Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Willibald K***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,
- 1. im Freispruch des Angeklagten Helmut B***** zu II. und
- 2. in dem gegen Willibald K***** ergangenen Schuldspruch I.1. (zur Gänze) sowie im Schuldspruch dieses Angeklagten zu I.2. in der rechtlichen Unterstellung der festgestellten Tatsachen auch unter die Qualifikation des § 148 zweiter Fall StGB und demnach auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch
aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Willibald K***** verworfen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Willibald K***** und die Staatsanwaltschaft auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen. Dem Angeklagten Willibald K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Willibald K***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (I.1.) und des beim Versuch nach § 15 StGB verbliebenen Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB (I.2.) schuldig erkannt. Danach hat er
1. Anfang Jänner 2005 in Niederösterreich und Wien als Schuldner mehrerer Gläubiger dadurch, dass er Helmut B***** beauftragte, werthaltige Einrichtungsgegenstände von der Liegenschaft S***** in ein unter fremdem Namen angemietetes Lager bei der Firma S***** zu transportieren und in weiterer Folge zu verbringen, Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger geschmälert;
2. im September 2005 in der Justizanstalt Krems an der Donau mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Philipp B***** dazu bestimmt, dessen Vater Horst B***** anzurufen und durch Täuschung über Tatsachen nämlich der Behauptung, er (Philipp B*****) habe in Wien auch einen Handtaschenraub begangen und benötige zur Vermeidung einer Anzeige durch das Opfer 16.000 EUR, weshalb dieser (Horst B*****) diesen Betrag zur Weiterleitung an das Opfer in ein an „Novacek" adressiertes Kuvert in einem Kindergarten in Wien hinterlegen solle, zur Übergabe dieses Betrags zu verleiten versucht, wodurch dieser in seinem Vermögen geschädigt werden sollte. Helmut B***** wurde vom Anklagevorwurf, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Willibald K***** die unter I.1. angeführte Tat begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (II.). Gegen dieses Urteil hat Willibald K***** Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 zweiter Fall ergriffen. Die Staatsanwaltschaft bekämpft den zu II. ergangenen Freispruch des Helmut B***** mit einer auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Das Schöffengericht gelangte bei Helmut B***** zu einem Freispruch, weil es - „im Zweifel" - nicht feststellen konnte, „dass der Angeklagte B***** bei der Beiseiteschaffung der Gegenstände wusste, dass der Angeklagte K***** mehr als einen Gläubiger hatte, und mehrere Gläubiger des Willibald K***** oder wenigstens einen davon am Vermögen schädigen wollte bzw. auch nur ernstlich damit rechnete und sich damit auch abfand" (US 9). Beweiswürdigend bezogen sich die Tatrichter auf die Angaben der beiden Angeklagten und argumentierten insbesondere damit, dass „B***** beim Abtransport der Gegenstände zumindest von einem Gläubiger ('Karabulat') Kenntnis hatte", jedoch aus „dem weiteren Wissen, dass vielleicht eine Versicherung später (wenn K***** verurteilt wird) auf diese Gegenstände greifen könnte", nicht zwingend darauf zu schließen sei, „dass diese Versicherung oder eine andere Person oder Institution schon zum Zeitpunkt des Wegbringens der Gegenstände eine Forderung hatte, sodass zugunsten des Angeklagten B***** im Zweifel angenommen werden musste, dass er nur von einem Gläubiger Kenntnis hatte und dem Angeklagten K***** einfach nur helfen wollen, mit dem Erlös aus diesen Gegenständen die finanzielle Situation seiner Angehörigen zu verbessern" (US 18 f). Diese Begründung kritisiert die Staatsanwaltschaft mit Recht als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) weil eine Klarstellung unterblieb, weshalb die festgestellte Kenntnis des Helmut B***** von der „wirtschaftlichen Situation" der Familienangehörigen des Willibald K***** (US 6) keinen Schluss auf einen bedingten Vorsatz des Helmut B***** dahin, dass Willibald K***** (auch) Unterhaltsschuldner und damit Schuldner mehrerer Gläubiger war, ermöglichte.
