hohen Kosten einer Übersiedlung in eine neue, moderne Speditionsanlage und die weitere Belastung mit einer Monatsmiete von mehr als 1,000.000 S nicht mehr verkraftbar gewesen seien. Bei ordnungsgemäßer Prüfung 1993 hätte die Beklagte daher die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erkennen müssen. Auch die Nachteiligkeit iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO sei für die Beklagte erkennbar gewesen. Der Geschäftsbetrieb sei in den Jahren 1992, 1993 und auch 1994 bis zur Konkurseröffnung verlustbringend gewesen. Spätestens ab dem zweiten Quartal 1993 seien die Umsätze rückläufig gewesen, während die Kosten, insbesondere für Personal, Miete und Fremdkapital erheblich gestiegen seien. Es seien neue Forderungen entstanden. Insgesamt sei seit 1992, insbesondere aber im Zeitraum 1. 1. 1994 bis 7. 3. 1994, eine kontinuierliche Vermögensverminderung eingetreten, was zwangsläufig zu einer Quotenverschlechterung geführt habe. Dies sei der Beklagten aus den Bilanzen und Salden-Listen erkennbar gewesen, sodass die Nachteiligkeit für die Beklagte wie für andere Gläubiger vorhersehbar gewesen sei. Bezüglich des Anfechtungsumfangs berief sich der Kläger zuletzt (erkennbar) auf den im Zeitraum 1. 1. 1994 bis 7. 3. 1994 erwirtschafteten Verlust aus normaler Geschäftstätigkeit in Höhe von 724.548,15 EUR.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte im Wesentlichen vor, dass die Routineüberprüfung Ende 1993 keinen Anlass zur Besorgnis ergeben habe. Den mit der Revision beauftragten Mitarbeitern seien keine brauchbaren Daten zur Verfügung gestanden. Der Geschäftsführer der B***** habe dies damit erklärt, dass man von Partnerspeditionen keine Abrechnung bekommen habe und daher kein aktueller Status vorliege. Aus dem zur Verfügung gestellten Jahresabschluss für 1992 sowie der Entwicklung des gegenständlichen Kreditkontos habe die Beklagte eine erhöhte Insolvenzgefahr nicht ableiten können. Im Lichte der Fortbestehensprognose sei davon auszugehen gewesen, dass der eingetretene Verlust aufgrund der durch Zusammenlegung erfolgten Synergieeffekte und der Modernisierung des Unternehmens bald beseitigt werden würde. Erst nach Konkurseröffnung habe sich herausgestellt, dass die positive Geschäftsentwicklung teilweise manipuliert gewesen sei. Der Beklagten seien Kreditaufnahmen bei anderen Banken verschwiegen worden. Dadurch sei ein Liquiditätszufluss vorgetäuscht worden. Die von der Beklagten versuchte Revision sei mangels Zurverfügungstellen aktueller Unterlagen ohne Ergebnis geblieben. Die Ausweitung des Kreditvolumens sei daher abgelehnt worden, weil erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Die Entscheidung über die formelle Prolongation des Kredits sei bis zur Vorlage aktueller Zahlen ebenfalls aufgeschoben worden. Eine der Beklagten vorwerfbare Unkenntnis der Überschuldung iSd § 31 KO liege nur dann vor, wenn man die Auffassung vertrete, die Beklagte hätte die Herausgabe der von ihr verlangten Unterlagen durch Sperre des Kontos erzwingen müssen, für eine solche drastische Maßnahme seien jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgelegen. Auch sei ein nachteiliges Rechtsgeschäft iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO nicht vorhersehbar gewesen. Selbst wenn man von einer Nachteiligkeit