Spruch:
1.) Die Parteibezeichnung der beklagten Partei wird berichtigt auf „N***** Versicherung AG".
2.) Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Zu 1.): Die Änderung der Firma der beklagten Partei ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN *****), weshalb die Berichtigung der Parteibezeichnung auch im Revisionsverfahren gemäß § 235 Abs 5 ZPO vorzunehmen war.
Zu 2.) Der Kläger wurde am 22. 7. 1993 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt (insbesondere Amputation des rechten Beins am Oberschenkel).
Im außergerichtlichen Vergleich vom 18. 10. 1994 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber dem Kläger zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 267.000 (EUR 19.403,65) für alle bis 31. 12. 1995 bekannten und voraussichtlich auftretenden Schmerzen des Klägers. Die Beklagte erklärte, die Haftung aus dem Verkehrsunfall dem Grunde nach anzuerkennen und auf die Einrede der Verjährung hinsichtlich allfälliger künftiger Ansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall zu verzichten.
Im Verfahren 1 Cg 148/98p des Landesgerichtes St. Pölten wurde die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzengeldes von ATS 150.000 (EUR 10.900,93) an den Kläger für den Zeitraum vom 1. 1. 1996 bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz verurteilt.
Im Verfahren 29 Cg 37/03f des Landesgerichtes St. Pölten begehrte der Kläger von der Beklagten für die Jahre 2000 bis 2002 ua ein weiteres Schmerzengeld. In diesem Verfahren wurde am 15. 1. 2004 folgender Vergleich abgeschlossen:
„1.) Die beklagte Partei verpflichtet sich, dem Kläger binnen 14 Tagen nach Rechtswirksamkeit des Vergleiches EUR 22.720 zu bezahlen und die mit EUR 6.928 verglichenen Prozesskosten zu ersetzen.
2.) Mit diesem Vergleich sind sämtliche Forderungen des Klägers mit Ausnahme der allenfalls von der beklagten Partei zu tragenden Kosten einer neuen (zweiten) rechten Beinprothese des Klägers bis zum 15. 1. 2004 bereinigt und verglichen.
...."
Im nunmehrigen Verfahren begehrt der Kläger ua EUR 6.000 an
Schmerzengeld für die Jahre 2004 und 2005.
Die Beklagte wandte dagegen insbesondere ein, eine Schmerzengeldrente komme nicht in Betracht, die Schmerzengeldansprüche des Klägers hätten schon wesentlich früher im Rahmen einer Globalbemessung geltend gemacht werden müssen. Schon am 26. 1. 1999 sei eine Globalbemessung des Schmerzengeldes möglich gewesen, weil damals die künftigen Schmerzen bzw Schmerzperioden abschätzbar gewesen seien. Messbare Schäden seien innerhalb der kurzen Verjährungsfrist ab erstmaliger Möglichkeit der Berechnung im Rahmen einer Globalbemessung geltend zu machen. Die Schmerzengeldansprüche des Klägers seien verjährt. Mit den von der Beklagten bisher geleisteten Zahlungen seien die gerechtfertigten Ansprüche abgefunden worden. Der Kläger replizierte, die Beklagte habe nicht nur seinerzeit ausdrücklich, sondern auch durch Einlassung in weitere Verfahren nach dem Jahr 1999 konkludent erklärt, auf den Einwand der Verjährung zu verzichten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich des eingeklagten Schmerzengeldes ab. Es stellte fest, dass nach Erreichen des Endausheilungszustandes als Dauerfolge des Unfalles komprimiert auf den 24-Stunden-Tag durchschnittlich 30 Tage leichte Schmerzen pro Jahr beim Kläger auftreten würden. Angesichts der zwar nicht zur Gänze ausschließbaren, aber auch nicht besonders wahrscheinlichen Komplikationen bzw Spätfolgen wäre eine Globalbemessung des Schmerzengeldbegehrens bereits mit Erstattung des Sachverständigengutachtens in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29. 1. 1999 im Verfahren 1 Cg 148/98p des Landesgerichtes St. Pölten möglich gewesen. Unter Einbeziehung des bis zum Endausheilungszustand zustehenden Schmerzengeldes (13 Tage starke, 35 Tage mittelstarke, 180 Tage leichte Schmerzen) sowie unter Berücksichtigung der danach weiterhin vorhandenen dauerhaften Schmerzempfindung im Umfang von 30 Jahren leichten Schmerzen pro Jahr erscheine ein Schmerzengeld von insgesamt EUR 60.000,-- angemessen. Der Kläger habe bislang EUR 42.280,38 erhalten.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, ab der Gutachtenserstattung am 26. 1. 1999 seien keine Gründe für eine Teileinklagung vorgelegen, ab damals sei eine Globalbemessung des Schmerzengeldes möglich gewesen. Dennoch habe der Kläger in den Vorverfahren nicht die Globalbemessung begehrt, sodass die nunmehr geltend gemachten Schmerzengeldansprüche des Klägers ungeachtet der von der Beklagten abgegebenen Verjährungsverzichtserklärung gemäß § 1489 ABGB verjährt seien. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers hinsichtlich des Schmerzengeldbegehrens von EUR 6.000,-- sA Folge und verurteilte die Beklagte (ua) zur Bezahlung dieses Schmerzengeldes. Auch im Verfahren 29 Cg 37/03f des Landesgerichtes St. Pölten sei festgestanden, dass der Endausheilungszustand des Klägers erreicht gewesen sei und sich an den für ihn Zeit seines Lebens zu erwartenden Schmerzen mit größter Wahrscheinlichkeit nichts mehr ändern werde. Indem die Beklagte im Vergleich vom 15. 