OGH 14Os66/07y

OGH14Os66/07y4.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Josef W***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Februar 2007, GZ 122 Hv 102/06y-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Josef W***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „in Wien die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der H***** GmbH, mithin durch Rechtsgeschäft, eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und der H***** GmbH einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden zugefügt, und zwar

1. am 2. Juni 2000 durch Veranlassung der Überweisung eines Bargeldbetrages in der Höhe von 1,778.400 Schilling (entsprechend 129.241,37 Euro) vom Geschäftskonto der Gesellschaft auf sein Inhabersparbuch bei der E***** AG Nr *****;

2. am 5. Juni 2000 durch Behebung eines Bargeldbetrages in der Höhe von 690.000 Schilling (entsprechend 50.144,26 Euro) vom Gesellschaftskonto und

3. am 7. November 2000 durch Behebung eines Bargeldbetrages in der Höhe von 360.000 Schilling (entsprechend 26.162,79 Euro) vom Gesellschaftskonto,

wobei jeweils kein Anspruch auf Bezug dieser Bargeldbeträge bestand."

Gemäß § 263 Abs 2 StPO behielt das Landesgericht für Strafsachen Wien dem öffentlichen Ankläger die selbständige Verfolgung weiterer, durch Ausdehnung der Anklage in der Hauptverhandlung vom 26. Februar 2007 hinzugekommener Untreuetaten vor (US 4 f).

Der dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt bereits unter dem Aspekt der Mängelrüge (Z 5) Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Sie zeigt zunächst zutreffend auf, dass die - schon mit Blick auf die Beurteilung des Vorliegens wissentlichen Befugnismissbrauchs erhebliche - Feststellung, wonach die inkriminierten Bargeldentnahmen nicht als Auszahlung eines zusätzlichen Honorars des Geschäftsführers für „internes Projektmanagement" durch einen - wenn auch nur mündlich oder konkludent gefassten - einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung gedeckt waren, mangels Erörterung dieser Konstatierung zuwiderlaufender Aussagen des Zeugen Dr. Johann A***** unvollständig begründet ist (Z 5 zweiter Fall).

Zwar ist das Schöffengericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642). Nichtigkeit nach Z 5 zweiter Fall liegt aber dann vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Nach den in diesem Zusammenhang wesentlichen Urteilsannahmen waren im Tatzeitpunkt die W***** GmbH, vertreten durch den Angeklagten, die F. H***** GmbH, vertreten durch Rudolf H*****, sowie die C***** GmbH, vertreten durch Alexander H*****, Gesellschafter der H***** GmbH (US 7 f iVm US 9 f). Die Gesellschafterversammlung bestand demnach aus den genannten Repräsentanten der Gesellschafter.

Dass neben dem Angeklagten auch Rudolf H***** seine Zustimmung zur Auszahlung eines zusätzlichen Honorars an (zumindest) einen Geschäftsführer erteilte, hielt das Erstgericht für möglich (US 16), schloss aber eine „Kenntnis" auch Alexander H*****s „von den ungerechtfertigten Entnahmen", damit also diesbezügliche Einstimmigkeit der Gesellschafterversammlung aus. Zur Begründung dieser - der Verantwortung des Angeklagten zuwiderlaufenden - Annahme standen dem Erstgericht keine unmittelbaren Tatzeugen zur Verfügung, da Rudolf H***** von seinem Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch gemacht hatte und Alexander H***** mittlerweile verstorben ist. Sie wurde demzufolge auf eine Reihe von Indizien gestützt (US 18 f, 21 f).

Die Aussage des Zeugen Dr. Johann A***** zu diesem Thema bezogen die Tatrichter nur insoweit in ihre Überlegungen ein, als sie dessen Beschreibung des Charakters seines Freundes Alexander H***** für (ersichtlich gemeint:) nicht geeignet hielten, Zweifel an ihrer Überzeugung zu wecken, da der Genannte nur „höchst allgemeine Bemerkungen machte", „konkrete Beobachtungen ... nicht machen konnte" und „lediglich Vermutungen in diesem Zusammenhang hatte" (US 22 f). Die Mängelrüge weist zutreffend darauf hin, dass der Zeuge jedoch im Anschluss an die Darstellung seiner charakterlichen Einschätzung Alexander H*****s weiters ausführte, aus eigenen Wahrnehmungen und Bemerkungen des Genannten zu wissen, dass dieser mehrmals das Projekt R*****gasse betreffende Zahlungen entgegennahm, weil er (der Zeuge) ihn zweimal zu just zu diesem Zweck vereinbarten Treffen chauffiert, die Übergabe eines Kuverts beobachtet und Alexander H***** im Anschluss auf sein Ersuchen zur Bank gefahren habe (S 325 f/III). Angesichts dieser Angaben des Zeugen Dr. A***** ist eine andere Lösung der Frage, ob auch Alexander H***** als Vertreter der C***** GesmbH, welche zur Tatzeit (Mehrheits-)Gesellschafterin der H***** GmbH war, die „steuerschonende", von den Repräsentanten der beiden übrigen Gesellschafterinnen gleichfalls gebilligte Auszahlung eines zusätzlichen Honorars mittrug, zumindest nicht auszuschließen. Ein Grund, warum diese - der kritisierten Feststellung widerstreitenden - Beweisergebnisse das Gericht nicht überzeugen konnten, wurde in den Entscheidungsgründen aber nicht angegeben, diese erheblichen Teile des Deponats vielmehr gänzlich ignoriert.

