OGH 15Os148/07i

OGH15Os148/07i17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas P***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 letzter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 23 Hv 269/07b des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25. Oktober 2007, AZ 7 Bs 478/07p, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Andreas P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Nach den (erkennbar übernommenen [BS 5 iVm mit 2] - zu den Beschlussvoraussetzungen siehe RIS-Justiz RS0116421 -) Annahmen des Oberlandesgerichtes Innsbruck ist Andreas P***** dringend verdächtig 1./ von 11. bis 15. Februar 2007 in Lustenau und Thal (Schweiz) Maria V***** mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, indem er sie an den Oberarmen festhielt und ihr Faustschläge androhte, sie, ihre Verwandtschaft und ihre Bekannten mit dem „Fertigmachen" bedrohte, sich eine Schusswaffe in den Mund steckte und ihr mit seinem Selbstmord drohte, zum Fortsetzen der Beziehung zu ihm genötigt zu haben,

2./ am 26. Februar 2007 in Vorarlberg Marco R***** mit dem „Umbringen, Erschießen, Herschlagen, Fertigmachen" gedroht zu haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen,

3./ am 27. Februar 2007 in Vorarlberg Marco R***** durch gefährliche Drohung, nämlich dass er seinen Eltern die Knochen brechen werde und dann zu ihm kommen werde, zur Abstandnahme von weiteren Kontakten zu Maria V***** zu nötigen versucht zu haben,

4./ in Dornbirn vom 24. September bis 4. Oktober 2007 eine Schusswaffe besessen zu haben, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Die über den Beschuldigten am 5. Oktober 2007 verhängte Untersuchungshaft wurde mit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b und c StPO (BS 5 iVm 1) fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten; sie schlägt fehl.

Soweit sie - den festgestellten Sachverhalt in objektiver Hinsicht nicht in Frage stellend - die subjektive Tatseite unter bloßem Verweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers bestreitet und behauptet, die Äußerungen des Beschuldigten seien „niemals ernst gemeint" und bloße „Unmutsäußerungen" gewesen, unterlässt sie die erforderliche, gemäß § 10 GRBG nach den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO vorzunehmende Auseinandersetzung mit der Argumentation des Oberlandesgerichtes (vgl RIS-Justiz RS0112012). Abgesehen davon wurde die Dringlichkeit des Tatverdachtes in der Beschwerde gegen den Beschluss des Untersuchungsrichters nicht bekämpft, weshalb es insoweit auch an der Erschöpfung des Instanzenzuges mangelt (vgl 11 Os 41/06y, 13 Os 49/07s; RIS-Justiz RS0114487).

Bemerkt wird, dass eine Drohung mit Selbstmord (vgl dazu Schwaighofer in WK² § 105 Rz 53; Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 51; Seiler, SbgK § 105 Rz 55) nur dann eine zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 105 StGB geeignete gefährliche Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB sein kann, wenn sie sich ihrem Bedeutungsinhalt nach unter einem als auch gegen den Bedrohten selbst oder eine diesem nahestehende dritte (DokStGB 119) Person (Sympathieperson) gerichtete Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen erweist, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl SSt 62/50). Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Die Beschwerde zeigt jedoch keinerlei Willkür bei der Annahme des Haftgrunds der Fluchtgefahr auf. Soweit sie sich auf § 180 Abs 3 erster Satz StPO bezieht, vernachlässigt sie, dass der Beschuldigte nach den Annahmen des Oberlandesgerichtes (BS 6) erst am 16. Juli 2007 aus einer Schweizer Strafanstalt geflüchtet ist und sich seither unangemeldet in Dornbirn aufgehalten hat.

Auch die Annahme des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und c StPO erfolgte nicht willkürlich. Soweit die Grundrechtsbeschwerde damit argumentiert, dass der Beschuldigte seine Drohungen in den (richtig: rund acht) Monaten seit den Taten nicht ausgeführt habe, kommt dem schon deshalb keine Bedeutung zu, als ihm der Haftgrund der Ausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit d StPO gar nicht angelastet wird und für die Annahme des Haftgrunds nach lit b und c leg cit bei Vorwürfen in Richtung §§ 105 und 107 StGB die Befürchtung der zukünftigen Begehung von Tötungs- oder Verletzungshandlungen nicht erforderlich ist. Die Konstatierung nicht bloß einer sondern zweier einschlägiger Vorverurteilungen durch das Oberlandesgericht steht - der Grundrechtsbeschwerde zuwider - mit der Aktenlage im Einklang (ON 15).

Die Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel blieb nicht unerörtert, sondern wurde begründet verneint (BS 6), wobei die Aufhebung der Untersuchungshaft gegen Kaution (§ 190 Abs 1 StPO) schon deshalb ausscheidet, weil sich der Beschuldigte nicht ausschließlich aus dem Grund des § 180 Abs 2 Z 1 StPO in Haft befindet.

Soweit die Grundrechtsbeschwerde Unverhältnismäßigkeit der Haft im Hinblick darauf reklamiert, dass diese „nunmehr seit nahezu zwei Monaten" andauere, orientiert sie sich nicht am allein maßgebenden Zeitpunkt des (20 Tage nach Haftverhängung ergangenen) angefochtenen Beschlusses.

Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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