ausgehe, dürften die in den Anfechtungsprozessen gegen die beiden anderen Kreditinstitute (Bank ***** bzw E*****) erzielten Summen nicht außer Betracht bleiben. Der Masse könne nur einmal ein entgangener Haftungsfonds zugesprochen werden. Falls eine allfällige tatsächliche Verringerung des Befriedigungsfonds den Banken zugerechnet werde, sei diese auf alle drei Banken aufzuteilen. Der von der Bank ***** im Wege des Vergleichs ersiegte Betrag von 8,195.836 S (= 595.614,63 EUR) sei auch auf einen durch nachteiliges Geschäft erlittenen Verlust in der Krise jedenfalls anzurechnen. Dazu komme noch die ebenfalls aus dem Titel der Anfechtung bezahlte Summe von 252.138,10 EUR durch die E*****. Allein diese Summen würden den behaupteten Nachteil jedenfalls abdecken, sodass gegenüber der Beklagten keine Forderung mehr bestehe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 128.933,52 EUR sA statt und wies das Begehren von 595.614,63 EUR ab. Ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es noch fest: Beim Erstbesuch im November 1993 verlangten die von der Beklagten mit der Durchführung der Revision betrauten Mitarbeiter diverse Unterlagen von der B*****, um die Überprüfung durchführen zu können. Die Buchhaltung war à jour. Es wäre möglich gewesen, die Sachkonten-Salden-Listen auszudrucken. Die Revisoren der Beklagten ließen sich aber vom Geschäftsführer der B***** vertrösten, dass die erforderlichen Unterlagen später vorgelegt würden, nahmen jedoch nicht aktiv Einsicht in die Buchhaltung. Die mit 30. 6. 1993 gegebene insolvenzrechtlich relevante Überschuldung war im November 1993 insbesondere aus der Entwicklung der Sachkonten feststellbar. Daraus wäre auch die spätestens ab dem Juli 1993 eingetretene Zahlungsunfähigkeit erkennbar gewesen. Die vom Geschäftsführer erstellte handschriftliche Cash-Flow-Aufstellung stellte keine taugliche Grundlage für eine Fortbestehensprognose dar. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, dass dem Kläger der Beweis der Nachteiligkeit durch Weiterführung des Kontokorrentkontos dadurch gelungen sei, dass die B***** im anfechtungsrelevanten Zeitraum vom 1. 1. bis 7. 3. 1994 insgesamt nur Verluste erwirtschaftet habe. Die Nachteiligkeit durch weitere Finanzierung des Geschäftsbetriebs wäre im November 1993 erkennbar gewesen. Wenn sich die Leute der Beklagten mit der Vorlage einer handschriftlichen Aufstellung begnügt haben, sei die Beklagte damit ihrer Prüfpflicht nicht nachgekommen. Der Masse stehe eine Forderung in der Höhe des ihr tatsächlich entstandenen Nachteils oder des eingeräumten Kreditrahmens zu, je nachdem welcher der beiden Beträge geringer sei. Der unter dem Kreditrahmen liegende Verlustbetrag von 724.548,15 EUR stehe dem Kläger daher jedenfalls zu. Der im Verfahren gegen die E***** ersiegte Betrag sei nicht zu berücksichtigen, wohl aber der vergleichsweise von der Bank ***** erzielte Betrag von 8,195.836 S (= 595.614,63 EUR). In diesem Umfang sei der Anspruch des Klägers erloschen. Da im Vergleich keine einzelnen Anfechtungstatbestände angeführt worden seien, sei der gesamte Vergleichsbetrag aus dem Titel der Anfechtung in Abzug zu bringen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es in Stattgebung der Berufung des Klägers diesem den gesamten noch strittigen Betrag zusprach.