Da dem Urteil fallbezogen nicht zu entnehmen ist, welche Bedeutung das Schöffengericht diesem - demnach mit einem Begründungsmangel behafteten - Teilaspekt seiner Überlegungen beigemessen hat, macht die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse, die eine andere, für den Angeklagten günstigere Lösung der Schuldfrage zumindest denkbar scheinen lassen, die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffene Feststellung aus formalen Gründen mangelhaft (Z 5 zweiter Fall; siehe zum Ganzen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410, 425). Der weitere Vorwurf der Mängelrüge, wonach die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, insbesonders jene zum festgestellten Vorsatz des Angeklagten, der H***** GmbH einen Vermögensnachteil zuzufügen, offenbar unzureichend begründet wurde (Z 5 vierter Fall), ist ebenfalls berechtigt.

Dazu findet sich im Urteil - neben einem lapidaren Verweis auf die Lebenserfahrung - lediglich der Hinweis, die Annahme eines Schädigungsvorsatzes sei „logisch", „zumal er (der Angeklagte) für seine angeblichen Leistungen ohnehin von der W***** GmbH und auch von der H***** ausreichend entlohnt wurde. Mag. W***** wusste, dass durch die Zuwendung der verfahrensgegenständlichen Vermögensvorteile der H***** ein Vermögensnachteil erwächst. Durch das Erstellen der Scheinrechnungen vermeinte er, die Malversationen geheim zu halten" (US 24).

Damit haben die Tatrichter den zu beweisenden Tatumstand - trotz stets leugnender Verantwortung des Angeklagten - im Rahmen ihrer Beweisführung stillschweigend als bewiesen vorausgesetzt, an die Stelle einer Begründung also eine Behauptung gesetzt und der Sache nach bloß zirkuläre Überlegungen angestellt, anstatt Aussagen darüber zu treffen, auf Grund welcher Beweisergebnisse sie zu dieser Überzeugung gelangten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 446). Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden und bei einem leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Ob sich aber die Erkenntnisrichter fallbezogen mit der objektiven Vorgangsweise des Angeklagten auch unter dem Aspekt der subjektiven Tatseite ausreichend auseinandersetzten, lässt sich aus der zitierten Formulierung der Entscheidungsgründe nicht entnehmen, zumal der Nichtigkeitswerber stets behauptet hatte, der Ansicht gewesen zu sein, dass ihm für seine über die üblichen Aufgaben eines Geschäftsführers weit hinausgehenden Leistungen im Bereich „internes Projektmanagement" ein zusätzliches Honorar zustand, welcher Annahme seiner Meinung nach die Dienstverträge mit der H***** GmbH oder der W***** GmbH nicht entgegenstanden.

Dazu kommt, dass auch der Ausspruch, wonach der Angeklagte die zur Rechtfertigung der Entnahmen behaupteten Gegenleistungen gar nicht erbrachte, mit dem Verweis auf das Fehlen von entsprechenden schriftlichen Belegen, sein - ihm ohnehin vertraglich zustehendes - Einkommen und das Gutachten der Sachverständigen Mag. Elisabeth H***** unzureichend begründet ist, wie die Mängelrüge ebenfalls zu Recht moniert. Denn nach Maßgabe von Logik und grundlegendem Erfahrungswissen kann fallbezogen weder aus den erstangeführten Indizien noch aus den in diesem Zusammenhang nicht ergiebigen Ausführungen der Sachverständigen (vgl S 197, 219 und S 415/IV) mängelfrei auf die bekämpfte Feststellung geschlossen werden. Die aufgezeigten Begründungsmängel bewirken Nichtigkeit des angefochtenen Urteils aus § 281 Abs 1 Z 5 zweiter und vierter Fall StPO und haben dessen Aufhebung, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und die Verweisung der Sache an das Erstgericht (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO) bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Folge (§ 285e StPO).

Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sind angesichts der damit erforderlich gewordenen Aufhebung des Schuldspruches gegenstandslos.

Anzumerken bleibt, dass die auf Z 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte weitere Beschwerdeargumentation fehl geht. Ein im Urteil ausgesprochener Verfolgungsvorbehalt (§ 263 Abs 2 StPO) ist nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde, weil solcherart keine bindende Feststellung fehlender Identität mit einem Urteilsfaktum zum Ausdruck kommt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 547; RIS-Justiz RS0112163). Ein Kostenausspruch nach § 390a StPO hatte zufolge Aufhebung des Urteils zu unterbleiben (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 7).

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