Spruch:
In der Strafsache AZ 10 U 542/06s des Bezirksgerichtes Hernals verletzen die Beschlüsse
(1) dieses Gerichts vom 27. Dezember 2006 (ON 3) im Punkt 2, mit dem der E***** AG aufgetragen worden ist, den Namen und die Anschrift einer Kundin bekannt zu geben, sowie
(2) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 23. Februar 2007, AZ 133 Bl 17/07x (ON 7), soweit der Beschwerde der E***** AG (auch) gegen den Punkt 2 des unter (1) angeführten Beschlusses nicht Folge gegeben worden ist,
das Gesetz in der Bestimmung des § 145a Abs 1 Z 1 StPO. Der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Dezember 2006 (ON 3) wird im Punkt 2 ersatzlos aufgehoben.
Text
Gründe:
Beim Bezirksgericht Hernals ist seit 29. Dezember 2006 zum AZ 10 U 542/06s ein Strafverfahren gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (in eventu der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB) zum Schaden der Ursula M***** anhängig (S 2). Dem liegt die Anzeige der Ursula M***** vom 31. Oktober 2006 zu Grunde, wonach dieser in einer Filiale der E***** AG (in der Folge: E*****) ein Mobiltelefon weggenommen worden sei (S 7). Nach Auskunft eines Bankangestellten sei dieser Vorgang von einer Überwachungskamera festgehalten worden und handle es sich bei der insoweit verdächtigen Person um eine ihm bekannte Bankkundin (S 11 f).
Mit Beschluss vom 27. Dezember 2006 (ON 3) beauftragte das Bezirksgericht Hernals die E*****, der ermittelnden Polizeidienststelle
- 1. die diesbezüglichen Videoaufnahmen auszuhändigen und
- 2. den Namen und die Anschrift der verdächtigen Kundin bekannt zu geben.
Der dagegen erhobenen Beschwerde der E***** (ON 4) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 23. Februar 2007 (ON 7) nicht Folge.
Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, stehen der Punkt 2 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Dezember 2006 sowie die diesen bestätigende Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 38 Abs 1 BWG dürfen (ua) Kreditinstitute sowie für diese tätige Personen Geheimnisse, die ihnen ausschließlich auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder auf Grund des § 75 Abs 3 BWG anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind, nicht offenbaren oder verwerten (Bankgeheimnis).
Die Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses besteht gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG (ua) nicht im Zusammenhang mit eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahren gegenüber den Strafgerichten. Die verfahrensrechtliche Durchführung der Durchbrechung des Bankgeheimnisses regelt § 145a StPO. Nach Abs 1 Z 1 dieser Bestimmung sind Kredit- oder Finanzinstitute und für sie tätige Personen, soweit sie das Bankgeheimnis gemäß § 38 Abs 2 Z 1 BWG nicht zu wahren haben und dies zur Aufklärung eines Verbrechens oder eines Vergehens, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz fällt, erforderlich erscheint, verpflichtet, die Stammdaten, also den Namen, sonstige ihnen bekannte Daten über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung sowie dessen Anschrift bekannt zu geben. Vor der Neufassung des § 145a StPO durch Art II Z 6 StRÄG 2002 BGBl I 134 regelte jene Bestimmung nur die Voraussetzungen der Konto-Öffnung. Demgemäß fiel nach dieser Gesetzeslage die Bekanntgabe von Stammdaten zwar in den Regelungsbereich des § 38 Abs 2 Z 1 BWG, nicht jedoch in den des § 145a StPO (14 Os 4/02, EvBl 2002/105, 391). Die Auskunfterteilung über solche Daten konnte daher nach § 143 Abs 2 StPO (iVm § 38 Abs 2 Z 1 BWG) erwirkt werden.
Diese Konsequenz sollte durch die Novellierung des § 145a StPO mittels Schaffung eines eindeutigen Eingriffstatbestandes vermieden werden. Dabei legte der Gesetzgeber in Weiterführung der die Bestimmung des § 452 Z 4 StPO rechtfertigenden Verhältnismäßigkeitsüberlegungen fest, dass die Auskunft der Aufklärung einer Straftat dienen muss, für deren Verfolgung der Gerichtshof erster Instanz zuständig ist (RV StRÄG 2002, 1166 BlgNR 21. GP 49). Die durch die Gerichtshofzuständigkeit gezogene Beschränkung der Auskunftspflicht ist daher nunmehr auch in Bezug auf die Bekanntgabe von Stammdaten zu beachten (Flora, WK-StPO § 145a Rz 20, 24), welchem Erfordernis der Punkt 2 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals vom 27. Dezember 2006 (ON 3) sowie der diesen bestätigende Teil der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 23. Februar 2007 (ON 7) nicht entsprechen.
Da diese Gesetzesverletzung geeignet ist, der auszuforschenden Verdächtigen zum Nachteil zu gereichen, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Durch die Aufhebung des Punktes 2 des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals ist auch allen darauf basierenden Verfahrensschritten, insbesonders dem diesen Beschlusspunkt betreffenden Teil der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht der Boden entzogen (vgl 14 Os 82/05y, 15 Os 109/05a, 11 Os 78/06i; RIS-Justiz RS0100444). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass - wie vom Generalprokurator mit Recht dargelegt - die Herausgabe der Videoaufnahme (Punkt 1 des Beschlusses vom 27. Dezember 2006) nicht unter das Bankgeheimnis fällt, weil § 38 Abs 1 BWG nur solche Informationen erfasst, die den zur Geheimhaltung Verpflichteten auf Grund der Geschäftsverbindung mit Kunden oder auf Grund einer Großkreditmeldung (§ 75 Abs 3 BWG) anvertraut oder zugänglich gemacht worden sind.
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