OGH 3Ob105/07y

OGH3Ob105/07y23.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Agnieszka Elzbieta S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer nach dem Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, wider die verpflichtete Partei Antoni Mieczyslaw S*****, vertreten durch Dr. Thomas Buschmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher 29.648,42 Zloty = 6.239,54 EUR s.A., infolge Revisionsrekurses des Verfahrenshelfers Dr. Gerhard Schütz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Jänner 2007, GZ 47 R 523/06z-93, womit dessen Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 13. Jänner 2006, GZ 13 E 2913/99p-86, teilweise zurückgewiesen und der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 13. Jänner 2006, GZ 13 E 2913/99p-86, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Verfahrenshelfer Dr. Gerhard Schütz hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Österreich und Polen sind Mitgliedsstaaten des von einer Sonderkonferenz der Vereinten Nationen bereits 1956 beschlossenen (RV 972 BlgNR 11. GP, 13) und am 20. Juni 1956 in New York ausgelegten Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl 1969/316 idFd BGBl 1986/377; im Folgenden nur Übereinkommen). Es hat den Zweck, die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs zu erleichtern, den eine Person (Anspruchswerber), die sich im Gebiet eines der vertragsschließenden Teile befindet, gegen eine andere Person (Anspruchsgegner), die der Gerichtsbarkeit eines anderen solchen Staates untersteht, erheben zu können glaubt; dieser Zweck ist mit Hilfe von Stellen zu erreichen, die nach den weiteren Bestimmungen des Übereinkommens als Übermittlungs- und Empfangsstellen bezeichnet werden (Art 1 Abs 1). Zur Durchführung dieses Übereinkommens dient das Bundesgesetz BGBl 1969/317 idFd BGBl 1986/377 (im Folgenden nur DurchführungsG). Mit dem Urteil des Bezirksgerichts für die Hauptstadt Warschau vom 19. Mai 1997 wurde der Vater der (damals) minderjährigen, in Polen wohnhaften Betreibenden schuldig erkannt, 25.419 Zloty an Unterhaltsrückstand sowie 800 Zloty monatlich an laufendem Unterhalt ab 1. Juni 1999 zu leisten. Aktenkundig ist, dass die Mutter der Betreibenden als deren gesetzliche Vertreterin den Antrag stellte, den sich aus diesem Titel ergebenden Unterhaltsanspruch gegen den in Österreich wohnhaften Verpflichteten einbringlich zu machen. Zu diesem Zweck erteilte sie der polnischen Behörde, die gemäß Art 3 Abs 1 des Übereinkommens Übermittlungsstelle ist, die erforderliche Vollmacht, die diese Stelle ermächtigt, in Vertretung der unterhaltsberechtigten Anspruchswerberin tätig zu werden. Die polnische Übermittlungsstelle ersuchte das österr. Bundesministerium für Justiz (BMJ) als Empfangsstelle iSd Übereinkommens, die zur Vollstreckung des angeführten Urteils geeigneten Schritte zu unternehmen. Das BMJ übersandte dieses Schreiben an die Vorsteherin des Bezirksgerichts Hernals (§ 6 Abs 4 des DurchführungsG). Mit Beschluss vom 28. Juli 1998 bestellte die zuständige Richterin des Bezirksgerichts Hernals einen vom Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer namhaft gemachten Rechtsanwalt zum Verfahrenshelfer der Unterhaltsberechtigten. Dieser brachte am 27. Mai 1999 beim Bezirksgericht Hernals einen Exekutionsantrag des Inhalts ein, der Betreibenden aufgrund des mit Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 28. Juli 1998 für vollstreckbar erklärten Urteils des Bezirksgerichts für die Hauptstadt Warschau vom 19. Mai 1997 zur Hereinbringung des für die Zeit vom 7. Oktober 1996 bis 31. Mai 1999 rückständigen Unterhalts von 25.419 Zloty, des ab 1. Juni 1999 monatlich fällig werdenden Unterhalts von 800 Zloty sowie der Kosten des Antrags die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 294a EO zu bewilligen.

Mit Beschluss vom 15. Juli 1999 bewilligte das Bezirksgericht Hernals die Exekution antragsgemäß. In der Folge wurden vom Verpflichteten Unterhaltsbeiträge hereingebracht. Gemäß der vom Verpflichteten vorgelegten Entscheidung des Amtsgerichts Warschau vom 6. Jänner 2004 ist seit 1. September 2003 seine Alimentationspflicht gegenüber der Betreibenden erloschen.

Am 12. Dezember 2005 stellte die mittlerweile volljährig gewordene Betreibende einen in deutscher Sprache verfassten schriftlichen Antrag ON 86 1.) auf Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 6 EO „wegen Vollzahlung", weil kein Unterhaltsrückstand mehr bestehe, auch nicht für die Zeit vor August 2003, und 2.) auf Enthebung ihres Verfahrenshelfers, weil sie von diesem nicht mehr vertreten sein wolle. Beide Anträge sind nur von der Betreibenden selbst und nicht vom Verfahrenshelfer unterfertigt.

Das Erstgericht bewilligte mit Stampiglie beide Anträge. Gegen diesen Beschluss erhob der Verfahrenshelfer - zum Antrag 2.) auch im eigenen Namen - Rekurs mit dem wesentlichen Vorbringen, seine Einschaltung beruhe auf dem Übereinkommen sowie auf § 6 Abs 4 des DurchführungsG. Die genannte Bestimmung gehe als Sondernorm den Regelungen der ZPO vor und beschränke die Rechte der Partei, soweit dies der Zweck des Übereinkommens nötig mache. Aus dem geringen Rechtsverständnis der Betreibenden resultiere eine Schutzpflicht des Verfahrenshelfers. Diese Schutzpflicht erfordere die exekutive Einbringlichmachung der der Betreibenden gegen den Verpflichteten zugesprochenen Unterhaltsbeträge selbst gegen deren ausdrücklichen Willen, um die Rückzahlung der ihr zur Verfügung gestellten Unterhaltsvorschüsse an die polnische Sozialversicherungsanstalt zu gewährleisten. Die Betreibende wäre sogar eventueller strafrechtlicher Verantwortlichkeit ausgesetzt, wenn sie die Einbringung trotz intakter Einbringungsmöglichkeit unterließe. Sofern die Einbringlichkeit der Unterhaltsforderung gegeben sei, sei jede Verfügung der Betreibenden eingeschränkt. Einen direkten Kontakt zwischen der Betreibenden und dem Verfahrenshelfer sehe weder das Übereinkommen noch das dazu erlassene DurchführungsG vor. Außerdem sei die Betreibende mangels Deutschkenntnissen postulationsunfähig. Aus diesen weiteren Gründen sei der Einstellungsantrag unwirksam und unbeachtlich. Dem Verpflichteten sei es offenbar gelungen, der Betreibenden unrichtigerweise glaubhaft zu machen, er habe seine gesamte Unterhaltsschuld durch Zahlungen an die polnische Sozialversicherungsanstalt bereits zur Gänze abgetragen. Diese Zusicherung entspreche nicht der Wahrheit. Ein Recht auf Enthebung des Verfahrenshelfers stehe der Betreibenden nicht zu; solange er nicht rechtskräftig vom Gericht enthoben sei, handle er allein wirksam für die betreibende Partei.

Noch vor Vorlage des Rekurses an das Rekursgericht langte ein nur von der Betreibenden (nicht vom Verfahrenshelfer) unterfertigter Schriftsatz mit der Überschrift „Zurückziehung des Rekurses" mit dem Vorbringen ein, der Rekurs sei gegen ihren ausdrücklichen Willen erhoben worden. Sie habe die Vertretungsmacht ihres Verfahrenshelfers bereits widerrufen und diesem zur Erhebung des Rekurses keinen Auftrag erteilt. Sie ziehe den Rekurs zurück und beantrage, den Verfahrenshelfer formell zu entheben.

Das Erstgericht stellte eine Kopie dieses Schriftsatzes dem Verfahrenshelfer zu und sprach mit „Note" vom 11. Mai 2006 aus, der Rekurs gelte als zurückgezogen, weil bislang keine Stellungnahme des Verfahrenshelfers eingelangt sei.

Der Verfahrenshelfer stellte daraufhin u.a. den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens; unter einem beantragte er die Vorlage des Rekurses an das Rekursgericht. Die Zurückziehung des Rekurses durch die Betreibende sei mangels Anwaltsunterschrift unwirksam geblieben. Das Rekursgericht wies den Rekurs, soweit er sich gegen die beschlussmäßige Einstellung der Exekution richtete, als unzulässig zurück und änderte den angefochtenen Beschluss im Übrigen dahin ab, dass der Antrag der Betreibenden auf Enthebung des Verfahrenshelfers abgewiesen werde. Zu dem (noch allein Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens) bildenden Beschlusspunkt „Einstellung der Exekution" führte die zweite Instanz aus, diesem Beschluss liege unbestritten eine von der Betreibenden eigenhändig unterfertigte gültige Prozesserklärung zu Grunde. Diese Erklärung gelte, nicht weil sie gewollt, sondern weil sie gesetzt worden sei. Der Fall eines Widerrufs einer Prozesshandlung wegen Vorliegens eines Wiederaufnahmsgrundes liege nicht vor. Nicht einmal im Fall eines Prozessbetrugs könnte eine gesetzte Prozesshandlung übergangen werden. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage der (Wirksamkeit einer) Prozesshandlung einer Partei, für die ein Verfahrenshelfer nach dem Übereinkommen bestellt worden sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Verfahrenshelfers - lediglich gegen den zurückweisenden Teil des zweitinstanzlichen Beschlusses - ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Zurückziehung des Rekurses des Verfahrenshelfers durch die Betreibende:

