OGH 14Os2/08p

OGH14Os2/08p19.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 23. Oktober 2007, GZ 31 Hv 133/07b-108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Markus S***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (1.), des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2.) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** Christine W*****

1. im Juli 2006 durch das Versetzen eines Schlages in deren Gesicht in Form von Schwellungen der Lippen und der Mundregion am Körper verletzt

2. in den frühen Morgenstunden des 6. Jänner 2007 durch Versetzen mehrerer wuchtiger Messerstiche in den Brustbereich zu töten versucht und

3. in den frühen Morgenstunden des 6. Jänner 2007 kurz nach der unter 2. beschriebenen Tathandlung dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie durch die Behauptung gegenüber der ersteinschreitenden Polizeibeamtin Brigitte L*****, dass W***** und er sich gegenseitig abstechen hätten wollen und W***** ihm dabei seine eigene Stichwunde zugefügt hätte, des von Amts wegen zu verfolgenden Verbrechens des versuchten Mordes als mit einem Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Handlung falsch verdächtigt, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch war.

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 23. Oktober 2007 gestellten Antrags auf Vernehmung der (sowohl in der Hauptverhandlung vom 17. Juli 2007 [S 88 ff/IV] als auch vom 23. Oktober 2007 [S 208 f/IV] bereits vernommenen) Zeugin Birgit F***** Verteidigungsrechte nicht verkürzt.

Das Antragsvorbringen ließ nämlich nicht nur jeden Hinweis darauf vermissen, aufgrund welcher Umstände ein geändertes Aussageverhalten der bereits vernommenen Zeugin zu erwarten wäre, nachdem ihre Angaben vom Zeugen Horst T***** zumindest zum Teil bestätigt worden waren (S 209 f/IV) und der Zeuge Franz E***** den von ihr geschilderten Sachverhalt nicht völlig ausgeschlossen, jedoch als höchst unwahrscheinlich eingestuft hatte (S 211/IV), sondern zielte explizit auf eine bloße Wiederholung bereits getätigter - eigene Wahrnehmungen zum eigentlichen Tatgeschehen gar nicht umfassender - Aussagen, sohin auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (WK-StPO § 281 Rz 331; RIS-Justiz RS0098117).

Die Fragenrüge (Z 6) wendet sich gegen das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens der versuchten Tötung auf Verlangen nach §§ 15, 77 StGB.

Gegenstand von Eventualfragen ist ein von jenem der Hauptfrage abweichendes Tatgeschehen, welches - rechtlich konsequent - die Subsumtion des Prozessgegenstandes unter eine oder mehrere andere als jene strafbaren Handlungen zur Folge hätte, auf die sich die Hauptfrage bezogen. Prozessförmig vorgebrachte Kritik am Unterlassen von Eventualfragen muss sich demnach auf ein solches Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung berufen und jene strafbaren Handlungen nennen, nach denen eventualiter hätte gefragt werden sollen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 43 f; 15 Os 115/04).

An Stelle solcherart prozessordnungskonformer Argumentation zitiert die Fragenrüge - isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen - die Verantwortung des Angeklagten, wonach Christine W***** im Zuge des Tatgeschehens zum Schuldspruch 2. schrie: „Ich bin schuld, ich bin schuld, ich will auch". Weshalb diese Aussagepassage mit Blick auf die sonstige - jeglichen Verletzungs- oder gar Tötungsvorsatz sowie Suizidgedanken des späteren Tatopfers oder Äußerungen in diese Richtung bestreitende (S 25 ff/IV) - Einlassung des Angeklagten Anlass für die vermisste Eventualfrage nach (versuchter) Tötung auf Verlangen geben hätte sollen, wofür neben einem - über das aus einer Augenblicksstimmung entspringende bloße Einverständnis des Opfers hinausgehenden - ernsthaften Verlangen des Opfers das Vorliegen eines sowohl die Tötung als auch das ernstliche und eindringliche Verlangen und den Sterbewillen des Opfers umfassenden Vorsatzes des Täters Voraussetzung wäre (vgl Moos in WK² § 77 Rz 10 ff, 26 und 31 ff), lässt das Beschwerdevorbringen aber offen.

Indem der Beschwerdeführer die in Rede stehende Äußerung der Christine W***** spekulativ ergänzt und eigenständig dahin interpretiert, die Genannte habe damit „vom Angeklagten ernstlich verlangt, dass er ihr auch Messerstiche zuführt", wird Nichtigkeit aus Z 6 des § 345 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt.

