OGH 3Ob130/07z

OGH3Ob130/07z28.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Maher M*****, vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, und 2.) Sawsan A*****, vertreten durch Dr. Kurt Janek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anerkennung einer ägyptischen Entscheidung über die Ehescheidung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. März 2007, GZ 42 R 657/06p-11, womit dem Rekurs der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 31. Oktober 2006, GZ 45 Nc 15/06i-3, Folge gegeben und beide Anträge auf Rechtswirksamerklärung der Entscheidung des ägyptischen Amtsgerichts El Sayed Zeinab vom 29. März 2005 zurückgewiesen wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien haben am 29. Jänner 1993 vor einem Standesamt in Ägypten die Ehe geschlossen. Beide Antragsteller sind mittlerweile österreichische Staatsangehörige. Mit der Scheidungsurkunde des ägyptischen Amtsgerichts El Sayed Zeinab vom 29. März 2005 wurde die Erklärung des Ehemanns, wonach er sich von seiner Ehefrau gemäß islamischem Recht getrennt habe, wodurch die Ehe endgültig aufgelöst worden sei, beurkundet. Beide Antragsteller gehören der islamischen Religion an und hatten zum Zeitpunkt der Beurkundung ihren ständigen Wohnsitz in Wien. Die Frau wurde bei der Beurkundung der ausgesprochenen Scheidung nicht beigezogen. Der Mann hat in der Zwischenzeit am 28. November 2005 auf einem Standesamt in Wien neuerlich geheiratet. Der Standesbeamte war der Ansicht, dass die in Ägypten durchgeführte Ehescheidung rechtsgültig sei. Am 30. Oktober 2006 beantragte die Frau die Anerkennung der in Ägypten durchgeführten Ehescheidung für den österreichischen Rechtsbereich. Sie habe zwar von der Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Kenntnis gehabt, sie wolle aber mit dem Ehemann nicht mehr verheiratet sein und sei mit der Ehescheidung einverstanden.

Am 31. Oktober 2006 stellte auch der Mann den Antrag auf Anerkennung der in Ägypten erfolgten Scheidung.

Das Erstgericht anerkannte die Wirksamkeit der Entscheidung des ägyptischen Amtsgerichts für den österreichischen Rechtsbereich. Die Anerkennung widerspreche zwar den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, weil der Frau im ausländischen Verfahren kein Gehör gegeben worden sei. Die Frau sei aber mit der Scheidung einverstanden.

Das Rekursgericht änderte über den Rekurs der Frau, die die Zurückweisung des Antrags des Mannes auf Anerkennung der Entscheidung des ägyptischen Amtsgerichts beantragt hatte, die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es die Anträge beider Eheleute zurückwies.

Die zweite Instanz bejahte die Rekurslegitimation der Frau, obwohl das Erstgericht ihrem Antrag stattgegeben hatte. Vom Grundsatz der Unzulässigkeit der Anfechtung einer antragsgemäß ergangenen Entscheidung bestehe eine Ausnahme, wenn es sich um eine Entscheidung handle, die der Parteidisposition entzogen sei. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung könne von den Parteien nicht vergleichsweise geregelt werden. Bei der Entscheidung des ägyptischen Amtsgerichts handle es sich um keine anerkennungsfähige Entscheidung iSd § 97 AußStrG. Aus der Textierung der (vom Rekursgericht) wörtlich wiedergegebenen Übersetzung der Scheidungsurkunde sei iSd oberstgerichtlichen Entscheidung 6 Ob 189/06x abzuleiten, dass nur eine „private Entscheidung" des die Scheidung aussprechenden Mannes vorliege und das ausländische Gericht nur die Erklärung des mit zwei Zeugen erschienenen Mannes beurkundet, nicht aber die Scheidung ausgesprochen habe. Dies könne nicht unter dem Begriff einer anerkennungsfähigen Entscheidung iSd § 97 AußStrG subsumiert werden. Die Anerkennung komme aber auch wegen eines Verstoßes gegen ordre public nicht in Frage (§ 97 Abs 2 Z 1 AußStrG). Die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann nach islamischem Recht verstoße gegen den inländischen ordre public. Dieses Anerkennungshindernis unterliege nicht der Parteidisposition. Lediglich auf die Verletzung des Parteigehörs könne verzichtet werden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Rekursentscheidung sich an der oberstgerichtlichen Rsp orientiert habe.

Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Mann die Abänderung dahin, dass der Rekurs der Antragstellerin zurückgewiesen (hilfsweise abgewiesen) werde.

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Bejahung der Rekurslegitimation der Frau gegen den ihrem Antrag stattgebenden erstinstanzlichen Beschluss ist durch oberstgerichtliche Rsp gedeckt. Ausnahmsweise wird eine Rechtsmittelbefugnis in den Fällen bejaht, wenn die Entscheidung der Parteiendisposition entzogen und von Amts wegen zu treffen ist (SZ

10/195; 5 Ob 205/72; 1 Ob 6/75; 6 Ob 10/76; 4 Ob 506/78 = EFSlg

32.440; 1 Ob 624/78; 1 Ob 620/86; 6 Ob 17/87 = SZ 60/222; 2 Ob

639/90, RIS-Justiz RS0006471; RS0006587). Auch wenn dieser Rechtssatz in der überwiegenden Anzahl der zitierten Entscheidungen nur obiter geäußert wurde, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass durch Parteienantrag nicht gegen zwingendes Recht verstoßende Gerichtsentscheidungen herbeigeführt werden dürfen, wie dies etwa in der Frage der Bejahung des Wohls eines Betroffenen an einem vom Gericht zu genehmigenden Erbübereinkommen ausgesprochen wurde (2 Ob 639/90). Umso mehr muss dies hier für die Beurteilung der Frage gelten, ob der Rechtswirksamkeit der ausländischen Entscheidung über die Ehescheidung das Anerkennungshindernis des inländischen ordre public entgegensteht, ob also eine völlige Unvereinbarkeit mit der österreichischen Rechtsordnung gegeben ist (vgl. dazu 3 Ob 233/06w uva). Ein solcher Verstoß kann nicht durch Parteienvereinbarung saniert werden. Der Revisionsrekurswerber kann sich daher in der Frage der Rekurslegitimation der Frau nicht auf die Rsp berufen, dass antragsgemäß ergangene Entscheidungen vom Antragsteller nicht angefochten werden können.

2. In seiner hilfsweisen meritorischen Begründung hat das Rekursgericht im Einklang mit der zitierten Entscheidung 6 Ob 189/06x die nach islamischem Recht zulässige Scheidung der Ehe durch Verstoßung der Frau durch den Ehemann als dem inländischen ordre public widersprechend beurteilt. Dass eine solche Unvereinbarkeit mit der österreichischen Rechtsordnung unbeachtlich sein sollte, weil die Frau mit der Scheidung (hier nachträglich) einverstanden ist, kann entgegen dem Revisionsrekursvorbringen der Begründung der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung nicht entnommen werden. Lediglich die Verletzung des Parteiengehörs im ausländischen Verfahren wären disponibel (arg.: § 97 Abs 2 Z 2 AußStrG), nicht aber der gegen öffentliche Interessen gerichtete Widerspruch gegen Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung. Hier sieht das Gesetz keine Sanierungsmöglichkeit durch die Parteien vor (§ 97 Abs 2 Z 1 AußStrG).

3. Hat das Rekursgericht aber ohne Rechtsirrtum einen Verstoß gegen den ordre public bejaht, kann sich der Revisionsrekurswerber durch die von ihm bekämpfte Rechtsansicht, es läge überhaupt keine anerkennungsfähige ausländische Scheidungsentscheidung vor, nicht für beschwert erachten, weil es in Ansehung der Rechtsfolgen keinen Unterschied macht, ob die Parteienanträge auf Anerkennung der Entscheidung des ägyptischen Amtsgerichts zurückgewiesen wurden oder aber wegen des Verstoßes gegen den inländischen ordre public abzuweisen gewesen wären. In beiden Fällen können die Parteien wegen der Rechtskraft und der Bindungswirkung sowohl eines Zurückweisungsbeschlusses als auch eines Abweisungsbeschlussses kein neuerliches Begehren auf Anerkennung der ausländischen Entscheidung stellen. Der Fall ist also demjenigen vergleichbar, dass sich ein Rekurswerber durch die Zurückweisung seines Rechtsmittels durch das Rekursgericht nicht für beschwert erachten kann, wenn das Rekursgericht den Rekurs auch inhaltlich prüfte und für unberechtigt hielt (6 Ob 144/05b uva).

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