OGH 9Ob24/04a

OGH9Ob24/04a17.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klemens D*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** Speditionsgesellschaft mbH & Co KG, gegen die beklagte Partei Bank *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG, Wien, wegen EUR 724.548,15 sA (eingeschränkt), über die Rekurse beider Streitteile gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. November 2003, GZ 3 R 80/03m-49, womit infolge Berufungen beider Streitteile das Endurteil des Handelsgerichtes Wien vom 12. Februar 2003, GZ 32 Cg 115/98y-43, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 7. 3. 1994, GZ 6 S 44, 45/94, wurde über das Vermögen der B***** Speditions GmbH & Co KG - im Folgenden "B*****" genannt - über deren Eigenantrag der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die beklagte Partei hatte mit der "B*****" die Gewährung eines Kontokorrentkredites: mit einem Kreditrahmen von S 12 Mio (eigentlicher Kontokorrentkredit: S 8 Mio und vereinbarter Überziehungsrahmen: S 4 Mio) vereinbart, der zuletzt schriftlich bis 30. 11. 1993 prolongiert worden und zu diesem Zeitpunkt fällig war. Die Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin waren im Jahr 1993 daran interessiert, den Kreditrahmen um S 3 Mio anzuheben. Dies wurde von der beklagten Partei jedoch abgelehnt. Im November 1993 wollte die beklagte Partei eine Kreditrevision bei der "B*****" durchführen. Es handelte sich dabei um eine Routineüberprüfung. Die von der beklagten Partei beauftragten Revisoren verlangten im November 1993 von den Geschäftsführern der "B*****" diverse Unterlagen ab, um diese Überprüfung durchführen zu können. Besonders wichtig wäre eine Sachkonten-Saldenliste gewesen, um eine möglichst zeitnahe Überprüfung der Ertragslage des Unternehmens durchführen zu können. Beim zweiten Aufsuchen der "B*****" durch die Revisoren im Dezember 1993 lagen diese Sachkonten-Saldenlisten noch nicht vor. Einer der Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin erklärte, dass die Übermittlung dieser Unterlagen erfolgen würde, was jedoch nicht geschah. Den Revisoren standen der Jahresabschluss 1992 sowie die Personenkonten zur Verfügung. Die Nichtvorlage der Sachkonten-Saldenlisten erschien den Revisoren nicht auffällig, da es im Speditionsbereich üblich ist, dass sich eine solche Aufstellung um zwei bis drei Monate verzögert, zumal Speditionen es öfter handhaben, mehrere Leistungen zusammenkommen zu lassen, um danach eine einzige Rechnung auszustellen. Den Revisoren der Beklagten standen sohin keine ausreichenden Unterlagen zur Verfügung, um die finanzielle Situation der "B*****" seriös beurteilen zu können. Der Geschäftsführer der "B*****" zeigte den Revisoren eine handschriftliche Aufstellung über den zu erwartenden Cash-Flow. Hintergrund dieser Erstellung war der Umstand, dass die "B*****" in ein neues Geschäftsfeld, nämlich in das Lagergeschäft eingestiegen war, welches für sie lukrative Gewinnaussichten versprach. Den Revisoren wurde auch ein vollautomatisch gesteuertes Hochregallager gezeigt, welches auf einen der Revisoren einen guten Eindruck hinterließ. Da die "B*****" die erforderlichen Unterlagen niemals vorlegte, kam es auch zu keinem Bericht der Revisoren. Schon das Geschäftsjahr 1992 hatte mit einem Verlust geendet und ab 30. 6. 1993 war die "B*****" insolvenzrechtlich relevant überschuldet. Dies war jedoch den Geschäftsführern der beklagten Partei bis zum Freitod eines Geschäftsführers am 8. 2. 1994 nicht bewusst. Der Kreditrahmen von S 12 Mio war in der Zeit vom 31. 12. 1993 bis 7. 3. 1994 am 31. 12. 1993, 4. 1., 7. 1., 25. 1. und 26. 1. 1994 jedenfalls voll ausgeschöpft. Auch erreichte die Summe der in der Krise retournierten Beträge den Kreditrahmen.

Im selben Zeitraum (31. 12. 1993 bis 7. 3. 1994) betrug der Verlust aus der laufenden Geschäftstätigkeit einschließlich offener Sonderzahlungen und Abfertigungsansprüche ATS 9,970.000,-- oder EUR 724.548,15.