Ebenso wenig wird deutlich, warum sich aus den Angaben des freiwilligen Rettungshelfers Franz B***** vor der Kriminalpolizei, wonach Christine W***** nach seinem Eintreffen am Tatort die Frage, was passiert sei, mit den Worten „Wir haben uns abgestochen (oder angestochen)." beantwortet hat, ein von den Sachverhaltsgrundlagen der Hauptfrage abweichendes - die oben aufgezeigten Voraussetzungen umfassendes - Tatsachensubstrat in Richtung des Verbrechens nach §§ 15, 77 StGB ergeben sollte.

Die - die Zusatzfrage 1/ betreffende - Instruktionsrüge (Z 8) vermisst zunächst Ausführungen dazu, „dass selbst eine Flucht des Opfers die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch nicht unter allen Umständen ausschließt, sondern vielmehr nur dann, wenn sich der Täter durch diese Flucht zur Aufgabe seines deliktischen Unternehmens bestimmen lässt". Im Anschluss werden - nach Ansicht des Beschwerdeführers auf freiwilligen Rücktritt vom Versuch hindeutende - Verfahrensergebnisse aufgezählt und daraus - unter eigenständiger Würdigung dieser Beweise - abgeleitet, dass eine Instruktion der Geschworenen dahingehend, dass „das Anrufen von Polizei und Rettung, die Zuhilfenahme der Nachbarn, welche vom Angeklagten gesetzte Maßnahme schließlich auch bewirkte, dass Christine W***** ärztlich versorgt und gerettet werden konnte, entscheidendes Kriterium für die Aufhebung der Versuchsstrafbarkeit ist", eine Bejahung der Zusatzfrage 1. zur Folge gehabt hätte.

Der Beschwerdeführer übersieht, dass Gegenstand der Rechtsbelehrung nach § 321 Abs 2 StPO nur Rechtsbegriffe, nicht aber aus den Verfahrensergebnissen abgeleitete tatsächliche Umstände sein können (Philipp, WK-StPO § 321 Rz 10, 13) und verfehlt solcherart eine prozessordnungskonforme Darstellung der Instruktionsrüge (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65 mwN).

Daran vermag auch der Verweis auf die - ersichtlich missverstandene - Entscheidung 15 Os 60/07y des Obersten Gerichtshofs nichts zu ändern, nach der eben gerade nicht die Unterlassung kasuistischer Ausführungen zu einer Flucht des Opfers in der Rechtsbelehrung, sondern fallbezogen die - ohne Stellungnahme zu den weiteren Voraussetzungen - erfolgte Instruktion der Geschworenen, dass beim unbeendeten Versuch eine Flucht der angegriffenen Person Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch jedenfalls ausschließe, Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO durch irreführende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung bewirkte.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) äußert unter Wiedergabe von Teilen der Niederschrift (wonach der Angeklagte Hilfe auch für sich selbst benötigte und das Opfer zunächst am Verlassen der Wohnung hinderte) und Verweis auf das schon in der Instruktionsrüge hervorgehobene Verhalten des Angeklagten nach der Tat, zunächst bloß Zweifel an den Erwägungen der Geschworenen zur Verneinung der auf Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB gerichteten Zusatzfrage 1/, und übergeht damit die mangelnde Relevanz der in § 331 Abs 3 StPO genannten Niederschrift bei der Geltendmachung aktenkundiger erheblicher Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 71; Philipp, WK-StPO § 331 Rz 10; RIS-Justiz RS0115549, RS0104982).

Indem der Beschwerdeführer sich neuerlich auf die - in der Hauptverhandlung relativierte (S 59 f/IV) - Aussage des Zeugen Franz B***** vor der Kriminalpolizei bezieht, zeigt er ebensowenig erhebliche Bedenken im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes auf wie mit dem Hinweis auf - durchwegs bloß unerhebliche Nebenumstände betreffende - Widersprüche in den Aussagen der Christine W***** in Betreff der Position, in der sie sich zu Beginn der Attacken des Angeklagten auf der Couch befand und ob sie dabei nackt oder bekleidet war. Gleiches gilt für den Einwand, aus dem Fehlen von Hämatomen und Druckspuren am Arm der Genannten sei die Unrichtigkeit ihrer Aussage, Markus S***** habe sie am Arm gepackt und in die Küche gezogen, abzuleiten.

Der Sache nach wird damit versucht, aus einzelnen Beweisergebnissen für den Angeklagten günstigere als die von den Geschworenen gezogenen Schlüsse abzuleiten und damit deren Beweiswürdigung außerhalb der Anfechtungskriterien des § 345 Abs 1 Z 10a StPO in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft (RIS-Justiz RS0100555, RS0116733).

Weshalb der Umstand, dass ungeklärt blieb, wie es dazu gekommen sei, dass „die Daunenjacke" im Brustbereich einen Ein- bzw Durchstich aufwies, Anlass für erhebliche Bedenken im Sinne der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO geben sollte, lässt die Rüge schließlich offen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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