Ob einem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last falle, bestimme sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, nach der Zumutbarkeit ihrer Heranziehung und der Ordnungsgemäßheit ihrer Bewertung. Bei der Prüfpflicht der Banken sei nach ständiger Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzulegen. Wenn - bei Vorliegen eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags - der Lagebericht des Geschäftsführers fehle oder mangelhaft begründet sei, werde eine Prüfpflicht der kreditgebenden Bank ausgelöst, weil sich diese im Anfechtungsprozess auf eine positive Fortbestehensprognose nur berufen könne, wenn eine solche vom Unternehmer erstellt und ausreichend begründet werde (6 Ob 110/00w). Selbst wenn man davon ausgehe, dass die aktuellen Zahlen der letzten zwei bis drei Monate vor der Prüfung noch nicht aufgebucht gewesen seien, erkläre dies nicht, warum auch die früheren, ins Geschäftsjahr 1993 fallenden Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Dies hätte die Beklagte jedenfalls misstrauisch machen müssen. Es wäre ihr daher zumutbar gewesen, die Geschäftsleitung der B***** zu ersuchen, mit Hilfe eines Buchhaltungsmitarbeiters in die EDV-Buchhaltung Einsicht nehmen zu dürfen, um sich selbst ein Bild machen zu können, auf welchem Stand sich die Buchhaltung befinde. Jedenfalls aber musste sie angesichts dessen, dass ihr für das Geschäftsjahr 2003 keinerlei brauchbare Saldenlisten zur Verfügung gestellt worden waren, mangels Vorliegens einer positiven Fortbestehensprognose davon ausgehen, dass die in der Bilanz 1992 ausgewiesene Überschuldung insolvenzrechtlich relevant gewesen sei. Die im Zeitraum 31. 12. 1993 bis zur Konkurseröffnung am 7. 3. 1994 durch Kontoeingänge bewirkte Senkung des aushaftenden Kreditsaldos um 5,562.760,81 S (= 404.261,59 EUR) sei daher schon nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar. Auch die Nachteiligkeit iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO sei gegeben:
Nach ständiger Rechtsprechung könne die Aufrechterhaltung des Kontokorrentkreditverhältnisses durch die Bank in der Krise als mittelbar nachteiliges Rechtsgeschäft anfechtbar sein. Maßgebender Indikator für die Beurteilung der Nachteiligkeit sei die im Konkurs zu erwartende Quote im Vergleich zur Quote, die bei rechtzeitiger Konkurseröffnung zu erwarten gewesen wäre. Ob sich die Quote verschlechtert hätte, lasse sich durch eine Differenzrechnung feststellen, in der die Aktiven und Passiven im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts den Aktiven und Passiven im Zeitpunkt der Konkurseröffnung gegenüber gestellt werden. Als maßgebenden Zeitpunkt für diesen Quotenvergleich und die Prüfung der objektiven Vorhersehbarkeit der Nachteiligkeit als weiterer Anfechtungsvoraussetzung sei daher die erste angefochtene Rechtshandlung anzusehen (4 Ob 306/98y). Der Masseverwalter könne die Nachteiligkeit nicht nur durch eine Differenzrechnung, sondern etwa auch dadurch beweisen, dass er - wie im vorliegenden Fall - nachweise, dass nur Verlustgeschäfte abgeschlossen worden seien. Dieser Beweis sei dem Masseverwalter gelungen. Zwar sei dem Masseverwalter die Beweislast für die Vorhersehbarkeit der Nachteiligkeit zugewiesen, doch werde dies durch einen prima-facie-Beweis erleichtert. Die von Kreditgeschäften in der Krise ausgehende Gefahr des „Versickerns" der Geldmittel müsse vorweg angenommen werden, sodass der Masseverwalter etwa schon dadurch den Beweis erbringen könne, dass aus den Geschäftsbüchern, den Bilanzen, dem Lagebericht und ähnlichen Unterlagen des Unternehmens Umstände hervorgehen, die eine Sanierung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als unmöglich erscheinen lassen (6 Ob 110/00w). Auch dieser Beweis sei dem Kläger gelungen, weil nach den Feststellungen aus der Buchhaltung im November 1993 tatsächlich erkennbar gewesen sei, dass das Unternehmen nicht mehr sanierbar ist und bereits seit Juli 1993 zahlungsunfähig war. Dies zu entkräften, sei der Beklagten nicht gelungen. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien aber weder die Zahlungen durch die E***** noch diejenigen der Bank ***** (aus dem Vergleich) anzurechnen. Hier handle es sich um andere Anfechtungsgründe, deren Erfolg die Quotenverschlechterung nicht beeinflusst hätte. Selbst wenn man von einer Solidarhaftung mehrerer Banken für die Herbeiführung der Nachteiligkeit iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall ausgehe, könne dies der Beklagten nicht nützen. Während die Zahlung der E***** ausdrücklich auf einem anderen Anfechtungsgrund beruht habe, könne auch die durch Vergleich bewirkte Zahlung seitens der Bank ***** nicht als Zahlung auf den Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO angesehen werden. In dem dem Vergleich vorangegangenen Verfahren habe nämlich die Bank ***** die evidente Verfristung durch verspätete Geltendmachung ausdrücklich eingewendet. Es könne daher nicht unterstellt werden, dass sie diesen Verfristungseinwand fallen habe lassen und der Vergleich daher auch eine Nachteiligkeitsanfechtung habe bereinigen wollen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die objektive Erkennbarkeit der Nachteiligkeit eines Rechtsgeschäfts auch zu bejahen sei, wenn sich der Anfechtungsgegner mit unzureichenden Auskünften des Gemeinschuldners zufrieden gebe und solcherart seiner Prüfpflicht nicht nachgekommen sei, sowie zur Frage, ob aufgrund anderer als nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO geltend gemachter Anfechtungsklagen von anderen Anfechtungsgegnern nach Konkurseröffnung erlangte Rückzahlungen die Nachteiligkeit (= Quotenverschlechterung) der angefochtenen Rechtsgeschäfte beeinflussen können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt. Zunächst ist der Beklagten dahin zuzustimmen, dass der Kläger in seiner Rechtsrüge der Berufung seinen Anfechtungsanspruch nicht mehr auf § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO, sondern nur mehr auf denjenigen des zweiten Falls dieser Bestimmung gestützt hat. Die weiteren Erwägungen haben daher nur unter dem Aspekt einer Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO zu erfolgen.
