OGH 5Nc22/07s

OGH5Nc22/07s12.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Margaretha S*****, geboren am 16. Mai 1920, *****, vertreten durch Kurt S*****, als Sachwalter, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung des Sachwalterschaftsverfahrens betreffend Margaretha S*****, geboren am 16. 5. 1920 durch das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz an das Bezirksgericht Lilienfeld wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die 87-jährige Margaretha S***** leidet an einem schwer demenziellen Zustandsbild bei morbus Alzheimer, weshalb mit Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 17. November 2003 ihr Sohn Kurt S***** zum Sachwalter bestellt wurde, der alle Angelegenheiten für die Betroffene zu besorgen hat.

Die Betroffene, die zunächst im Sprengel des Bezirksgerichts Lilienfeld lebte, übersiedelte in der Folge in ein Pflegeheim in St. Corona im Sprengel des Bezirksgerichts Baden, das am 2. 2. 2004 die Zuständigkeit der Pflegschaftssache übernahm. Noch im selben Jahr übersiedelte die Betroffene in das Seniorenhaus „*****" in Graz-Pirka. Daraufhin wurde die Pflegschaftssache, die mittlerweile vom Bezirksgericht Baden geführt worden war, an das Bezirksgericht Graz übertragen. Anfangs 2007 übersiedelte das Seniorenheim „*****" von Graz vorübergehend nach 1220 Wien.

Das Bezirksgericht Donaustadt lehnte mangels polizeilicher Meldung der Betroffenen in Wien die Übernahme der Sachwalterschaft ab. Am 3. 3. 2007 teilte der Sachwalter dem Bezirksgericht Graz mit, dass in einigen Monaten das Seniorenheim „*****" nach Niederösterreich, und zwar in den Raum St. Pölten endgültig übersiedeln werde. Der meldebehördliche Hauptwohnsitz der Betroffenen befand sich stets im Sprengel des Bezirksgerichts Lilienfeld, nämlich in *****. Das ist auch die Wohnadresse des Sachwalters Kurt S*****.

Das Bezirksgericht Graz-Ost übertrug mit Beschluss vom 9. 8. 2007 gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN seine Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Lilienfeld. Dieses lehnte mit Beschluss vom 13. 9. 2007 die Übernahme des Verfahrens mit der Begründung ab, die Betroffene habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Sprengel des Bezirksgerichtes Lilienfeld. Die behördliche Meldung (Hauptwohnsitz) sei nicht maßgebend. Gerade im Pflegschaftsverfahren komme es auf die räumliche Nähe der Betroffenen zum Pflegschaftsgericht maßgeblich an.

Daraufhin legte das Bezirksgericht Graz gemäß § 111 Abs 2 JN die Sache dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung ist nicht zu genehmigen.

Die Bestimmung des § 109 JN knüpft die örtliche Zuständigkeit für Sachwalterschaftsverfahren daran, dass der Pflegebefohlene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des betreffenden Gerichts hat. Die Bestimmung nimmt also auf ein bestimmtes örtliches Naheverhältnis Bezug, das es in der Regel als zweckmäßig erscheinen lässt, bei Verlegung des Mittelpunkts der Lebensführung in einen anderen Gerichtssprengel die Zuständigkeit dahin zu übertragen, wo der neue Lebensmittelpunkt des Betroffenen liegt. Auf die polizeiliche Meldung des Pflegebefohlenen kommt es dabei nicht an (4 Ob 254/04p = EFSlg 108.748).

Abgelehnt wird von der Rechtsprechung eine Zuständigkeitsverlagerung dann, wenn - wie es hier der Fall ist - der künftige Aufenthalt (in einem der beiden Gerichtssprengel) noch nicht feststeht (vgl 4 Nc 37/03h = ÖA 2004, 338) oder solange der Aufenthalt des Betreffenden noch nicht stabil ist (LGZ Wien EFSlg 105.528; 108.750; OLG Wien EFSlg 79.104).

§ 111 Abs 1 JN ordnet an, dass das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen kann, wenn das im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn der Aufenthalt des Pflegebefohlenen und der Mittelpunkt seiner Lebensführung in jenen Gerichtssprengel verlegt wurde, an dessen Gericht die Pflegschaftssache übertragen werden soll (EF 54.947 mwN, 97.946, 108.748 u.a.). Dass die Übertragung im Interesse des gesetzlichen Vertreters liegt, rechtfertigt keine Übertragung (EF 57.696). Weil noch nicht feststeht, im Sprengel welchen Bezirksgerichts der endgültige Aufenthalt der Betroffenen sein wird, der jetzige Aufenthalt definitiv nur auf kurze Zeit beschränkt ist, ist mit der Zuständigkeitsübertragung durch das derzeit zuständige Gericht zuzuwarten, bis nach den oben dargelegten Kriterien eine bessere Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes durch ein anderes Gericht wahrgenommen werden kann.

Spruchgemäß war daher die Übertragung der Sachwalterschaftssache nicht zu genehmigen.

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