Wäre die Zurücknahme des Rekurses des Verfahrenshelfers ON 88 durch die Betreibende wirksam erfolgt, wäre die dadurch geschaffene Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses (die bereits durch Einlangen des bezüglichen Schriftsatzes bei Gericht eintritt), in jeder Lage von Amts wegen wahrzunehmen (1 Ob 217/70 = SZ 43/168 u.a.; RIS-Justiz RS0039897). Das Rekursverfahren wäre beendet. Mangels Anwaltsunterschrift der Eingabe der Betreibenden ON 89 ist die Wirksamkeit von der darin ausgesprochenen Rücknahmeerklärung des Rekurses ihres Verfahrenshelfers ON 88 aber zu verneinen:

Die schriftliche Zurückziehung eines Rekurses durch Überreichung eines an das Erstgericht gerichteten Schriftsatzes ist im Exekutionsverfahren in Analogie zu § 78 EO, §§ 484, 513 ZPO zulässig und mit deklarativem Beschluss zur Kenntnis zu nehmen (3 Ob 1003/96 vom 21. Oktober 1998 mwN); dieser Schriftsatz bedarf aber einer Anwaltsunterschrift: Da zufolge § 78 EO iVm § 520 Abs 1 letzter Halbsatz ZPO schriftlich eingebrachte Rekurse im Exekutionsverfahren (mit Ausnahme in Verfahren nach den §§ 382a und 399a EO) mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein müssen (Jakusch in Angst, EO, § 52 Rz 1, § 65 Rz 29), besteht auch für deren Zurücknahme Anwaltspflicht (vgl. Pimmer in Fasching/Konecny2 § 484 ZPO Rz 4). Die von der Betreibenden eingebrachte Rücknahmeerklärung ist jedoch weder von ihrem Verfahrenshelfer noch von einem frei gewählten Rechtsanwalt unterfertigt. Da das Fehlen der Anwaltsunterschrift einen verbesserungsbedürftigen Verfahrensmangel darstellt (G. Kodek in Fasching/Konecny2 §§ 84, 85 ZPO Rz 76), ist einer Partei auf möglichst einfache Weise Gelegenheit zur Verbesserung zu geben (§ 59 Abs 1 GeO); zweckmäßigerweise wäre das Original der Eingabe an die Betreibende mit einer entsprechenden Belehrung und einem Verbesserungsauftrag durch Beibringung der Unterschrift entweder des Verfahrenshelfers oder eines freigewählten (anderen) Rechtsanwalts zurückzustellen gewesen; weiters wäre auch darauf hinzuweisen gewesen, dass die Rekursrücknahme mündlich zu gerichtlichem Protokoll erklärt werden kann (Jakusch aaO). Das Erstgericht erachtete es als ausreichend, eine Kopie des Schriftsatzes der Betreibenden an ihren Verfahrenshelfer zu übersenden. Dieser setzte gegenüber dem Gericht keine Reaktion, sodass die Rekursrücknahmeerklärung ohne Anwaltsunterschrift und - wegen des Anwaltszwangs - unwirksam blieb. Die „Note", mit der das Erstgericht die Zurücknahme des Rekurses daraufhin zur Kenntnis nahm, war daher jedenfalls verfehlt. Weil mit ihr keine rechtlichen Wirkungen verbunden sind, war die Fortsetzung des Rekursverfahrens durch die dann doch erfolgte Vorlage des Rekurses an die zweite Instanz zulässig (RIS-Justiz RS0042035; Pimmer aaO Rz 14).