Zur Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit: Bei Banken ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, stehen diesen doch die notwendigen Mittel für eine eingehende Prüfung zur Verfügung. Die kreditgebende Bank kann sich im Anfechtungsprozess auf eine positive Zukunftsprognose nur dann berufen, wenn eine solche erstellt und ausreichend begründet wurde (RIS-Justiz RS0064672, insbesondere 6 Ob 110/00w = SZ 73/182; 6 Ob 72/06s). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte schon aufgrund der im Vorjahr eingetretenen evidenten Verluste und des negativen Eigenkapitals besondere Vorsicht walten lassen müssen und sich nicht mit einer handschriftlichen Cash-Flow-Aufstellung ohne Überprüfung der Sachkonten zufrieden geben dürfen, trifft daher zu. Gerade wenn erforderliche Unterlagen verweigert wurden, hätte die Beklagte Verdacht schöpfen und von einer stillschweigenden Prolongierung des bereits fälligen Kontokorrentkredits Abstand nehmen müssen. Nachteiligkeit des Rechtsgeschäfts iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, wenn das Rechtsgeschäft zu einer Verringerung der Masse geführt und sich damit für die Gläubiger tatsächlich nachteilig ausgewirkt hat, es also zu einer tatsächlichen Minderung der Befriedigungschancen der Konkursgläubiger gekommen ist. Dabei sind im Rahmen einer anzustellenden Differenzrechnung auch die Vorteile zu veranschlagen, die aus Gewinnen aus der Fortführung der Geschäfte entstanden und der Masse zugutegekommen sind. Maßgebend für die Beurteilung ist grundsätzlich, ob die im Konkurs zu erwartende Quote niedriger ist als jene, die bei „rechtzeitiger" Konkurseröffnung erzielbar gewesen wäre. Ob tatsächlich Nachteiligkeit gegeben war, ist nach der Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Anfechtungsprozess zu entscheiden (6 Ob 72/06s; 1 Ob 308/98w ua). Erst wenn sich aufgrund dieser ex post anzustellenden Prüfung ergibt, dass sich das angefochtene Rechtsgeschäft tatsächlich nachteilig für die Gläubiger ausgewirkt hat, ist auch noch zu prüfen, ob die Nachteiligkeit für den Anfechtungsgegner bei Eingehen des Rechtsgeschäfts objektiv vorhersehbar war. Das angefochtene Rechtsgeschäft muss schließlich auch kausal für die Verringerung der Masse gewesen sein, wobei Mitursächlichkeit ausreicht (6 Ob 110/00w = SZ 73/182; 9 Ob 24/04a = ON 55 des Akts).
