OGH 6Ob294/07i

OGH6Ob294/07i24.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Srl*****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Konzett Rechtsanwalt GmbH in Bludenz, wegen 698.620,82 EUR sA (Revisionsinteresse 381.620,82 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2007, GZ 2 R 169/07f-58, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin ist im Gegensatz zum Berufungsgericht der Auffassung, durch die Vereinbarung der „Basics" zwischen den Parteien seien die gesetzlichen Verzugsfolgen des § 918 ABGB abbedungen worden; Lieferverzüge von weniger als drei Wochen seien somit „verzugsneutral", längere Lieferverzüge führten lediglich zu Sonderrabatten, nicht jedoch zu Verspätungsschäden auf Basis von Umsatzeinbußen oder Imageschäden.

Damit übersieht sie, dass die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936, RS0042776). Ein derartiger Vorwurf ist dem Berufungsgericht jedoch im vorliegenden Verfahren nicht zu machen. Dass die Vertragsbestimmung „Sofern [die Klägerin] das bestätigte Lieferdatum um mehr als drei Wochen überschreitet, ist [die Beklagte] berechtigt, die gesamte Ware (auf Kosten und auf Risiko [der Klägerin]) zurückzusenden oder einen Sonderrabatt dafür zu verhandeln." keine abschließende Regelung der Verzugsfolgen darstellen kann, ergibt sich schon allein aus der weiteren Vertragsbestimmung „Im Fall von Lieferverzug behalten wir [die Beklagte] uns das Recht auf Bezahlung einer später in diesem Dokument festgelegten Vertragsstrafe als Entschädigung für die daraus entstehenden Nachteile vor .".

2. Weiters meint die Klägerin, die Beklagte habe im Verfahren erster Instanz weder ihre normalen noch ihre erhöhten durchschnittlichen Abverkaufsquoten konkret behauptet; das Berufungsgericht habe deshalb seiner Entscheidung „überschießende Feststellungen" zugrunde gelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können „überschießende Feststellungen" des Erstgerichts, also tatsächliche Feststellungen, die an sich nicht durch ein entsprechendes Prozessvorbringen gedeckt sind, bei der rechtlichen Beurteilung jedenfalls dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie in den Rahmen eines geltend gemachten Klagegrunds oder einer bestimmten Einwendung fallen (RIS-Justiz RS0037972). Bei der Beurteilung, ob bestimmte Feststellungen tatsächlich „überschießend" sind, handelt es sich um eine einzelfallbezogene Wertung, die keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO verwirklicht und die daher die Zulässigkeit der Revision - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - nicht rechtfertigt (8 Ob 48/06a). Dass die Beklagte im Verfahren erster Instanz behauptet hat, sie sei auf Grund des Lieferverzugs der Klägerin gezwungen gewesen, die Waren nach der Saison zu viel günstigeren Preisen über ihre Factory Outlets abzugeben oder an Dritte zu einem Preis zu veräußern, der unter dem Einkaufspreis lag, erkennt die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision selbst; die Feststellung der konkreten Abverkaufsquoten war damit jedoch vom Vorbringen der Beklagten zur geltend gemachten Einwendung gedeckt.

3. Das Berufungsgericht hat sich bei Feststellung der Umsatzeinbußen der Beklagten durch Abverkauf unter dem Einstandspreis bzw Abverkauf in Factory Outlets und den daraus resultierenden Schäden der Beklagten auf eine Schätzung gemäß § 273 ZPO bezogen und dies ebenso wie das auf diesem Weg ermittelte Ergebnis umfangreich begründet. Die Klägerin hält in ihrer außerordentlichen Revision sowohl die Anwendung dieser Bestimmung als auch die Berechnungsmethoden des Berufungsgerichts für verfehlt.

3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Frage, ob § 273 ZPO anzuwenden ist, eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die mit Mängelrüge zu bekämpfen ist; soweit das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Verfahren - die Anwendung des § 273 ZPO billigte, ist daher eine nochmalige Überprüfung imRevisionsverfahren nicht mehr möglich (stRsp, s 6 Ob 70/05w).

3.2. Die nach § 273 ZPO erfolgte Betragsfestsetzung ist demgegenüber zwar als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0111576, RS0040341); solange dem Berufungsgericht jedoch kein an die Grenze des Missbrauchs gehender Fehler unterlief oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde, ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auch aus Gründen der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zu verneinen (3 Ob 263/00y; 3 Ob 315/00w; 3 Ob 218/07s). Ein derartiger Fehler kann in der Gegenüberstellung der Abverkaufsquoten durch das Berufungsgericht nicht erkannt werden.

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