1. 2004 trotzdem für den Zeitraum ab 2000 Schmerzengeldansprüche zuerkannt und ausdrücklich festgehalten habe, dass damit die Forderungen des Klägers bis 15. 1. 2004 abgegolten sein sollten, sei auch der schon in diesem Verfahren mögliche und erstattete Einwand der Globalbemessung mitverglichen. Es liefe Treu und Glauben zuwider, wenn man nun dem Kläger für die Zeit nach dem 15. 1. 2004 kein Schmerzengeld mehr zuspräche. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision über Antrag der Beklagten gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich zu. Man könnte mit der Revisionswerberin die Ansicht vertreten, dass dem Vergleichsabschluss vom 15. 1. 2004 keine Aussagekraft und vor allem kein Verpflichtungswille hinsichtlich künftiger Ansprüche ab dem 15. 1. 2004 zukomme und sohin die der Berufungsentscheidung zugrundeliegende Bezugnahme auf „Treu und Glauben" dem zitierten Rechtssatz in RIS-Justiz RS0014287 widerstreite.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Ob man wie das Erstgericht den Verjährungseinwand der Beklagten durchschlagen lässt oder wie das Berufungsgericht (sinngemäß) den Globalbemessungs- und Verjährungseinwand der Beklagten als gegen Treu und Glauben verstoßend (vgl RIS-Justiz RS0034537) ansieht, hängt hier von der Auslegung des Vergleiches vom 15. 1. 2004 im Vorverfahren ab. Die Auslegung eines Vergleiches stellt keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde, es wäre denn, die Entscheidung des Berufungsgerichtes hätte auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht (RIS-Justiz RS0113785 [T1, 4]). Mag auch im Vorverfahren die Beklagte bereits auf die Möglichkeit und Notwendigkeit, die Schmerzengeldansprüche des Klägers global zu bemessen, hingewiesen haben, so konnte die Beklagte im Vergleich vom 15. 1. 2004 mit der ausdrücklichen Aufnahme des Datums, bis zu welchem Zeitpunkt (auch) die Schmerzengeldansprüche bereinigt und verglichen seien, beim Kläger durchaus die Erwartungshaltung wecken, die Beklagte sei grundsätzlich bereit, später auch Schmerzperioden nach dem 15. 1. 2004 (wenngleich dann allenfalls im Rahmen einer Globalbemessung) abzugelten. Auch angesichts der ursprünglichen Erklärung der Beklagten, auf den Einwand der Verjährung zu verzichten, kann in der sinngemäßen Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Einwendung der Globalbemessung bzw der Verjährung durch die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, von einer krassen Verkennung der Rechtslage nicht gesprochen werden (vgl RIS-Justiz RS0034537 [T 8, 9]).
Mit dem vom Erstgericht und von der Revisionswerberin zitierten Fall 2 Ob 57/67 = ZVR 1968/19 (RIS-Justiz RS0014287) ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Dort lag vom beklagten Haftpflichtversicherer weder ein grundsätzliches Anerkenntnis samt der Erklärung, auf den Einwand der Verjährung zu verzichten, noch ein solches Erklärungsverhalten wie hier im Vergleich vom 15. 1. 2004 vor.
Der vorliegende Fall ist vielmehr mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 34/79 = ZVR 1979/308 vergleichbar. Dort ließ der Oberste Gerichtshof nach einem Vergleich, in dem Schmerzengeldansprüche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgegolten worden waren, die Geltendmachung weiteren Schmerzengeldes für die Zeit danach zu (vgl auch 2 Ob 150/06g; RIS-Justiz RS0031035). Die Revisionswerberin sieht einen Widerspruch in der Begründung des Berufungsurteiles darin, dass das Berufungsgericht durch den Zuspruch eines weiteren rentenmäßigen Bruchteiles des Schmerzengeldes für zwei Jahre vom Grundsatz der Globalbemessung abweiche, obwohl das Berufungsgericht weiter ausführe, dass künftig derartige Teilforderungen nicht mehr geltend zu machen sein würden.
Dem ist zu entgegnen: Auch wenn ein Teilschmerzengeld für einen bestimmten Zeitraum begehrt wird, hat das Gericht nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung mit einer Globalbemessung des Schmerzengeldes vorzugehen und sich dabei innerhalb des ziffernmäßigen Begehrens zu halten, wenn eine zeitliche Beschränkung unbegründet ist. Bei Fehlen der Voraussetzungen für den Zuspruch eines Teilschmerzengeldes kann ohne Verletzung des § 405 ZPO ein global bemessenes Schmerzengeld im Rahmen des ziffernmäßigen Begehrens zuerkannt werden (2 Ob 63/91 mwN; RIS-Justiz RS0031196; RS0031055). Da nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes das bisherige Schmerzengeld von EUR 48.304,58 (unter Einschluss des nunmehrigen Zuspruchs von EUR 6.000) hinter dem als - im Sinne der Globalbemessung - angemessen erachteten Schmerzengeld von EUR 60.000 zurückbleibt, musste das Berufungsgericht nach der von ihm in vertretbarer Weise vorgenommenen Auslegung des Vergleichs dem Schmerzengeldbegehren stattgeben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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