Die Beweislast für die Nachteiligkeit des Rechtsgeschäfts trifft nach ständiger Rechtsprechung den Masseverwalter (RIS-Justiz RS0065092), dem es dabei grundsätzlich freisteht, wie er diese beweist. Es muss nicht eine Differenzrechnung (der im Konkurs zu erwartenden Quote im Vergleich zur Quote, die bei rechtzeitiger Konkurseröffnung zu erwarten gewesen wäre) vornehmen, sondern kann auch Umstände behaupten und beweisen, aus denen sich zwingend eine Quotenverschlechterung ergibt (4 Ob 306/98y; 6 Ob 72/06s). Diesen Beweis trat der Masseverwalter im vorliegenden Fall dadurch an, dass festgestellt werden konnte, dass durch die laufende Geschäftstätigkeit im Zeitraum vom 1. 1. bis 7. 3. 1994 eine kontinuierliche Vermögensverminderung eintrat und die Verluste in diesem Zeitraum, wie festgestellt, 9,170.000 S (= 724.548,15 EUR) betrugen. Aus dem vom Erstgericht eingeholten Gutachten ergibt sich eindeutig, dass es sich dabei nicht um, wie von der Beklagten behauptet, rein „buchhalterische" Verluste, sondern um Realverluste durch Mittelabgang und Forderungserhöhungen handelt. Der weitere Einwand, dass besonders hohe Verluste erst nach der Kontosperre durch die Beklagte eingetreten seien, ist schon mangels Erhebung dieses Einwands durch die Beklagte im Berufungsverfahren ohne Relevanz. Da der Masseverwalter den Abgang für die Masse nach diesem Verlust beziffert und nicht mit dem eingeräumten Kreditrahmen, der wesentlich höher ist, ausgemessen hat, ist Letzterer nicht mehr maßgeblich (6 Ob 72/06s mwN). Bei der Nachteiligkeit der Weitergewährung eines Rahmenkredits und seiner Wiederausnützung geht es um die Aufrechterhaltung der Liquidität eines zahlungsunfähigen und potentiellen nicht mehr sanierbaren Kreditschuldners als Dauertatbestand, sodass für die Nachteiligkeit der Zeitpunkt der ersten anfechtbaren Rechtshandlung für die Beurteilung maßgeblich ist (6 Ob 110/00w).
Hätte die Beklagte die ihr obliegende Prüfung durchgeführt und dabei erkannt, dass die spätere Gemeinschuldnerin bereits zahlungsunfähig war, hätte sie, wie ein anderes sorgfältiges Kreditinstitut auch, den fälligen Kontokorrentkredit nicht mehr verlängern dürfen, weil vorhersehbar war, dass durch die Möglichkeit des „Weiterwurstelns" durch weitere Geschäftstätigkeit vorhandene Mittel verkleinert und Fremdforderungen ausgedehnt werden könnten. Dass dadurch der Befriedigungsfonds geschmälert wird, kann, wie schon vom Berufungsgericht richtig dargestellt, nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Zur (Nicht-)Anrechnung von Zahlungen, die der Masseverwalter durch Anfechtungen gegenüber zwei anderen Kreditinstituten erreicht hat:
Der erkennende Senat hat bereits zu 9 Ob 24/04a ausgeführt, dass mehrere Gläubiger, die zu einer nachteiligen Quotenverschlechterung iSd § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO beigetragen haben, aus diesem Grunde nur im Rahmen des Gesamtnachteils zur Haftung herangezogen werden können, da die Masse sonst bereichert wäre. Bei den von der Beklagten angeführten Anfechtungen handelt es sich aber nicht um solche nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO, sondern nach dessen erstem Fall. Betreffend den Anspruch gegenüber der E***** geht dies aus dem Urteil eindeutig hervor; aber auch hinsichtlich der Anfechtung gegenüber der Bank ***** ist den Erwägungen des Berufungsgerichts zu folgen: Da eine über den Vergleichstext hinausgehende Parteiabsicht nicht festgestellt werden konnte, sind der Text, aber auch die Umstände, unter denen der Vergleich abgeschlossen wurde, zu beurteilen. Da der Masseverwalter seinen Anspruch gegenüber der Bank ***** zunächst auf andere Anfechtungsansprüche gestützt und denjenigen nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO eindeutig nach Ablauf der Frist des § 43 Abs 2 KO erhoben hat, was von der dort Beklagten auch ausdrücklich eingewendet wurde, ist ihr nicht zu unterstellen, auf diesen Einwand verzichtet und die Anfechtung aus diesem Grunde anerkannt zu haben. Dass es sich letztlich um die Zahlung für eine Deckungsanfechtung handelt, ergibt sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der Masseverwalter die Forderung der Bank ***** in gleicher Höhe, wie angefochten wurde, ausdrücklich als Konkursforderung anerkannte.
