OGH 7Ob10/08h

OGH7Ob10/08h7.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Tahira R*****, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mohammad R*****, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2007, GZ 42 R 344/07k-116, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Meidling vom 30. April 2007, GZ 2 C 101/03m-110, infolge Berufung des Beklagten bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 749,70 EUR (darin enthalten 124,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile, die Moslems sind, haben am 9. 2. 1994 vor einem Standesamt in Pakistan miteinander die Ehe geschlossen. Damals waren beide noch pakistanische Staatsbürger; inzwischen wurde der Beklagte, der seit Ende 2002 mit der Klägerin gemeinsam in Österreich lebte, Österreicher.

Am 23. 12. 2002 reisten die Streitteile nach Pakistan, um dort - wie die Klägerin meinte und der Beklagte vorgab - ein Kind zu adoptieren. Das wahre Bestreben des Beklagten war aber, die Scheidung der Ehe der Streitteile, die kinderlos geblieben war, zu erreichen. Über seinen Antrag („talaq") stellte ein pakistanisches Gericht einen Scheidungsbescheid aus, wonach die Ehe der Streitteile ab dem 22. 4. 2003 aufgelöst sei. Der Klägerin, die vom Scheidungsverfahren nicht informiert worden war, wurde der Scheidungsbescheid nicht zugestellt. Sie erhielt davon erst Kenntnis, nachdem auch sie nach Österreich zurückgekehrt und ihr vom Beklagten der Aufenthalt in der Ehewohnung verweigert worden war.

Ein auf Antrag der Klägerin gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Vergehen nach §§ 107 Abs 1 und 83 Abs 1 StGB durchgeführtes Strafverfahren endete gemäß § 259 Z 3 StPO mit Freispruch.

Im Juni 2004 lernte die Klägerin Riaz B***** kennen und ging mit diesem am 12. 8. 2004 im Rahmen einer moslemischen Zeremonie eine Verbindung ein.

Bereits am 30. 6. 2003 hatte die Klägerin gegen den Beklagten die gegenständliche Unterhaltsklage eingebracht. Zuletzt begehrte sie, den Beklagten, der ihr seit April 2003 keinen Unterhalt mehr geleistet hatte, zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 1.000 EUR von 1. 4. 2003 bis 31. 7. 2004 zu verpflichten. Die pakistanische Ehescheidung verstoße mangels Mitwirkungsmöglichkeit der Klägerin gegen den ordre public.

