Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Hepolite O***** und Sandra Z***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
Danach haben sie am 20. Mai 2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer Menge, die zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmacht, von den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt, indem sie 2908,1 Gramm brutto Heroin und 437,2 Gramm brutto Kokain, beinhaltend 104 Gramm (+/- 16 Gramm) reines Heroin, 29 Gramm (+/- 3,7 Gramm) reines Monoacetylmorphin und 0,56 Gramm (+/- 0,02 Gramm) reines Morphin, sowie 87 Gramm +/-26 g reines Kokain, mit dem Zug von Amsterdam nach Österreich brachten.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerden gegen dieses Urteil stützen der Erstangeklagte O***** auf die Z 5 und 11, die Zweitangeklagte Z***** auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten O*****:
Der Erstangeklagte hatte sich im Vorverfahren damit verantwortet, an einen Transport von Geld geglaubt zu haben. In der Hauptverhandlung bekannte er sich schuldig, „von der Hälfte der Suchtgiftmenge, 1,8 kg" gewusst zu haben (S 219 in ON 3, S 163; US 6).
Beweiswürdigend führten die Tatrichter aus, dieses Geständnis sei wegen der gänzlichen Unglaubwürdigkeit der vorherigen Verantwortung erfolgt und die Mengenbegrenzung eine an den gesetzlich definierten Mengen ausgerichtete Schutzbehauptung, zumal ein Grund für das Übersehen der größeren Menge nicht ersichtlich sei (US 7). Zutreffend räumt der Beschwerdeführer ein, dass das erkennende Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jeder Einzelheit der Verantwortung eines Angeklagten auseinanderzusetzen (11 Os 41/05x, 12 Os 129/05w uva). Dem Beschwerdestandpunkt entgegen handelte es sich fallbezogen um kein erhebliches (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421; 11 Os 116/04, EvBl 2005/81, 356 mwN) - und somit zur Erreichung voller Bestimmtheit im Sinne von § 270 Abs 2 Z 5 StPO (11 Os 41/05x ua) gesondert erörterungsbedürftiges - Verfahrensergebnis, dass der Erstangeklagte am Ende seiner Einlassung in der Hauptverhandlung angab, „der Freund hat mir in Madrid vorgeschlagen, Drogen zu transportieren, 1,8 kg für einen geringen Betrag und Menge" (S 195) und über Frage der Verteidigerin „sie sagten mir, es seien 1,8 kg Heroin. Als ich in Wien gesehen habe, dass 3,5 kg drinnen waren, war ich am Boden zerstört und sehr böse auf sie" (S 197), weil dadurch die entscheidende Tatsache der Menge an Reinsubstanz nicht direkt angesprochen wird, mit anderen Worten daraus zwingende Schlüsse gegen einen Vorsatz in Richtung § 28 Abs 4 Z 3 SMG nicht zu ziehen sind. Die Strafzumessungsrüge (Z 11 dritter Fall) unterstellt dem Erstgericht durch Isolieren einer Urteilspassage die für die Strafbemessung bedeutende Ansicht, „Studenten, die von ihren Eltern erhalten werden", seien „strenger zu bestrafen". Tatsächlich ist den Strafzumessungserwägungen in ihrer Gesamtheit eine derartige Intention in keiner Weise zu entnehmen: Die Sanktionshöhe wurde vielmehr damit gerechtfertigt, generalpräventiv gegen Personen zu wirken, die sich durch derartige Transporte übergroßer Drogenmengen mit für sie vertretbarem Risiko ihren Lebensstandard verbessern wollen. Konkret gelte das insbesondere im vorliegenden Fall, „in dem die Angeklagten als Studenten überwiegend von ihren Eltern erhalten werden, teilweise (Hepolite O*****) dem Spiel nachgehen und leichtere Drogen konsumieren, oder sich vom Lebensstil durch den Drogenhandel reich gewordener Personen beeindrucken lassen (Sandra Z***** ...)" (US 13).
Ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung ist darin nicht zu ersehen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Zweitangeklagten Z*****:
Die Zweitangeklagte beantragte in der Hauptverhandlung (S 199) „die Beischaffung der Unterlagen zum Verwaltungsverfahren auf Erlangung der Aufenthaltsbewilligung in Spanien zum Beweis dafür, dass dies Zweck der Reise [nach Madrid - S 197] war und zum Beweis dafür, dass die Verantwortung der Angeklagten Z***** richtig ist". Durch die Abweisung dieses Antrages (S 199) wurden - den Beschwerdeausführungen zuwider - keine Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 MRK, oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist: Gegenstand des Schuldvorwurfes war nämlich ein Suchtgifttransport von den Niederlanden über Deutschland nach Österreich (ON 41). Die Beweisthemata bezogen sich somit weder auf entscheidende Tatsachen noch auf erhebliche Tatumstände, also auf solche, die nach Denkgesetzen und Lebenserfahrung nicht gänzlich ungeeignet sind, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache, das heißt für Schuldspruch oder Subsumtion relevante Tatsachenfeststellungen zu beeinflussen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340, 11 Os 74/07b uva). Denn es war - wie bereits die Tatrichter richtig erkannten (US 11) - unter Zugrundelegung der Verfahrensergebnisse bei Antragstellung aus dieser Beweisführung bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen nicht zu erwarten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341; RIS-Justiz RS0116987): Der Beweggrund der Reise nach Madrid steht in keinem zwingenden Zusammenhang mit dem späteren Suchtgiftschmuggel von Amsterdam nach Wien (dessen Kenntnis und Mitwirkung daran die Zweitangeklagte bestritt).
Auch der weitere Antrag der Zweitangeklagten auf „Ladung und Einvernahme jener Beamten des LKA Ö, die die Angeklagte Z***** im Zug kontrolliert haben, zum Beweis dafür, dass aufgrund ihres Gesamtverhaltens bei der durchgeführten Kontrolle ihre Verantwortung als glaubwürdig einzustufen ist, und sie tatsächlich nichts davon gewusst hat", wurde im Sinne der obigen Ausführungen nichtigkeitsfrei abgewiesen: Denn bei der Antragstellung wurde nicht dargelegt, welche dem Erstgericht bis dahin verschlossen gebliebenen Beweisergebnisse zu Tatsachen den Vernehmungen der Beamten zu Gunsten der Angeklagten entnommen werden könnten. Subjektive Beweiswerteinschätzungen bzw Schlussfolgerungen eines Zeugen sind jedoch nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 435; RIS-Justiz RS0097545).
Der Antrag auf „Ladung und Einvernahme der heute nicht erschienen Zeugen" - gemeint der Polizeibeamten K*****, F***** und H***** (S 197) - wurde ohne Ausführung eines Beweisthemas gestellt und verfiel daher schon deshalb zu Recht der Ablehnung (S 201, US 11 f). Die mangelnde sofortige Begründung dafür hätte die Rechtsmittelwerberin durch entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung zu erweitern suchen müssen; im Nichtigkeitsverfahren ist es dafür zu spät (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 315 f, 318). Zur Abrundung sei erwähnt, dass die in Rede stehenden Polizisten die Kontakte der bereits festgenommenen Angeklagten mit ihrem Gewährsmann in Wien überwachten (vgl S 205 in ON 3). Aus welchem Grund sie subsumtions- oder schuldrelevante Wahrnehmungen zu den bereits abgeschlossenen Taten der Angeklagten hätten machen können, ist nach Antragstellung und Zusammenhang unerfindlich. Dass das Erstgericht diese Zeugen (dennoch) zur Hauptverhandlung geladen hatte (ON 48), vermag eine prozessordnungsgemäße - und sohin aus Sicht der Z 4 erfolgversprechende - Antragstellung nicht zu ersetzen. Das Erstgericht begründete die Mittäterschaft von Z***** vor allem mit einer lebensnahen Einschätzung der Lebensgemeinschaft der beiden Angeklagten, der gemeinsamen, fremdfinanzierten Reise, dem Austausch von Gepäckstücken sowie dem Verschweigen des Aufenthaltes in Madrid in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung, letztlich mit den der Frau bekannten aktuellen Spielschulden ihres Partners (US 7 - 11). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen zur Erledigung der Mängelrüge des Erstangeklagten ist dem auf Z 5 zweiter Fall gestützten Vorbringen der Zweitangeklagten entgegenzuhalten, dass die Aussagen dieser Nichtigkeitswerberin, ihr Freund habe mit anderen teilweise in ihr nicht verständlichen Sprachen gesprochen (S 385 in ON 3; S 173), und des Angeklagten O*****, seine Freundin sei „nicht immer mit uns zusammen ... gewesen" (S 189), nicht gesondert erörterungsbedürftig waren, weil sie die Argumentation des Erstgerichtes in keiner Weise zu berühren geeignet, also nicht erwägenswert sind. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den dazu von den Rechtsmittelwerbern erstatteten Äußerungen - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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