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist die Begründung im Sinne der Beschwerdeargumentation, weil eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (bloß angeführten; US 16 f) Aussage des Zeugen Wolfgang F***** unterblieb. Aus dessen Angaben, wonach er die die Räumungsaktion durchführenden Personen - unter anderem Helmut B***** - aufgefordert hat, mit Pfändungsmarken versehene Gegenstände nicht mitzunehmen (S 31/III), hätte im Sinne des staatsanwaltschaftlichen Vorbringens nämlich durchaus auf die - vom Erstgericht verneinten - subjektiven Tatbestandsmerkmale, nämlich auf einen das Vorliegen der Subjektqualität bei Willibald K***** und die Schädigung eines Gläubigers mitumfassenden Eventualvorsatz geschlossen werden können. Gleiches gilt für ebenso unerörtert gebliebene Angaben des Angeklagten K*****, wonach er Helmut B***** informierte, dass sein Haus versteigert werden soll (S 9/III) und ihn bat, er möge dem „Karabulat" das Haus aufsperren und diesem zeigen, „dass die Finanz das (gemeint: im Haus befindliche Geräte) geholt hat" (S 23/III). Schon diese Urteilsmängel erfordern die Aufhebung des Freispruchs; ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Staatsanwaltschaft erübrigt sich damit.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Willibald K*****:
Vorweg ist anzumerken, dass der Rechtsmittelantrag auf eine Aufhebung des gesamten Schuldspruchs abzielt, die Rüge zum Schuldspruchpunkt I.2 inhaltlich aber nur die Annahme gewerbsmäßiger Begehung und damit die Unterstellung (auch) unter § 148 zweiter Fall StGB bekämpft, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde im darüber hinausgehenden Umfang mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt blieb (§ 285 iVm § 285a Z 2 StPO).
Zum Schuldspruchpunkt I.1.:
Das Verbrechen der betrügerischen Krida ist vollendet, wenn feststeht, dass ein Gläubiger infolge eines das Vermögen verringernden Verhaltens des Schuldners eine Forderung nur zum Teil oder gar nicht beglichen erhält; solange eine solche Auswirkung nicht sicher ist, kann die Vollendung des Verbrechens nicht angenommen werden. Wenn es trotz Gelingens der Vermögensverringerung nicht zur Gläubigerschädigung kommt, kann strafbarer Versuch vorliegen (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 [2006] Rz 19 f, 22 und 23). Soweit der Angeklagte in der Mängelrüge (Z 5) moniert, das Erstgericht habe nicht dargelegt, „warum seiner Ansicht nach schon die Räumungsaktion für die Gläubiger vermögensschädigenden Charakter hatte", macht er der Sache nach - im Ergebnis zutreffend - einen Feststellungsmangel geltend. Es wurde nämlich lediglich im Spruch vermerkt, dass durch die Verbringung werthaltiger Einrichtungsgegenstände die Befriedigung von Gläubigern des Beschwerdeführers geschmälert wurde. Konkrete - die Zurechnung als vollendetes Verbrechen tragende - Feststellungen, ob und welche Gläubiger durch die Tathandlung tatsächlich einen Forderungsausfall erlitten haben, fehlen hingegen; insoweit liegen nur Konstatierungen zur subjektiven Tatseite vor (US 6, 8 f und 22 f). Das Anführen des Deliktsmerkmals der Vermögensverringerung bloß im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag dieses Feststellungsdefizit zu objektiven Tatumständen in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 271).