Nach mehreren rechtskräftigen Teilabweisungen ist im Rechtsmittelverfahren nur noch der Betrag von EUR 724.548,15 strittig.

Der Kläger begehrte den Zuspruch dieses Betrages mit seiner auf § 30 Abs 1 Z 1 und 3 sowie § 31 Abs 1 Z 2 erster und zweiter Fall KO gestützten Anfechtungsklage.

Bei ordnungsgemäßer zumutbarer Prüfung hätte der beklagten Partei bereits im November 1993 die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der späteren Gemeinschuldnerin bewusst sein müssen. Die Beklagte habe sich mit unzureichenden Einsichten und Vertröstungen begnügt, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätte, in die gesamte Buchhaltung Einsicht zu nehmen. Neben dem Jahresabschluss zum 31. 12. 1992 welcher einen Jahresverlust von S 2,050.091,19 ausgewiesen habe, seien der Beklagten sämtliche Geschäftsunterlagen, alle Konten, alle Umsatzsteuervoranmeldungen, alle Saldenlisten sowie eine Vorausschau für das Jahr 1993 zur Verfügung gestanden. Eine ordentliche Analyse der wirtschaftlichen Situation der "B*****" hätte erkennen lassen, dass die hohen Kosten der Übersiedlung in eine neue, moderne Speditionsanlage und die weitere Belastung mit einer Monatsmiete von mehr als S 1 Mio für die "B*****" nicht mehr verkraftbar seien und materielle Insolvenz eintreten würde. Wenngleich der Kredit nach dem 30. 11. 1993 nicht mehr schriftlich prolongiert worden sei, habe die beklagte Partei diesen bis zur Sperre des Kontos am 16. 2. 1994 faktisch weiter gewährt, wodurch der Kreditvertrag über den 30. 11. 1993 hinaus stillschweigend verlängert worden sei. Trotz ausdrücklicher Ablehnung einer schriftlichen Prolongation habe die beklagte Partei den Kredit zunächst nicht fällig gestellt und auch sonst nichts gegen die Wiederausnützungen durch die "B*****" unternommen. Da die beklagte Partei auf die Zahlungen durch die "B*****" in der Zeit vom 31. 12. 1993 bis 7. 3. 1994 keinen fälligen Anspruch gehabt habe, sei jedenfalls die Saldominderung zu Gunsten der beklagten Partei von S 12 Mio auf S 6,437.240,19 bei Konkonurseröffnung, somit S 5,562.759,81 inkongruent und daher anfechtbar. Zum Anfechtungstatbestand nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO (nachteiliges Rechtsgeschäft) brachte der Kläger zuletzt vor, dass der Geschäftsbetrieb der "B*****" in den Jahren 1992, 1993 und 1994 bis zur Konkurseröffnung verlustbringend gewesen sei. Spätestens ab dem zweiten Quartal 1993 seien die Umsätze rückläufig gewesen, während Kosten für Personal, Miete und Fremdkapital erheblich gestiegen seien. Es seien neue Forderungen auf laufende Gehälter sowie Urlaubs- und Abfertigungsansprüche entstanden. Insgesamt sei seit 1992 bis zur Konkurseröffnung, insbesondere im relevanten Zeitraum vom 1. 1. 1994 bis 7. 3. 1994 eine kontinuierliche Vermögensverminderung eingetreten, was zwangsläufig zu einer Quotenverschlechterung geführt habe. Dies sei der Beklagten aus den Bilanzen und Saldenlisten erkennbar gewesen, sodass auch die Nachteiligkeit für andere Gläubiger vorhersehbar gewesen sei. Bezüglich des Anfechtungsumfanges berief sich der Kläger für diesen Anfechtungstatbestand auf die Höhe des Kreditrahmen von S 12 Mio. Im Rechtsmittelverfahren ist allerdings nur noch der schon erwähnte Betrag von EUR 724.578,15 sA Gegenstand der Anfechtung. Die beklagte Partei beantragte das Klagebegehren abzuweisen und brachte im Wesentlichen vor, dass die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der "B*****" frühestens Ende Februar 1994 eingetreten und somit für die beklagte Partei nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Ende 1993 von der Beklagten routinemäßig verlangte Überprüfung des Unternehmensstatus habe keinen Anlass zur Besorgnis gegeben. Den mit der Revision beauftragten Mitarbeitern der beklagten Partei seien keine brauchbaren Daten aus 1993 zur Verfügung gestanden, der Geschäftsführer der "B*****" habe die Revisoren für kurze Zeit vertröstet. Der Bilanzverlust von S 2,050.091,19 zum 31. 12. 1992 sei im Hinblick auf die Größe des Unternehmens der späteren Gemeinschuldnerin nicht besorgniserregend gewesen. Darüber hinaus hätten die Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin realistische Synergieffekte durch Einstieg in das Lagergeschäft dargestellt. Im Lichte der Fortbestehensprognose sei davon auszugehen gewesen, dass der eingetretene Verlust bald beseitigt werden könnte. Erst nach Konkurseröffnung habe sich herausgestellt, dass die positive Geschäftsentwicklung teilweise manipuliert dargestellt worden sei. Insbesondere seien der beklagten Partei Kreditaufnahmen bei anderen Banken verschwiegen worden. Diese hätten in Verbindung mit einer verstärkten Forderungseintreibung zu einem starken Liquiditätszufluss geführt, welcher von der Beklagten auf eine positive Geschäftsentwicklung zurückgeführt worden sei. Die Kontoeingänge, welche zu einer Debetminderung geführt hätten, seien nicht inkongruent gewesen. Der "B*****" sei auf Grund der ausdrücklichen Ablehnung einer weiteren Kreditprolongation stets klar gewesen, dass die beklagte Partei keine Verlängerung über den 30. 11. 1993 hinaus gewähren wollte. In der Zulassung weiterer Überziehungen über den 30. 11. 1993 hinaus könne keine konkludente Willenserklärung der Beklagten auf Gewährung der ausdrücklich abgelehnten Prolongation gesehen werden. Die Beträge, welche zu einer Debetminderung geführt hätten, seien jederzeit fällig gewesen und hätten von der beklagten Partei jederzeit zurückverlangt werden können.

