OGH 8ObA53/07p

OGH8ObA53/07p22.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Vera Moczarski in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Destan I*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, K*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2007, GZ 11 Ra 37/07a-9, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. März 2007, GZ 59 Cga 142/06f-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 13. 1. 1992 bis 31. 8. 2005 als Estrichverleger bei der Firma B***** GesmbH beschäftigt. Die Lohnzahlungen erfolgten zweigeteilt: In der Zeit vom 3. bis 7. des jeweiligen Folgemonats eine Akkontozahlung von EUR 1.090 netto, zwischen 10. und 15. des Folgemonats der Rest für das Abrechnungsmonat. Ab dem Jahr 2004 wurde die Restzahlung des öfteren über den 20. des Folgemonats hinausgezögert. Der Kläger leistete Überstunden, die vereinbarungsgemäß zum Teil ausbezahlt, zum Teil in Form von Zeitausgleich abgegolten werden sollten. Im Sommer 2005 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin statt, worauf der Geschäftsführer dem Kläger den Vorschlag unterbreitete, das Dienstverhältnis zum 31. 8. 2005 einvernehmlich zu lösen. Das Dienstverhältnis wurde am 11. 7. 2005 schriftlich zum 31. 8. 2005 einvernehmlich gelöst.

Am 21. 10. 2005 teilte die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem Kläger schriftlich mit, dass die 711 Beschäftigungswochen bei der Firma B***** GesmbH nicht auf den Abfertigungsanspruch angerechnet werden könnten, weil das Dienstverhältnis durch einvernehmliche Lösung beendet worden sei.

Der Kläger begehrt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die im gegenständlichen Arbeitsverhältnis zugebrachten 711 Beschäftigungswochen für den Erwerb des Abfertigungsanspruchs anzurechnen. Ab dem Jahr 2004 habe sich die Zahlung des zweiten Teils der Lohnzahlung oft über den 20. des Folgemonats hinaus verzögert. Die mit dem Vorgesetzten getroffenen Zeitausgleichvereinbarungen seien von diesem oftmals widerrufen worden und der Kläger trotz bestehender Vereinbarung aufgefordert worden, Arbeitsleistungen zu erbringen. Da er aufgrund dieser Umstände Zeitausgleich nicht habe konsumieren können, habe er vom Vorgesetzten die Auszahlung aller geleisteten Überstunden begehrt. Dieser habe ihn an den Geschäftsführer verwiesen. Ende Juni, Anfang Juli 2005 habe er mit dem Geschäftsführer über Zahlungsverzögerungen gesprochen, erklärt, diese nicht mehr hinnehmen zu wollen und die vollständige Auszahlung der monatlichen Abrechnungsbeträge zum Fälligkeitszeitpunkt verlangt. Weiters habe er die Auszahlung aller geleisteten Überstunden verlangt, da ihm eine Zeitausgleichkonsumation unmöglich gemacht werde.

Einige Tage danach habe ihm der Geschäftsführer den Vorschlag unterbreitet, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufzulösen. Da er wegen der geschilderten Umstände den Willen gehabt habe, aus dem Arbeitsverhältnis auszutreten - die Aufforderungen auf pünktliche vollständige Zahlungen zum Fälligkeitszeitpunkt seien fruchtlos geblieben - habe er der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit 31. 8. 2005 zugestimmt, dies auch deshalb, weil der Geschäftsführer erklärt habe, dass der Kläger bei einer einvernehmlichen Lösung des Arbeitsverhältnisses die Abfertigung erhalten werde.

Im Hinblick auf die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs, dass ein Arbeitnehmer, der einen Austrittsgrund habe, den Austritt aber in die Form einer Kündigung kleide, nach den Rechtswirkungen eines berechtigten vorzeitigen Austritts behandelt werde, sei auch der Kläger so zu behandeln als sei er vorzeitig ausgetreten. Im vorliegenden Fall seien Austrittsgründe vorgelegen, diese seien auch der Grund gewesen, weshalb der Kläger den Vorschlag des Geschäftsführers auf einvernehmliche Auflösung akzeptiert habe. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Sie bestritt das Vorliegen von Austrittsgründen und brachte vor, dass selbst für den Fall, dass ein vorzeitiger Austritt berechtigt gewesen wäre, sich die vom Kläger zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht auf den Fall der einvernehmlichen Auflösung übertragen lasse. Dies deshalb, weil sowohl der berechtigte vorzeitige Austritt als auch die Kündigung durch den Dienstnehmer eine einseitige Willenserklärung darstellten. Die einvernehmliche Beendigung sei aber ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Da beide Arbeitsvertragsparteien insoweit mitwirken und willentlich übereinkommen müssten, habe der Gesetzgeber für den Bereich der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse diese Beendigungsart als für die Abfertigung schädlich erklärt, weil man Rechtsgeschäfte, die allenfalls zu Lasten der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse gehen könnten, habe vermeiden wollen. Dies ergebe sich eindeutig aus § 13c Abs 4 BUAG. Eine unrichtige Auskunft des Geschäftsführers der Arbeitgeberin könne nicht zu einem Anspruch gegenüber der beklagten Partei führen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass gemäß § 13c Abs 4 BUAG für den Erwerb des Abfertigungsanspruchs Beschäftigungszeiten aus einem Arbeitsverhältnis bei der Anrechnung unberücksichtigt bleiben, wenn dieses Arbeitsverhältnis ua durch Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Z 1) aufgelöst werde; dies sei hier der Fall.