Dieser Rechtsfehler begründet Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (12 Os 119/06a = EvBl 2007/130,700). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) weist zutreffend darauf hin, dass Vermögen dann nicht im Sinne des § 156 StGB (wirklich) verringert wird, wenn es nach der inkriminierten Handlung in seiner Gesamtheit unvermindert bleibt, also etwa bei Zahlung bestehender Verbindlichkeiten (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 [2006] Rz 10). Demnach hätte es aber im Sinne der Beschwerdekritik fallbezogen mit Blick auf die Verfahrensergebnisse, nämlich insbesondere die Einlassung des Angeklagten (welche ihren Niederschlag in den tatrichterlichen Feststellungen fand), wonach er für fünf minderjährige Kinder sorgepflichtig ist (vgl US 4), er ferner mit der Verbringung und Verwertung von Fahrnissen „(...) die Unterstützung seiner Gattin und der damals noch vier Kinder (...)" bezweckte (US 6) und zur Leistung von Unterhalt an seine Familie verpflichtet war (US 11), klärender Feststellung bedurft, ob und in welchem Umfang der Angeklagte tatsächlich Unterhaltsschulden gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern hatte, die er mit dem Erlös aus dem Verkauf der von seiner Liegenschaft verbrachten Sachen befriedigen wollte bzw befriedigt hat. Dieses Feststellungsmanko hindert die abschließende rechtliche Beurteilung, womit die Aufhebung des Schuldspruchs I.1. wegen Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erforderlich ist.
Zum Schuldspruchpunkt I.2.:
Gewerbsmäßigkeit setzt voraus, dass es dem Täter bei der Tat darauf ankommt, sich selbst durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es genügt nicht, wenn die Absicht des Täters darauf gerichtet ist, den Vorteil aus der wiederkehrenden Begehung von Taten in Form eines fortlaufenden Mittelzuflusses einem Dritten zuzuwenden; der Vorteil muss vielmehr vom Täter für die eigene Person angestrebt werden (RIS-Justiz RS0086573, RS0089670). Fremdnützigkeit, also das Abzielen auf eine fortlaufende Einnahme eines anderen, sei es eines Beteiligten (§ 12 StGB), sei es eines strafrechtlich unbeteiligten Dritten, genügt nicht; ob der Täter lediglich eine durch die Taten unmittelbar bewirkte Vermehrung des Vermögens eines Dritten anstrebt, ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu prüfen (Jerabek in WK² § 70 [2006] Rz 14).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend auf, dass der Schöffensenat keine ausreichenden Feststellungen für die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung getroffen hat. Denn es wird lediglich festgehalten, dass der Angeklagte eine - durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten unmittelbar bewirkte - fortlaufende Vermehrung des Vermögens seiner Familiengehörigen anstrebte (US 11 und 24). Erst im Rahmen der Beweiswürdigung wird - vage und missverständlich (weil im Kontext mit dem Hinweis, dass der Angeklagte „beim Versuch der Beschaffung eines hohen Geldbetrags für seine Familienangehörigen nicht nur sehr phantasievoll, sondern auch planmäßig unter Ausnützung aller sich ihm während einer Haft bietenden Gelegenheiten vorging" [US 22]) - der Überzeugung Ausdruck verliehen, „dass der Angeklagte K***** auch bei dieser Tat die Absicht hatte, bei jeder sich bietenden Gelegenheit sich ein möglichst hohes, 3.000 EUR weit übersteigendes Einkommen zu verschaffen" (US 22). Auch dieser Feststellungsmangel hindert insoweit die Gesetzesanwendung.
Der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass auch der Beschwerdeeinwand eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot durch erschwerende Wertung der Schadensqualifikation ungeachtet dessen, dass die Strafe nach dem höheren Strafsatz des § 148 StGB bemessen wurde, zutrifft (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; vgl Ebner in WK² § 32 Rz 69).
Im neuen Rechtsgang wird in Betreff der Helmut B***** angelasteten Straftat zu beachten sein, dass - sieht man von der Sonderregelung des § 161 Abs 1 StGB ab - nur der Schuldner mehrerer Gläubiger selbst unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) des Verbrechens nach § 156 StGB sein kann, während für andere Beteiligte die Täterschaftsformen des § 12 zweiter und dritter Fall StGB in Betracht kommen (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 [2006] Rz 3; 14 Os 125/02).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten Willibald K***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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