Dem Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO hielt die beklagte Partei entgegen, dass keine Rechtsgeschäfte vorgelegen hätten, sondern bloße Girobewegungen am Konto. Die Gläubiger seien dadurch nicht benachteiligt worden. Eine allfällige Nachteiligkeit sei für die Beklagte auch nicht vorhersehbar gewesen. Eine Nachteiligkeitsanfechtung müsse überdies mit der Höhe der Verluste im Anfechtungszeitraum beschränkt sein. Eine allfällige Verlustfinanzierung vom 31. 12. 1993 bis 7. 3. 1994 habe höchstens S 3 Mio betragen, andere Verluste seien durch den Freitod eines Geschäftsführers verursacht worden. Auch sei der Befriedigungsfond deshalb nicht verringert worden, weil die spätere Gemeinschuldnerin im Falle einer Ausnützungsverweigerung seitens der beklagten Partei die Geldmittel von anderen Banken erlangt hätte. Die Anfechtungsgrenze der Verlustgebarung müsse überdies für alle drei Banken gelten. Der Masse könne der entgangene Haftungsfond nur einmal zugesprochen werden. Falls eine allfällige Verringerung des Befriedigungsfonds den Banken zugerechnet werde, sei diese auf alle drei kreditgebenden Banken, die in das operative Geschäft involviert gewesen seien, nämlich die Beklagte, die E***** Bank und die Bank A*****, aufzuteilen. Von der Bank A***** habe der Kläger bereits im Vergleichsweg S 5 Mio zur Abgeltung der Nachteiligkeit erhalten. Das gegenüber der E***** Bank entstandene Anfechtungsvolumen betrage ebenfalls ca S 5 Mio. Wohl sei der Kläger gegen die letztgenannte Bank mit einer Nachteiligkeitsanfechtung mangels entsprechender Behauptungen nicht durchgedrungen, was jedoch nicht die fiktive Aufteilung nach Kreditvolumen auf die einzelnen Banken verhindere. Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von EUR 404.261,59 sA (= ATS 5,562.760,81) statt. Das Mehrbegehren von EUR 467.812,42 sA (ATS 6,437.239,19) wies es ab.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass es durch die weitere Zurverfügungstellung des Kontokorrentkreditrahmens durch die beklagte Partei und eine entsprechende Inanspruchnahme durch die "B*****" über den 30. 11. 1993 hinaus zu einer stillschweigenden Verlängerung des Kontokorrentkreditvertrages gekommen sei. Die Zahlungen, die zu einer Saldoreduktion geführt hätten, seien daher im Sinn des § 30 Abs 1 Z 1 KO inkongruent gewesen, weil rechtlich darauf noch kein klagbarer Anspruch bestanden habe. Auch sei nicht vereinbart worden, dass der gesamte Geldverkehr über das Konto bei der beklagten Partei abzuwickeln sei. Mit der Saldoreduktion seien auch die Anfechtungstatbestände der §§ 30 Abs 1 Z 3 und 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO konsumiert, da auch diese mit der Saldoreduktion begrenzt seien.