Eine Bindung an die Meldung des Arbeitgebers sei den Bestimmungen des BUAG zwar nicht zu entnehmen, im vorliegenden Fall habe die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse die Anspruchsvoraussetzungen auf Abfertigung des Klägers überprüft und festgestellt, dass das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden sei und deshalb kein Anspruch auf Abfertigung bestehe. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das Ersturteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Die vom Kläger vertretene Rechtsansicht, dass die einvernehmliche Lösung bei Vorliegen eines Austrittsgrunds ebenso wie eine darauf gegründete Kündigung nach den Rechtswirkungen eines berechtigten vorzeitigen Austritts zu behandeln sei, lehnte das Berufungsgericht ab und verneinte daher auch die vom Kläger gerügten Feststellungsmängel. Nach ständiger Rechtsprechung stehe die formelle Form der Auflösung in Form einer (Arbeitnehmer-)Kündigung dem Abfertigungsanspruch nicht entgegen, wenn aus der Auflösungserklärung klar erkennbar sei, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nehme, weil es sich dabei regelmäßig um die für den Arbeitgeber „schonendere" Form der Beendigung handle. Sei dem gesamten Verhalten des Arbeitnehmers allerdings zu entnehmen, dass er keinen solchen vorzeitigen Austritt beabsichtige, stehe ihm trotz Kündigung bei gegebenem wichtigen Lösungsgrund auch im Anwendungsbereich des § 23 Abs 7 AngG ein Anspruch auf Abfertigung nicht zu, weil auch im Arbeitsrecht der Grundsatz der Vertrauenstheorie gelte. Maßgeblich sei, dass zwischen den Parteien Klarheit darüber bestehe, dass ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht werde und es sich nicht um eine gewöhnliche Kündigung handle. Hieran habe sich auch die Beurteilung zu orientieren, ob die im vorliegenden Fall nach § 13c Abs 4 Z 1 BUAG anspruchshindernde einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses einer entsprechend eindeutigen - einseitigen - Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitnehmer aus wichtigem Grund gleichgehalten werden könne, wobei es dienstrechtlich nicht von Bedeutung sei, welcher Vertragspartner die Initiative zur einverständlichen Lösung ergreife. Entscheidend sei, dass der Arbeitnehmer bei (entsprechender) Kündigung oder bei Austritt den zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigenden Grund tatsächlich zum unbedingten Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung in Anspruch nehme und somit - anders als bei einvernehmlicher Vertragsaufhebung - nicht bloß erklärt, von einer ihm im Rahmen der Vertragsautonomie angebotenen Möglichkeit zur Vertragsauflösung Gebrauch zu machen. Durch das Angebot zur einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsvertrags bringe der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses seiner Zustimmung bedürfe, womit das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der dem Arbeitnehmer die einseitige Beendigung ermögliche, gerade nicht zugestanden werde; dass der Vertragsbeendigungswille des Arbeitgebers lediglich mit einer korrespondierenden Absicht des austrittsberechtigten Arbeitnehmers zusammentreffe, wäre im Hinblick auf die auch bei Kündigung erforderliche klare Erkennbarkeit, dass ein wichtiger Grund in Anspruch genommen werden solle, unzureichend. Umgekehrt bringe der Arbeitnehmer durch die Annahme der angebotenen einvernehmlichen Auflösung anstatt der Abgabe einer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkenden einseitigen Erklärung korrespondierend im Sinne eines Verzichts auf die Geltendmachung des wichtigen Grundes (zumindest aber die erforderliche Eindeutigkeit der Inanspruchnahme seines Rechts in Frage stellend) zum Ausdruck, sein einseitiges Gestaltungsrecht nicht ausüben zu wollen. Somit könne die Zustimmung des Arbeitnehmers, der zwar eine einseitige nach § 13c Abs 4 BUAG für den Abfertigungsanspruch unschädliche Beendigungserklärung abgeben hätte können, dies aber nicht getan habe, einer einseitigen Beendigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund nicht gleichgehalten werden. Zu Recht habe das Erstgericht auf höchstgerichtliche Rechtsprechung verwiesen, wonach den Bestimmungen des BUAG eine Bindung der Beklagten an die Meldungen des Arbeitgebers nicht zu entnehmen sei. Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse habe die Anspruchsvoraussetzungen für Urlaub und Abfertigung vielmehr selbstständig zu prüfen. Im vorliegenden Fall beruhe allerdings auch der Rechtsstandpunkt des Klägers darauf, dass das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden sei, er wolle dies nur anders gewertet haben.