2. Die Stellung eines dem Anspruchswerber nach dem Übereinkommen zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalts entspricht grundsätzlich der des nach § 64 ZPO beigegebenen Verfahrenshilfeanwalts (Fucik in Rechberger³, § 64 ZPO Rz 2). Wie bei einem solchen ist das zur Partei bestehende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur und wird durch die Normen des Prozessrechts einschließlich der Vorschriften der Rechtsanwaltsordnung über die Verfahrenshilfevertretung geregelt (M. Bydlinski in Fasching/Konecny² § 64 ZPO Rz 17). Zusätzlich sind bei einem nach dem Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt die in § 6 Abs 3 des DurchführungsG genannten Ausnahmen zu beachten. Diese lassen sich dahin zusammenfassen, dass der Verfahrenshelfer auch ohne Zustimmung der Partei zu Sachdispositionen, also zur Abgabe eines Anerkenntnisses, Verzichts und eines Vergleichs ermächtigt ist (§ 31 Abs 1 Z 2 ZPO). Andererseits ist er in seiner Stellung insofern eingeschränkt, als er vereinnahmte Geldbeträge an den Anspruchswerber nur dann überweisen darf, sofern die ausländische Übermittlungsstelle keine andere Vorgangsweise erbeten hat. Die weiteren, die Tätigkeit des dem Anspruchswerber beigegebenen Rechtsanwalt betreffenden Regelungen beziehen sich nur auf Informationspflichten und die Abwicklung des Schriftverkehrs: Ersucht das BMJ den zur Vertretung des Anspruchswerbers bestellten Rechtsanwalt um Bekanntgabe des Verfahrensstandes, hat dieser die Übermittlungsstelle unmittelbar zu verständigen. Ein allfälliger Schriftverkehr mit dem Anspruchswerber ist gleichfalls im Wege des BMJ abzuwickeln (§ 6 Abs 5 des DurchführungsG). Andere Regelungen betreffend die Stellung und die Befugnisse des bestellten Rechtsanwalts (Verfahrenshelfers) sind in diesem DurchführungsG nicht enthalten; insbesondere ist keine Bestimmung vorhanden, aus der sich Unterschiede zu den Regeln der ZPO in Ansehung der Gültigkeit und Wirksamkeit von Prozesserklärungen ergeben. Ob die von der Betreibenden abgegebene Sachdispositionserklärung (ihr Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 6 EO) wirksam ist, obwohl ihr ein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe gemäß § 6 Abs 3 des DurchführungsG beigegeben ist, richtet sich somit allein nach den Bestimmungen der EO bzw. gemäß § 78 EO nach jenen der ZPO. Nach diesen kommt es für die Gültigkeit der Sachdispostionserklärungen darauf an, ob absolute oder relative Anwaltspflicht besteht. Während in Prozessen mit absoluter Anwaltspflicht grundsätzlich nur der bevollmächtigte Rechtsanwalt (bzw. der bestellte Verfahrenshilfeanwalt) Willenserklärungen wirksam gegenüber dem Gericht abgeben kann, ist im Parteiprozess die Partei selbst postulationsfähig. In diesen Verfahren können Partei und Anwalt nebeneinander handeln (§ 26 Abs 1 und 2 ZPO; Fucik aaO § 26 ZPO Rz 3). Die Partei ist nicht gehindert, Sachdispositionserklärungen auch anstelle des Bevollmächtigten persönlich vorzunehmen (RZ 2000/39 u.a.; Zib in Fasching/Konecny², § 26 ZPO Rz 80), dies selbst ohne dessen Wissen (ZBl 1923/207). Gemäß § 52 EO ist im Exekutionsverfahren die Vertretung durch Rechtsanwälte weder vor den Bezirksgerichten noch vor den Gerichtshöfen erster Instanz geboten; es herrscht weder absolute noch relative Anwaltspflicht (Jakusch aaO § 52 Rz 1). Daraus folgt, dass die inzwischen volljährig gewordene Betreibende Erklärungen gegenüber dem Gericht auch ohne Anwaltsunterschrift wirksam abgeben konnte. Ihr Antrag auf Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 6 EO ist demnach als gegenüber dem Exekutionsgericht wirksam anzusehen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem im Exekutionsverfahren geltenden Dispositionsgrundsatz, nach dem der betreibende Gläubiger insofern Herr des Exekutionsverfahrens ist, als er bestimmt, ob, wann, zur Erwirkung welcher Leistung und mit welchem Mittel Exekution geführt wird (Jakusch aaO § 39 Rz 36). Diese Dispositionsbefugnis kommt gerade im Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 6 EO zum Ausdruck. Für die Ansicht, der Dispositionsgrundsatz sei in einem Verfahren nach dem Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland insofern eingeschränkt, als ein Antrag auf Einstellung der Exekution der Zustimmung des dem Anspruchswerber beigegebenen Rechtsanwalts bedarf, fehlt jede Grundlage: Dass eine Exekutionsführung selbst gegen den ausdrücklich geäußerten Willen der Betreibenden fortgesetzt wird, ist aus dem in Art 1 Abs 1 des Übereinkommens festgelegten Zweck der Erleichterung der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs nicht ableitbar, weiters nicht aus dem Wortlaut der übrigen Artikel des Übereinkommens noch aus jenem des DurchführungsG zum Übereinkommen oder aus dem Gesamtzusammenhang dieser Bestimmungen. Auch in den Gesetzesmaterialien zum DurchführungsG zum Übereinkommen (RV 918 BlgNR 11. GP, 7 f; RV, 676 BlgNR 16. GP) findet diese Rechtsansicht keine Stütze.