Nach dem Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO sei die Anfechtung mit dem der Masse tatsächlich entstandene Nachteil oder dem (vereinbarten oder tatsächlich gewährten) Kreditrahmen beschränkt, je nach dem, welcher der beiden Beträge geringer sei. Danach sei das Anfechtungsvolumen mit dem Betrag von EUR 724.548,15 (= ATS 9,170.000,--) zu begrenzen. Eine Anfechtung nach diesem Tatbestand scheitere allerdings daran, dass die mittelbare Nachteiligkeit, wie von der Rechtsprechung verlangt, für die Beklagte objektiv nicht vorhersehbar gewesen sei. Der beklagten Partei habe die schlechte Finanzlage der "B*****" im anfechtungsrelevanten Zeitraum nicht bekannt sein müssen.

Mit seiner Berufung begehrte der Kläger den Zuspruch eines weiteren Betrages von EUR 320.286,56.

Die beklagte Partei begehrte mit ihrer Berufung die Abweisung des gesamten noch offenen Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen Folge und hob das angefochtene Urteil auf.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die im anfechtungsrelevanten Zeitraum erfolgten Zahlungen der späteren Gemeinschuldnerin nicht inkongruent im Sinn des § 30 Abs 1 Z 1 KO gewesen seien. Das stillschweigende Gewähren der Weiterausnützung des Kreditrahmens habe zu keiner Fälligkeitsverschiebung geführt, die beklagte Partei hätte jederzeit die Gesamtabdeckung des Kredites begehren können. Somit liege eine vergleichbare Situation wie bei einer nicht vereinbarten, jedoch geduldeten Überziehung eines Kreditrahmens vor, wo von der Rechtsprechung infolge des sofortigen Anspruches der Bank auf Abdeckung die Kongruenz solcher Abdeckungszahlungen angenommen werde. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei könne der Kläger seine Anfechtung jedoch allenfalls auf § 31 Abs 1 Z 2 erster und insbesondere zweiter Fall KO stützen, weil auch kongruente Zahlungen anfechtbar nachteilig sein könnten.

Trotz Gegenstimmen in der Literatur halte der Oberste Gerichtshof bis zuletzt daran fest, dass auch eine mittelbare Benachteiligung von Gläubigern durch weiteres Zurverfügungstellen von Kreditmitteln in der Krise dann anfechtbar sei, wenn diese Benachteiligung vorhersehbar sei. Für die Beurteilung dieser Vorhersehbarkeit mangle es jedoch noch an konkreten Feststellungen, aus denen sich ergebe, ob aus der Buchhaltung im November 1993 die offenbar negative Geschäftsentwicklung des laufenden Geschäftsjahres erkennbar gewesen sei. Weiters bedürfe es noch Feststellungen darüber, ob von den Geschäftsführern der "B*****" eine den Erfordernissen der von der Judikatur verlangten Fortführungsprognose erstellt worden war und wie diese ausgesehen hatte. Insbesondere bedürfe es noch der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wenngleich die Vorhersehbarkeit eine Rechtsfrage sei, seien die für die Beurteilung erforderlichen Umstände, insbesondere vorhandene oder möglicherweise beizuschaffende Unterlagen, der Tatfrage zuzuordnen. Da die Tatsachengrundlage noch nicht ausreiche, müsse mit einer Aufhebung vorgegangen werden. Im Rahmen der Nachteiligkeitsanfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO habe der Masseverwalter den von der Rechtsprechung (4 Ob 306/98y = SZ 71/210) für zulässig erkannten Weg beschritten, anstelle eines genauen Quotenvergleiches (vgl Weissel, "Die mittelbare Nachteiligkeit von Kreditgeschäften" in ÖBA 1992, 630 f) den Beweis dafür zu erbringen, dass die Gemeinschuldnerin im anfechtungsrelevanten Zeitraum nur Verlustgeschäfte abgeschlossen habe. Dieser Beweis sei dem Masseverwalter auch gelungen. Gelinge dem Masseverwalter der Beweis der Nachteiligkeit und stehe damit fest, dass der von der Bank eingeräumte revolvierende Kontokorrentkredit ein nachteiliges Rechtsgeschäft gewesen sei, sei zu prüfen, ob die Beklagte bei sorgfältiger Prüfung hätte annehmen dürfen, dass die Fortführung des Unternehmens den Ausfall der Gläubiger nicht vergrößern werde (4 Ob 306/98y). Zwar weise die neuere Rechtsprechung dem klagenden Masseverwalter die Beweislast für die objektive Vorhersehbarkeit der Nachteiligkeit zu, doch werde diese durch einen prima-facie-Beweis erleichtert: Die von Kreditgeschäften in der Krise ausgehende Gefahr des "Versickerns" der Geldmittel müsse prima facie angenommen werden, sodass der Masseverwalter etwa schon dadurch den Beweis erbringen könne, dass aus den Geschäftsbüchern, den Bilanzen, dem Lagebericht und ähnlichen Unterlagen des Unternehmens Umstände hervorgehen, die eine Sanierung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als unmöglich erscheinen lassen (6 Ob 110/00w). Dies könne die beklagte Bank dadurch entkräften, dass sie Umstände dartue, auf Grund welcher die ernsthafte Möglichkeit bestanden habe, dass sie die Nachteiligkeit doch nicht hätte erkennen müssen.

Sollte dem Masseverwalter der Beweis für die vorhersehbare Nachteiligkeit der weiteren Kreditgewährung gelingen, könne sich die beklagte Partei nicht darauf zurückziehen, dass auch zwei andere Banken dafür mitkausal gewesen seien. Diese Banken hafteten als Solidarschuldner gemeinsam mit der beklagten Partei für den eingetretenen Nachteil, ohne dass es auf die Relation des jeweiligen Kreditvolumens ankäme. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Konkursmasse durch die Geltendmachung des Nachteils nicht bereichert werden dürfe, sodass in Summe nur einmal für den eingetretenen Gesamtnachteil gehaftet werde, und zwar für jede Bank beschränkt durch den jeweiligen Kreditrahmen. Zwar habe kein Solidarschuldner Anspruch darauf, dass zunächst ein anderer Schuldner aliquot in Anspruch genommen werde, doch sei der Gesamtanspruch in dem Umfang erloschen, als ein Solidarschuldner - wie hier behauptet - Zahlung geleistet habe. Auch hiezu fehle es jedoch - trotz entsprechenden Vorbringens - an einer Feststellung.

Letztlich könne sich die beklagte Partei auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 69 Abs 2 KO berufen. Diese dem Gemeinschuldner gewährte 60-tägige Überlegungsfrist sei eine Maximalfrist und könne überdies nur im Falle ernsthafter Sanierungsbemühungen in Anspruch genommen werden. Da die beklagte Partei eine solche Sanierung nicht nur behauptet, sondern sogar deren Notwendigkeit in Abrede gestellt habe, komme es ohne weitere Überlegungen schon aus diesem Grund keinesfalls zu einer Anwendung des § 69 Abs 2 KO.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zunächst gebe es keine Rechtsprechung zur Frage, ob der Anfechtungsanspruch nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO dann (teilweise) erloschen sei, wenn der Masseverwalter mit der Anfechtung der Aufrechterhaltung des Kreditverhältnisses gegenüber einer anderen Bank durchgedrungen sei und von dieser Zahlung erlangt habe; weiters fehle auch Rechtsprechung zur Solidarhaftung mehrerer in der Krise kreditgewährender Banken. Rechtsprechung fehle auch zu einer allenfalls analogen Anwendung des § 69 Abs 2 KO zu Gunsten einer Gläubigerbank. Schließlich finde sich auch noch keine gesicherte Rechtsprechung dazu, ob Zahlungseingänge kongruent sind, wenn die Bank nach dem vertraglich vereinbarten Fälligkeitstermin eine Zeit lang die weitere Kreditausnützung toleriere.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Rekurse beider Parteien; derjenige des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Berufung der beklagten Partei keine Folge gegeben wird;

derjenige der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Parteien beantragen wechselseitig, den jeweils gegnerischen Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, dem jeweils gegnerischen Rekurs nicht Folge zu geben.