Zu prüfen bleibt der von der Beklagten erhobene Einwand, dass auch aufgrund erfolgreicher Anfechtungen geleistete Zahlungen unabhängig von deren Entstehungsgrund bei der Nachteiligkeitsbetrachtung anzurechnen seien. § 31 KO unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Tatbeständen, nämlich der Anfechtung von Deckungshandlungen (§ 31 Abs 1 Z 1 und 2 jeweils erster Fall KO) und der Anfechtung von nachteiligen Rechtsgeschäften (§ 31 Abs 1 Z 1 und 2 jeweils zweiter Fall KO; 6 Ob 110/00w; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 11/1). In der Lehre (Weissel, „Die mittelbare Nachteiligkeit von Kreditgeschäften nach § 31 KO" in ÖBA 1992, 630, 636; diesem folgend Bollenberger „Anfechtung von Finanzierungsgeschäften gemäß § 31 Abs 1 Z 2 Fall 2 KO, Überlegungen aus Anlass der Entscheidungen OGH 2 Ob 2146/96s und 4 Ob 306/98y" in ÖBA 1999, 409, 412 und Bachmann in ZIK 2002, 146 f „Zur Anfechtung des Kontokorrentkredites als nachteiliges Rechtsgeschäft [§ 31 Abs 1 Fall zwei KO]") wird die Meinung vertreten, dass dann, wenn neben Ansprüchen der Masse nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 2 KO noch andere Ansprüche nach anderen Bestimmungen der KO, beispielsweise nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 KO, bestehen, diese als Aktiva in der Differenzrechnung für die Nachteiligkeit berücksichtigt werden müssten. Zur Verdeutlichung führt Weissel (aaO 636) folgendes überzeugende Beispiel an: Bevorschusst etwa die Bank A dem (späteren) Gemeinschuldner dessen Forderung gegen Z und wurde in der Folge der Gläubiger B aus der Kreditvaluta befriedigt, so resultiert aus der erfolgreichen Anfechtung der Kreditgewährung gemäß § 31 Abs 1 Z 2 Fall 2 KO gegenüber A und der durch B erlangten Befriedigung gemäß § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 KO eine Verdoppelung des der Masse zur Verfügung stehenden Betrags. Die erfolgreich nach § 31 Abs 1 Z 2 Fall 1 KO geltend gemachte Zahlung müsse daher als Aktivum berücksichtigt werden. Der Einwand Königs (aaO Rz 16/30), dass es sich dabei um einen „Floriani"-Einwand handle, der nicht zu einer Beschränkung des Anfechtungsrechts des Masseverwalters führen dürfe, mag solange zutreffen, als andere Anfechtungen noch nicht erfolgreich waren. Im vorliegenden Fall hat aber die Bank ***** aus dem Titel der Anfechtung bereits einen Betrag rückgeführt, der ihr in dem Zeitraum zugekommen war, auf den sich auch die Benachteiligungsanfechtung gegenüber der Beklagten bezieht. Dies muss bei der vom Masseverwalter gewählten Verlustrechnung dazu führen, dass der von der Bank ***** erlangte Betrag nicht mehr als Verlust aufscheinen und somit auch die durch die Benachteiligungshandlung eingetretene Massereduzierung entsprechend verringern würde. Der nach dieser Zahlung noch offene, von der Beklagten auszugleichende Nachteil beträgt daher nur noch 128.933,52 EUR. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die von der E***** aufgrund erfolgreicher Anfechtung geleistete Zahlung nicht zugunsten der Beklagten in Anschlag gebracht werden, weil der Anfechtungszeitraum nicht ident ist und die Beklagte nicht unter Beweis stellen konnte, dass bzw welche rückgeführten Befriedigungszahlungen den Verlust der relevanten Periode zu mindern geeignet waren.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 iVm § 50 ZPO. Beide Streitteile sind mit ihren Berufungen nicht durchgedrungen. Die Differenz der Kosten der Berufungsbeantwortungen ergibt zugunsten der Beklagten den Betrag von 1.314,66 EUR (darin 219,11 EUR USt). Im Revisionsverfahren ist die Beklagte mit der Abweisung von rund 82 % der Klageforderung durchgedrungen und hat somit Anspruch auf Ersatz von 64 % ihrer Vertretungskosten. Von der Pauschalgebühr für die Revision (20.647,16 EUR) sind vom Kläger gemäß § 43 Abs 1 3. Satz ZPO 82 % (= 16.930,67 EUR) zu ersetzen.
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