Da Anträge des betreibenden Gläubigers auf Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 6 EO keiner Begründung bedürfen (Jakusch aaO § 39 Rz 38), ist für die Wirksamkeit der Erklärung der Betreibenden weiters ohne Bedeutung, ob der im Einstellungsantrag enthaltene Hinweis, es liege „Vollzahlung" vor, den Tatsachen entspricht oder doch noch Unterhaltsrückstände bestehen sollten.

§ 6 Abs 5 des DurchführungsG, nach dem ein allfälliger Schriftverkehr mit dem Anspruchswerber im Weg des BMJ abgewickelt werden soll, ist im Hinblick auf den in Art 1 festgelegten Zweck des Übereinkommens als bloße Ordnungsvorschrift zu verstehen, deren Verletzung die Gültigkeit direkt gegenüber dem Gericht abgegebener Prozesserklärungen nicht berührt.

3. Nicht stichhältig ist das gegen die Wirksamkeit des Einstellungsantrags der Betreibenden weiters vom Verfahrenshelfer ins Treffen geführte Argument, die Betreibende sei mangels Kenntnis der deutschen Sprache postulationsunfähig. § 185 ZPO bildet keine eigene Prozessvoraussetzung, sondern betrifft nur die Fähigkeit, in der mündlichen Verhandlung verständlich vorzutragen (Fucik aaO § 185 ZPO Rz 2; Schragel in Fasching/Konecny², § 185 ZPO Rz 1). Hier hat die Betreibende mittels eines in deutscher Sprache verfassten Schriftsatzes auf unmissverständliche Weise ihrem Wunsch Ausdruck verliehen, das Exekutionsverfahren möge eingestellt werden. Die Befürchtung ihres Verfahrenshelfers, der Betreibenden könnte mangels ausreichender Sprachkenntnisse der Inhalt bzw. die Tragweite ihrer - möglicherweise von ihrem Vater (dem Verpflichteten) oder dessen Rechtsfreund vorformulierte - Erklärung nicht ausreichend bewusst geworden sein, vermag an der Wirksamkeit des Einstellungsantrags nichts zu ändern. Nur ein objektiv erkennbares Fehlen des Handlungs- und Erklärungswillens, eine inhaltliche Unbestimmtheit oder ein inhaltlicher Widerspruch müsste zur amtswegigen Zurückweisung der Prozesshandlung führen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 761). Aus dem Erscheinungsbild des Einstellungsantrags ergeben sich für derartige Mängel keine ausreichenden Hinweise. Sollte, wie der Verfahrenshelfer weiters vermutet, der Einstellungsantrag der Betreibenden durch einen Irrtum veranlasst worden sein, könnte die Erklärung nur in dem durch die Prozessgesetze selbst eingeräumten Umfang oder mit Mitteln des Prozessrechts beseitigt werden (Fasching aaO Rz 762).

4. Letztlich wird im Rechtsmittel neuerlich vorgebracht, ein Verfahrenshelfer handle solange allein wirksam für die Partei, solange er nicht rechtskräftig enthoben sei. Damit ist aber nur die Frage des Fortbestehens der Vertretungsbefugnis des Verfahrenshelfers angesprochen. Dieser kann weiterhin wirksam als Prozessvertreter (§ 67 ZPO) handeln, solange er nicht enthoben wurde, auch wenn eine Partei in Prozessen ohne absolute Anwaltspflicht den Antrag auf Enthebung des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalts gestellt hat (M. Bydlinski aaO). Eine in diesem Sinn ergangene rechtskräftige Entscheidung liegt hier vor. Diese Entscheidung gibt dem Verfahrenshilfeanwalt jedoch keine Befugnis, gegen den Willen der Betreibenden ein Rechtsmittel zu erheben, um zu erreichen, dass das Exekutionsverfahren trotz deren wirksam erklärten Einstellungsantrags nach § 39 Abs 1 Z 6 EO weitergeführt wird.

Zutreffend hat das Rekursgericht den vom Verfahrenshilfeanwalt eingebrachten Rekurs zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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