Beide Rekurse sind aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Rekurs des Klägers:

Das Berufungsgericht verweist zutreffend auf die Judikatur, nach dem Eingänge eines Kreditschuldners auf nicht gewährte Überziehungen wegen der sofortigen Fälligkeit jedenfalls kongruent sind (2 Ob 273/98f uva). Im vorliegenden Fall duldete die beklagte Partei nach bereits eingetretener Fälligkeit der Rückzahlung des gesamt ausgenützten Kredites zum 30 .11. 1993 dessen weitere revolvierende Ausnützung. Dies ging zwar über eine "reine Stundung" (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II12, 35 mwN) hinaus, jedoch sind die Konsequenzen, nämlich die Möglichkeit einer jederzeitigen unangekündigten Fälligstellung und Einklagung des offenen Saldos, dieselben. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung (2 Ob 128/99h = Bankarchiv 2000/848; SZ 56/168) ist nicht geeignet, diesen richtigen Standpunkt zu widerlegen. In diesen Fällen ging es nämlich um die vom Schuldner veranlasste vorzeitige Abdeckung des Passivsaldos eines Kontokorrentkredites, welche auch bei Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung, von der aber nicht Gebrauch gemacht wurde, als anfechtbare inkongruente Deckung angesehen wird. Im vorliegenden Fall ist aber die Parallele zur nicht vereinbarten Kreditüberziehung unübersehbar, zumal es keiner Kündigung seitens der beklagten Partei bedurfte, um einen Saldo (zu Lasten des Kreditschuldners) jederzeit einfordern zu können. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht, ausgehend von einem klagbaren Anspruch der beklagten Bank, inkongruente Kontoabdeckungen im relevanten Zeitraum verneint. Da ein Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 30 Abs 1 Z 3 KO nicht festgestellt werden konnte, ist der Anfechtungsanspruch des Klägers nur mehr unter dem Blickwinkel des § 31 Abs 1 Z 2 KO zu prüfen.

Zum Rekurs der beklagten Partei:

Die Kritik an der Rechtsprechung zur "mittelbaren Benachteiligung" (zuletzt Schummer, ÖBA 2002, 173 f) veranlasst den Senat nicht, von der Rechtsprechung abzugehen, welche einen gesetzgeberischen Willen in diese Richtung vermutet und dabei die im wirtschaftlichen Alltag immer wieder vorkommenden Insolvenzfälle im Auge hat, dass auch zahlungsunfähige Unternehmen durch die kreditgebenden Banken in der Hoffnung auf eine Sanierung über solange Zeit am Leben erhalten werden, dass Ausfallschäden in "astronomischer" Höhe entstehen (6 Ob 110/00w).

Es ist daher an dem Kompromiss im Meinungsstreit zwischen unmittelbarer und mittelbarer Nachteiligkeit festzuhalten, wonach die Nachteiligkeit für die Bank bei Abschluss des Geschäftes, genauer beim ersten angefochtenen Rechtsgeschäft, objektiv vorhersehbar gewesen sein muss (Bachmann, "Zur Anfechtung des Kontokorrentkredites als nachteiliges Rechtsgeschäft [§ 31 Abs 1 Fall 2 KO]" in ZIK 2002, 146 f mwN). Nach der Rechtsprechung (4 Ob 306/98y; 6 Ob 110/00w) stellt im Wege der erforderlichen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung die Aufrechterhaltung des Kontokorrentverhältnisses in der Krise das nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO anfechtbare Rechtsgeschäft dar. Die Ausführungen der beklagten Partei zu "Time-Lag" und Zug-um-Zug-Geschäft sind insoweit nicht zielführend, als nach der Judikatur auch das Vorliegen solcher Zug-um-Zug-Geschäfte die Anfechtung nach § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall nicht hindert (RIS-Justiz RS0111459) und demzufolge der Gesamtkreditrahmen bzw bei darunter liegendem Nachteil für die Gläubiger der letztgenannte Betrag die Anfechtungsgrenze darstellt.

