Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§§ 402 Abs 4, 78 EO).
Text
Begründung
Die Klägerin (gefährdete Partei) und der Beklagte (Gegner der gefährdete Partei) sind in aufrechter Ehe miteinander verheiratet. Nach den Feststellungen hat die Klägerin am 12. 7. 2006 die gemeinsame Ehewohnung verlassen. Sie verfügt über kein eigenes Einkommen und bezieht vom Beklagten keine Unterhaltsleistungen. Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen haben die von der Klägerin behaupteten Gewaltanwendungen und Drohungen des Beklagten weder am 12. 7. 2006 noch im Zeitraum davor stattgefunden. Eine ehewidrige Beziehung der Klägerin zu Florian M***** besteht nicht.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klägerin dadurch, dass sie grundlos und ohne Zustimmung des Beklagten aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, eine schwere Eheverfehlung gesetzt hat, die zur (gänzlichen) Verwirkung ihres mittels Antrags auf einstweilige Verfügung geltend gemachten Unterhaltsanspruchs führt.
Rechtliche Beurteilung
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs sieht die Klägerin eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass sich der Oberste Gerichtshof in Bezug auf die Unterhaltsverwirkung mit der Entscheidung 2 Ob 193/06f vom „Alles oder Nichts-Prinzip" abgewendet habe. Vielmehr sei eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen; eine gänzliche Unterhaltsverwirkung sei nur in besonders krassen Fällen gerechtfertigt.
Damit wird aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung nur besonders krasse Fälle die Annahme einer Unterhaltsverwirkung des an sich unterhaltsberechtigten Ehegatten rechtfertigen (RIS-Justiz RS0009759). Ob ein derartiger Fall vorliegt, in welchem die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs grob unbillig erscheinen würde, ist einzelfallbezogen zu beurteilen und stellt grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0005529 [T1], RS0009759 [T13]).
Richtig ist weiters, dass der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung 2 Ob 193/06f (= Zak 2007/228, 132 = iFamZ 2007/80, 164 = EF-Z 2007/65, 104) vom „Alles oder Nichts-Prinzip" abgegangen ist; demnach ist auch im Provisorialverfahren über das Begehren einstweiligen Unterhalts nach § 382 Z 8 lit a EO eine Interessenabwägung entsprechend § 68a EheG vorzunehmen. In diese sind - ohne dass ein „theoretisches Unterhaltsverfahren nach § 68a EheG" erforderlich wäre - neben den zur Bejahung des Rechtsmissbrauches führenden Eheverfehlungen jedenfalls auch das Verhalten des unterhaltspflichtigen Ehepartners, die Dauer und die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, das Wohl vorhandener Kinder sowie der Bedarf des Unterhalt ansprechenden Ehegatten einzubeziehen. Im vorliegenden Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass zwar auf der einen Seite eine schwere Eheverfehlung der Klägerin festgestellt ist, dass sie aber auf der anderen Seite ungeachtet ihrer Bescheinigungspflicht (siehe E. Kodek in Angst, § 382 EO Rz 39) weder ein ehewidriges Verhalten des an sich während aufrechter Ehe unterhaltspflichtigen Beklagten noch das objektive Fehlen einer Erwerbsmöglichkeit und damit eines Unterhaltsbedarfs ihrerseits bescheinigen konnte, sodass keine Grundlage für die von ihr geforderte Interessenabwägung besteht.
Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes iSd § 528 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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