OGH 4Ob254/04p

OGH4Ob254/04p21.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Adrienne F*****, geboren am *****, infolge "Beschwerde" (richtig: Rekurses) des Sachwalters Prof. Stephan F*****, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als zur Entscheidung gem § 111 Abs 2 JN zuständigem Gericht vom 7. September 2004, GZ 12 Nc 35/04w-3, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Betroffene hat seit rund 25 Jahren ihren ständigen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Wiener Neustadt.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien war seit 1969 das für die Führung der Sachwalterschaftssache (früher Pflegschaftssache) zuständige Gericht. Es übertrug mit Beschluss vom 14. 5. 2004 die Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache dem Bezirksgericht Wiener Neustadt; dieses verweigerte die Übernahme der Zuständigkeit mangels Zweckmäßigkeit.

Das Oberlandesgericht Wien genehmigte mit dem angefochtenen Beschluss die Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Sachwalterschaftssache an das Bezirksgericht Wiener Neustadt, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung der Betroffenen liege. Der Aufenthalt des Sachwalters spiele nur im Ausnahmefall eine Rolle. Dessen Verkehr mit dem Gericht beschränke sich auf das Verfassen schriftlicher Eingaben; er könne bei Bedarf auch im Rechtshilfeweg einvernommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der (als "Beschwerde" bezeichnete) Rekurs des Sachwalters gegen die Übertragung der Zuständigkeit der Sachwalterschaftssache richtet, ist das Rechtsmittel trotz Verspätung (vgl § 11 Abs 2 AußStrG) und unrichtiger Bezeichnung (RIS-Justiz RS0036258) zulässig (Mayr in Rechberger, ZPO² § 111 JN Rz 6); es ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Pflegschaftssache an jenes Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen liegt (EFSlg 72.819; EFSlg 75.979; EFSlg 79.100; EFSlg 82.110; RIS-Justiz RS0049144).

Diese Voraussetzung trifft nach der Aktenlage auf das Bezirksgericht Wiener Neustadt zu, in dessen Sprengel die Betroffene seit Jahren lebt. Dass im Anlassfall der nicht im selben Gerichtssprengel liegende Wohnsitz des Sachwalters einen hemmenden Einfluss auf die wirksame Handhabung des der Pflegebefohlenen zugedachten pflegschaftsgerichtlichen Schutzes haben könnte, ist nicht zu erkennen. Auch liegen keine Anhaltspunkte vor, wonach es zweckmäßiger wäre, die Sachwalterschaftssache beim bisher zuständigen Gericht zu belassen.

Dem Rekurs kann kein Erfolg beschieden sein.

Soweit sich der Beschwerdeführer ganz allgemein gegen die "gesamte Behandlung" des Aktes durch die betroffenen Bezirksgerichte wendet, ist dies nicht Gegenstand einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN.

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