Soweit sich die beklagte Partei darauf stützt, dass der eingetretene Nachteil (hier: im Wege einer Verlustrechnung dokumentiert; vgl 4 Ob 306/98y = SZ 71/210) nur zum Teil auf eine Kreditgewährung durch die beklagte Partei zurückgeführt werden könne und auch das Ableben eines Geschäftsführers mitkausal gewesen sei, ist ihr folgendes entgegenzuhalten: Zum einen wurde die Ursächlichkeit des Freitodes eines Geschäftsführers, wie schon vom Berufungsgericht zutreffend beurteilt, auch nicht annähernd konkret aufbereitet; zum anderen reicht für die Nachteiligkeitsanfechtung im Sinn des § 31 Abs 1 Z 2 zweiter Fall KO auch Mitkausalität der Handlungen des Anfechtungsgegners aus (6 Ob 110/00w).

Zur Berücksichtigung auch anderer aus dem Grunde vorhersehbarer Benachteiligung mit Anfechtung bedrohter Kreditgeber, deren Verhalten ebenfalls für den Eintritt des Nachteiles kausal war, ist Folgendes auszuführen:

Nach Koziol/Bollenberger in Bartsch/Pollak/Puchegger, Insolvenzrecht4 I Rz 3 zu § 38 KO) haften grundsätzlich mehrere Geschäftsgegner nur auf das jeweils aus der anfechtbaren Handlung Erlangte. Im vorliegenden Fall haben aber die Banken nicht die jeweiligen Eingänge des angefochtenen Zeitraumes zurückzustellen, sondern es geht um den Ausgleich der Quotenverschlechterung. Jedenfalls ist die Interessenlage mit jener des § 1302 ABGB durchaus vergleichbar: So, wie es für die Solidarhaftung bei fährlässiger Schädigung als angemessen angesehen wird, dass ein Einzelner aus den Unvorsichtigen statt des schuldlos Geschädigten den Schaden tragen soll, entspricht es diesem Grundsatz, dass die einzelnen "unvorsichtigen" Banken statt der schutzwürdigeren Gläubiger diese Verschlechterung solidarisch annehmen sollen. Einerseits lassen sich ihre Anteile an der Quotenverschlechterung nicht bestimmen - gemeinsam haben sie dem Gemeinschuldner den notwendigen Kredit für das "Weiterwursteln" (6 Ob 110/00w) gegeben -, andererseits sind sie gemeinsam für die Verschlechterung mitursächlich (Bachmann aaO 148). Diese Nähe zum Schadenersatzrecht wird auch von der Judikatur zur mittelbaren Nachteiligkeit gesehen (4 Ob 306/98y).

Mit seinem Auftrag zu ergänzenden Erhebungen hat das Berufungsgericht auch zutreffend berücksichtigt, dass kein Zweifel darüber bestehen sollte, dass die Konkursmasse nicht mehrmals die gesamte Quotenverschlechterung kassieren kann, weil sie sonst Vorteile erhielte, die sie ohne den anfechtbaren Vorgang nicht bekäme (Bachmann aaO 148).

Wenngleich in der Literatur (Bollenberger, ÖBA 1999, 421 f) neben der Begrenzung durch Kreditrahmen und Nachteil eine weitere Begrenzung des Anfechtungsanspruches auf die Kreditausweitung gefordert wird, kommt dies jedenfalls dann nicht in Frage, wenn - wie hier unterstellt - die Summe der in der Krise retournierten Beträge den Kreditrahmen erreichte (6 Ob 110/00w).

Der Forderung der Rekurswerberin nach einer analogen Anwendung der Frist des § 69 Abs 2 KO zu Gunsten eines mit Anfechtung bedrohten Gläubigers ist Folgendes entgegenzuhalten: Nach der Rechtsprechung (6 Ob 532/90) und überzeugender Lehrmeinung (Schumacher, "Sanierungsversuche in der 60-Tage-Frist" in ecolex 1990, 337 f; Widhalm, "Die Anfechtung des Kontokorrentkredites nach der Entscheidung 6 Ob 110/00w" in ecolex 2001, 369, 371) kommt auch nur demjenigen Gemeinschuldner diese Frist zustatten, der ernsthafte und erfolgversprechende Sanierungsbemühungen vornimmt. Da solche im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen sind, bedarf es letztlich keiner weiteren eingehenden Überlegungen dazu, ob überhaupt eine ungewollte Regelungslücke besteht, welche eine analoge Anwendung der Frist des § 69 Abs 2 KO auf anfechtungsbedrohte Gläubiger zuließe. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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