OGH 14Os118/07w

OGH14Os118/07w2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 122 Hv 31/07h des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Helmut E***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 16. August 2007, GZ 19 Bs 258/07s (= ON 952), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Helmut E***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der B***** AG, nachfolgend B***** AG, Helmut E*****, werden mit rechtskräftiger Anklageschrift vom 23. Oktober 2006 (ON 403) die Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB mit einem Gesamtschaden zum Nachteil der Bank von über 1,4 Mrd Euro und des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (Schaden zum Nachteil des Geldinstituts ca 7,5 Mio Euro) sowie Vergehen nach § 255 Abs 1 Z 1 AktG zur Last gelegt. Zur näheren Detaillierung des Anklagevorwurfs wird auf dessen Referat in hg AZ 14 Os 48/07a verwiesen.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2007 (ON 838) setzte die Vorsitzende des Schöffengerichts die über Helmut E***** am 14. Februar 2007 verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO fort.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Wien einer dagegen erhobenen Beschwerde Helmut E*****s nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem genannten Haftgrund an.

Wie bereits in sechs vorangegangenen Grundrechtsbeschwerden (vgl hg AZ 14 Os 133/06z, 14 Os 144/06t, 14 Os 32/07y, 14 Os 48/07a, 14 Os 70/07m [14 Os 81/07d], 14 Os 99/07a) wendet sich der Beschwerdeführer dagegen allein unter Bestreitung der Annahme des Haftgrunds der Fluchtgefahr.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem sich (teils wortident) überwiegend mit früheren Grundrechtsbeschwerden deckenden neuerlichen Vorbringen war der Beschwerdeführer - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die zitierten Vorentscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu verweisen. Demnach hat das Oberlandesgericht Wien, das - der Beschwerde zuwider (deren S 4) - nicht gehalten war, sich mit der mündlichen Begründung der Vorsitzenden (S 229 ff/97) näher auseinanderzusetzen, weil es selbst eine reformatorische Entscheidung zu treffen hat (RIS-Justiz RS0116421), die bestimmten Tatsachen, auf die es die Annahme der Fluchtgefahr gründete, frei von Willkür (RIS-Justiz RS0117806) und mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung in den Umständen eines ausreichenden Fluchtvermögens, der für den Fall einer Verurteilung drohenden massiven Freiheitsstrafe, des gefestigten Auslandsbezugs des Angeklagten E*****, seiner eine Fluchtintention stützenden Zweifel an der Abführung eines fairen Verfahrens, seines bisherigen luxuriösen Lebenszuschnitts in Verbindung mit seinem Alter erblickt (BS 17 ff).

Neuerlich sei der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass das Oberlandesgericht nicht verpflichtet war, sämtliche aus dessen Sicht erörterungsbedürftigen Umstände bei seiner Prognose der Fluchtgefahr explizit anzuführen (13 Os 118/03; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428; Ratz,

Zur Bedeutung von Nichtigkeitsgründen im Grundrechtsbeschwerdeverfahren ÖJZ 2005, 418).

Die isolierte Hervorhebung einiger Passagen aus den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. St***** in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 2007 in Bezug auf im Jahr 2006 vorgelegene Transportfähigkeit vermag demgegenüber ebenso wenig eine im Sinne obiger Ausführungen mangelhafte Begründung des Oberlandesgerichts darzutun wie der - iS der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht erörterungsbedürftige - Einwand, durch die im Auslieferungsverfahren erteilte Weisung des französischen Gerichts, in M***** Aufenthalt zu nehmen, sei ihm verwehrt worden, freiwillig den Weg nach Österreich anzutreten (Beschwerde S 5).

Dass eine über den Fall berichtende Verlagsgesellschaft zwischenzeitig zu einer medienrechtlichen Entschädigungszahlung verpflichtet wurde, ist hier nicht von entscheidender Bedeutung, hat das Oberlandesgericht doch den betreffenden Berichten der Reporter keine haftrelevante Bedeutung beigemessen (BS 23).

Frei von Willkür sind - dem Beschwerdevorbringen zuwider - auch die Annahmen des Oberlandesgerichts zur Verschleierung der Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers (BS 20 f), welche auf die Auslagerung der Kontounterlagen ins Anwesen seiner Sekretärin Bezug nehmen.

Keiner näheren Erörterung bedurfte das Vorbringen des Angeklagten E*****, dass ihm - ungeachtet seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Bankangestellter in langjähriger Leitungsfunktion - jegliches finanztechnische Know-how und Verständnis im Bezug auf Bilanzierung fehle (Beschwerde S 7).

Welche Bedeutung der Umstand, dass die „Karibikverluste" letztlich durch Verkauf der B***** abgedeckt werden konnten (Beschwerde S 8), für den inkriminierten Milliardenschaden haben soll, legt die Beschwerde nicht substanziiert dar.

Aus dem - neuerlichen - Verweis auf die hg Entscheidung AZ 13 Os 81/07x ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, lagen jener Entscheidung doch - im Gegensatz zur hier in Rede stehenden Konstellation - bloß vage Auslandskontakte des Beschuldigten zugrunde und argumentierte das Oberlandesgericht dort bloß mit dem Hinweis auf den Strafrahmen.

Mit Blick auf die weitere, unter Aktenbezug auf einen Fluchtfonds hinweisende mängelfreie Argumentation des Oberlandesgerichts bleibt nach Lage des Falls für eine Substituierbarkeit der Haft durch gelindere Mittel weiterhin kein Raum und kann von einer Unverhältnismäßigkeit der zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung erst knapp mehr als sechs Monate dauernden Untersuchungshaft keine Rede sein.

Da Helmut E***** insgesamt im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

Stichworte