Der Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, die Ehe der Streitteile sei mit Wirkung ab 22. 4. 2003 rechtskräftig geschieden. Unterhaltsansprüche der Klägerin seien daher verfristet. Im Übrigen habe die Klägerin einen Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie gegen ihn Strafanzeige erstattet und das betreffende Strafverfahren mit Freispruch geendet habe.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es sei pakistanisches Recht anzuwenden. Dem pakistanischen moslemischen Ehemann stehe - einseitig - das Recht zu, die Ehefrau jederzeit ohne Gründe zu verstoßen (sog talaq). Die pakistanische Scheidung der Streitteile könne in Österreich nicht anerkannt werden, weil das rechtliche Gehör der Klägerin im Scheidungsverfahren nicht gewahrt worden sei und die Klägerin, bezogen auf den Zeitraum, für den Unterhalt begehrt werde, mit der Scheidung nicht einverstanden gewesen sei. Darüber hinaus sei die Scheidung in Pakistan als ordre public-widrig nicht anzuerkennen. Die Ehe der Parteien sei daher im verfahrensrelevanten Zeitraum (bis 31. 7. 2004) als aufrecht anzusehen. Bis dahin sei eine Lebensgemeinschaft der Klägerin nicht nachzuweisen gewesen. Der Freispruch des Beklagten im Strafverfahren lasse nicht zwingend den Schluss zu, dass dem Strafantrag (der Anzeige) der Klägerin tatsachenwidrige Behauptungen zugrundegelegen seien. Der Klägerin stehe daher ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann nach islamischem Recht widerspreche dem inländischen ordre public. Deshalb könne eine - wie hier - allein auf der Verstoßung der Ehefrau durch den Mann beruhende pakistanische Ehescheidung nicht anerkannt werden. Dieses Anerkennungshindernis unterliege auch nicht der Parteiendisposition. Aus der klaren Textierung des § 97 Abs 2 AußStrG ergebe sich nämlich, dass nur auf die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Parteien verzichtet werden könne, indem derjenige, dessen Gehör verletzt worden sei, mit der Entscheidung offenkundig einverstanden sei. Eine derartige Einschränkung finde sich in der Z 1 der genannten Gesetzesstelle jedoch nicht, woraus abzuleiten sei, dass eine Parteiendisposition darüber nicht in Frage komme. Der Freispruch des Beklagten im Strafverfahren bewirke nicht die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Ein Freispruch im Zweifel bedeute nämlich nur, dass ein Schuldbeweis im Rahmen des Strafverfahrens nicht erbracht habe werden können. Daraus könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Klägerin durch ihre Anzeige gegen ihre Treueverpflichtung verstoßen hätte.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob durch die religiöse Wiederverehelichung der Klägerin eine ausdrückliche Anerkennung der Scheidung stattgefunden habe, die zur Erlöschung des Unterhaltsanspruchs führte, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Beklagten gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die vom Beklagten im Anschluss an das Rekursgericht für im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich insofern nicht, als - wie der Oberste Gerichtshof im Einklang mit der einhelligen Lehrmeinung bereits wiederholt ausgesprochen hat (6 Ob 189/06x mwN; 3 Ob 130/07z) - eine nach islamischem Recht zulässige Scheidung der Ehe durch Verstoßung der Frau durch den Ehemann (talaq) dem inländischen ordre public widerspricht, also mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist. Dem vom Beklagten erwirkten pakistanischen Ehescheidungsbescheid steht demnach das Anerkennungshindernis des inländischen ordre public entgegen. Ein solcher Verstoß kann, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 130/07z ausgesprochen hat, durch Parteienvereinbarung nicht saniert werden. Selbst wenn sich etwa die Frau nachträglich mit der Scheidung einverstanden erklärt, vermag dies also nichts daran zu ändern, dass die in Pakistan beurkundete Ehescheidung nicht zu beachten ist. Lediglich die Verletzung des Parteiengehörs im ausländischen Verfahren wäre nach § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG disponibel, nicht aber der gegen öffentliche Interessen gerichtete Widerspruch gegen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (3 Ob 130/07z). Da hier das Gesetz keine Sanierungsmöglichkeit durch die Parteien vorsieht (§ 97 Abs 2 Z 1 AußStrG), kann dahinstehen, ob beziehungsweise ab wann die „religiöse" Eheschließung der Klägerin als Einverständnis mit der Scheidung aufzufassen ist.

Als Grund für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels macht der Beklagte auch noch geltend, dass das Berufungsgericht von oberstgerichtlicher Judikatur abgewichen sei, weil es die Erhebung der Strafanzeige gegen ihn nicht als - den Unterhaltsanspruch verwirkende - Treuepflichtverletzung der Klägerin gewertet habe.

Dabei wird vom Revisionswerber übersehen, dass die Strafanzeige nur dann eine schwere Eheverletzung in Form eines Verstoßes gegen die Treuepflicht darstellen könnte, wenn feststünde, dass der strafrechtlich relevante Vorwurf unberechtigterweise - etwa aus einer feindlichen Einstellung oder aus Rache (vgl RIS-Justiz RS0056902) - erhoben worden wäre. Dies steht hier nicht fest, da der Beklagte gemäß § 259 Z 3 StPO („im Zweifel") freigesprochen wurde. Demnach geht der Vorwurf, die Entscheidung des Berufungsgerichts weiche von oberstgerichtlicher Judikatur ab, ins Leere.

Da auch sonst keine Rechtsfragen von der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu beantworten waren, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs konnten sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen hat, hat ihr dieser die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

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