Die Revision sei zuzulassen, da zur streitentscheidenden Frage, ob im Rahmen dieser Bestimmung die Beurteilung einer einvernehmlichen Lösung nach den Rechtswirkungen eines berechtigten vorzeitigen Austritts in Betracht komme, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof billigt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sodass es ausreicht, auf die zutreffende und ausführliche Begründung der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist der Revision Folgendes entgegen zu halten:

Vorweg ist klarzustellen, dass Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche nach dem Bauarbeiter-Urlaubs-Gesetz zwischen der Urlaubskasse und Arbeitgebern oder Arbeitnehmern (mit einer hier nicht interessierenden Ausnahme) nach § 50 Abs 1 Z 5 ASGG zu den Arbeitsrechtssachen zählen. Diese Bestimmung schafft die Grundlage dafür, dass Arbeitnehmeransprüche nach dem BUAG im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden können (Neumayr in ZellKomm § 50 ASGG Rz 18 mwH).

Nach § 13c Abs 4 Z 1 BUAG bleiben Beschäftigungszeiten aus einem Arbeitsverhältnis sowohl für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 13b als auch bei der Anrechnung gemäß Abs 1 unberücksichtigt, wenn dieses Arbeitsverhältnis durch Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgelöst wird. Zweck dieser - ein Spezifikum hinsichtlich der dem BUAG unterliegenden Arbeitsverhältnisse darstellenden - Regelung ist nach der Lehre die Verhinderung von Missbräuchen (Martinek-Widorn BUAG, 179 f mwH).

Der Oberste Gerichtshof vertritt - worauf bereits die Vorinstanzen hingewiesen haben - in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass die Auflösung in Form einer Arbeitnehmerkündigung dem Abfertigungsanspruch dann nicht entgegensteht, wenn aus der Auflösungserklärung klar erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund für sich in Anspruch nimmt, weil es sich dabei doch regelmäßig um die für den Arbeitgeber „schonendere" Form der Beendigung handelt (RdW 1988, 359; 8 ObA 85/06t; 9 ObA 23/07h; RIS-Justiz RS0060132 uva).

Die Frage, ob ungeachtet des nicht zu vernachlässigenden Unterschieds zwischen der Selbstkündigung als einseitiger Gestaltungserklärung und der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses im Sinn der übereinstimmenden Willenserklärung der Parteien in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Erwägungen der vorzitierten Judikatur auch auf Fälle der einvernehmlichen Auflösung übertragen werden könnten, stellt sich hier nicht.

Im Sinn der vorzitierten Judikatur ist nämlich maßgeblich, dass zwischen den Parteien Klarheit darüber besteht, das ein wichtiger Lösungsgrund geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0031717). Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht einmal behauptet, im Zusammenhang mit der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses gegenüber seinem Arbeitgeber auf den behaupteten Austrittsgrund hingewiesen zu haben. Das Vorbringen, dass der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt die vollständige Auszahlung der monatlichen Abrechnungsbeträge zum Fälligkeitszeitpunkt sowie die Auszahlung der Überstunden begehrte und erklärte, „Zahlungsverzögerungen nicht mehr hinnehmen zu wollen", reicht nicht aus, da daraus nicht einmal geschlossen werden kann, dass dem Arbeitgeber der Zusammenhang zwischen einem möglichen Austrittsgrund und der Annahme des Anbots auf einvernehmliche Auflösung überhaupt erkennbar war. Bereits das Berufungsgericht hat aber zutreffend darauf hingewiesen, dass als entscheidend anzusehen ist, dass der Arbeitnehmer den zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses berechtigenden Grund tatsächlich zum unbedingten Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nimmt (vgl 9 ObA 106/94). Schon nach dem Klagsvorbringen ist diese Voraussetzung aber nicht erfüllt. Die vom Revisionswerber gerügte und bereits vom Berufungsgericht verneinte sekundäre Mangelhaftigkeit liegt somit nicht vor. Die vom Kläger nicht einmal in der Revision hinreichend behauptete „Irreführung" durch den Arbeitgeber - er bringt nur vor, dass ihm die Folgen einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach dem BUAG nicht bewusst waren - könnte jedenfalls keinen Anspruch gegen die beklagte Baurbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, sondern - wenn überhaupt - nur allenfalls einen Ersatzanspruch gegen den Dienstgeber begründen.

Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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