OGH 15Os127/07a

OGH15Os127/07a21.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas K***** wegen Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Ried im Innkreis vom 27. August 2007, GZ 21 Hv 9/07z-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Thomas K***** der Verbrechen (zu I./1./) nach § 206 Abs 1 StGB, (zu I./2./) nach § 206 Abs 1 StGB und in einem Fall nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, sowie der Vergehen (zu II./) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB in der bis 30. April 2004 geltenden Fassung, sowie (zu III./) des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Mauerkirchen

I./ von Oktober 1998 bis Ende August 2004 mit unmündigen Personen in wiederholten Angriffen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er mit diesen wechselseitig Oralverkehr durchgeführt hat und zwar

1./ mit dem am 26. Jänner 1994 geborenen Thomas K*****

2./ mit dem am 24. Oktober 1996 geborenen Patrick K*****, wobei die Tat in einem Fall eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine „chronische posttraumatische Belastungsstörung" (schweres Trauma) zur Folge gehabt hat,

II./ durch die zu I./ dargestellten Taten in der Zeit von Oktober 1998 bis April 2004 unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person diese zur Unzucht missbraucht, sowie

III./ durch die zu I./ dargestellten Taten in der Zeit von Mai 2004 bis August 2004 mit in absteigender Linie verwandten minderjährigen Personen, nämlich seinen Enkelkindern, geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 6, 8, 12 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge nach Z 4 zeigt keinen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen § 271 StPO auf. Ein solcher ist nur die Unterlassung der Erstellung eines Hauptverhandlungsprotokolls überhaupt (vgl Danek, WK-StPO § 271 Rz 5), nicht hingegen die hier kritisierte Unterlassung der Protokollierung der Rechtsbelehrung der Geschworenen.

Die Fragenrüge (Z 6) behauptet, die Hauptfragen 3 und 4 (nach den Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB) seien nicht anklagekonform gestellt worden, weil in der Anklage „niemals von der Ausnützung der Stellung des Angeklagten gegenüber einer seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person die Rede" gewesen sei. Dabei legt die Beschwerde nicht dar, warum durch die zusätzliche Aufnahme weiterer Tatbestandsmerkmale eine andere als die iSd § 312 Abs 1 StPO „der Anklage zugrunde liegende" Tat bezeichnet worden sei.

Denn § 312 StPO verpflichtet den Schwurgerichtshof keineswegs, den Anklagetenor wortgetreu in der Fragestellung zu reproduzieren, und berechtigt ihn auch nicht, allfällige Fehler des Anklagesatzes in die Frage aufzunehmen. Er hat vielmehr anhand der Anklagebegründung zu prüfen, welcher strafbaren Handlung der Angeklagte beschuldigt wird und sodann alle gesetzlichen Merkmale dieser Handlung, und zwar auch solche, die im Anklagesatz allenfalls fehlen, in die Frage aufzunehmen (vgl Schindler, WK-StPO § 312 Rz 11).

Im konkreten Fall hat der Schwurgerichtshof richtig erkannt, dass es für die Tatbestandsmäßigkeit der dem Angeklagten nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2006/56 zur Last liegenden Taten, soweit diese vor dem 1. Mai 2004 begangen worden sind, nicht nur - im Sinn des Anklagetenors - erforderlich ist, dass dieser sie gegenüber seinen Enkelkindern begangen hat, sondern auch, dass dies unter Ausnützung der Stellung des Angeklagten gegenüber diesen seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden minderjährigen Personen geschah. Die Hauptfragen wurden daher gesetzeskonform gestellt.

Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass die - von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht kritisierte - Unterstellung des Schuldspruchs II./ nach § 212 Abs 1 StGB aF anstelle § 212 Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl I 2004/15 und BGBl I 2005/56 angesichts gleicher Strafrahmen zwar § 61 StGB widerspricht, aber nicht zum Nachteil des Angeklagten erfolgte, sodass es keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO bedarf.

Entgegen der - soweit nicht am Gesetz orientierten - Instruktionsrüge (Z 8) ist eine gesonderte Protokollierung der Erteilung der Rechtsbelehrung gesetzlich nicht vorgesehen, genügt es gemäß § 321 Abs 1 StPO doch, dass die vom Vorsitzenden unterfertigte schriftliche Rechtsbelehrung dem Hauptverhandlungsprotokoll angeschlossen wird und allenfalls in der mündlichen Rechtsbelehrung erfolgte - hier nicht aktuelle - Änderungen oder Ergänzungen der Niederschrift über die Rechtsbelehrung in einem Anhang beigefügt werden (§ 323 Abs 1 StPO). Lediglich allfällig über Ersuchen des Obmanns der Geschworenen erfolgte ergänzende Belehrungen iSd § 327 Abs 1 StPO sind gesondert zu protokollieren (§ 327 Abs 2 StPO), im Übrigen wird aber über die Beratung der Geschworenen kein Protokoll geführt (§ 327 Abs 3 StPO).

Die Subsumtionsrüge (Z 12) orientiert sich mit der - mit eigenständiger Beweiswürdigung verknüpften - Behauptung, die Folge der schweren Körperverletzung und damit die Qualifikation nach § 206 Abs 3 StGB sei dem Angeklagten mangels Fahrlässigkeit nicht zurechenbar, nicht am erfolgten Wahrspruch und legt, soweit sie in diesem Zusammenhang weiters das Fehlen von Feststellungen behauptet, auch nicht dar, warum dieser auch die von § 7 Abs 2 StGB subintelligierte Fahrlässigkeit anführen müsste (RIS-Justiz RS0089376; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 33).

Der mit Beziehung auf diese Gesetzesstelle erhobene Einwand „unterbliebener oder fehlerhafter Rechtsbelehrung" vernachlässigt entgegen der Prozessordnung die den Geschworenen dazu tatsächlich erteilte (ausführliche) Instruktion.

Die Sanktionsrüge (Z 13) macht mit der Forderung, das Geschworenengericht hätte die Strafe unter Anwendung des § 41 StGB ausmessen sollen, keinen Nichtigkeits-, sondern lediglich einen Berufungsgrund geltend (RIS-Justiz RS0091303).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1 und 2, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte