OGH 1Ob147/07k

OGH1Ob147/07k14.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Johann L*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Neufestsetzung einer Entschädigung gemäß § 117 Abs 4 WRG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 31. Mai 2007, GZ 4 R 89/07x-13, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 6. März 2007, GZ 4 Nc 1/07p-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Dem Rechtsmittelwerber ist darin beizupflichten, dass der erkennende Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 72/97p ausgeführt hat, dass im gerichtlichen Verfahren nach § 117 Abs 4 WRG Antragsgegner der ex lege von der Finanzprokuratur vertretene Bund sei, weil die Bezirksverwaltungsbehörde in Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes in mittelbarer Bundesverwaltung tätig werde. In der Entscheidung 1 Ob 15/99h wurde an dieser Auffassung festgehalten. Streitgegenständlich waren jedoch in beiden Entscheidungen Kosten der von der zuständigen Behörde veranlassten Entsorgungs- und Sanierungsmaßnahmen auf Grund einer Grundwasserverunreinigung gemäß § 31 WRG. Bei solchen Kosten ist im gerichtlichen Verfahren nach § 117 Abs 4 WRG die Republik Österreich - als materiell Betroffene - passiv legitimiert, wenn die bescheidmäßig zum Ersatz verpflichtete Partei dagegen das Gericht anruft.

2.) In der Entscheidung 1 Ob 106/06d, wo es um eine Entschädigung für die Einschränkung von Nutzungsrechten am Grundstück der Antragsteller aufgrund der Bestimmung eines Schutzgebietes gemäß § 34 WRG ging, sprach der erkennende Senat aus, dass der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte (hier: die Gemeinde), der auch als Wasserberechtigter iSd § 34 Abs 4 WRG zur Leistung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist, passiv legitimiert sei. In einem Verfahren betreffend die Kosten für Entsorgungs- und Sanierungsmaßnahmen auf Grund einer Grundwasserverunreinigung sei zwar gemäß § 31 WRG der Bund (und nicht die die Kontamination angeblich verursachende Person) passiv legitimiert, infolge der Andersartigkeit des Kontaminationsschäden betreffenden Kostenersatzverfahrens sei diese Aussage aber nicht auf den Fall eines Entschädigungsverfahrens infolge Bestimmung eines Wasserschutzgebietes übertragbar.

3.) Auch im vorliegenden Fall geht es um einen Entschädigungsanspruch eines Grundeigentümers, und zwar auf Grund dessen Verpflichtung, wegen der Durchführung eines Hochwasserschutzprojektes im Hochwasserfall vorübergehend veränderte Abfluss- und Einstauverhältnisse zu dulden. Die durch die Einräumung dieses Zwangsrechtes Begünstigte ist die Gemeinde. Wie in der Entscheidung 1 Ob 106/06d ist auch hier für den enteignungsgleichen Eingriff in das Eigentum des Antragstellers eine Entschädigung durch die Gemeinde zu leisten.

4.) Der Antragsteller macht in seinem Rechtsmittel vor allem geltend, der Bund sei passiv legitimiert, weil die Bezirkshauptmannschaft den Bescheid in mittelbarer Bundesverwaltung erlassen habe. Wie der erkennende Senat schon in der Entscheidung 1 Ob 106/06d ausgeführt hat, werden die Parteien des (gerichtlichen) Verfahrens nach § 117 Abs 4 fünfter und sechster Satz WRG als „Enteigneter" und „der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte" bezeichnet. Der Argumentation des Antragstellers, wonach § 117 Abs 4 fünfter und sechster Satz WRG ausdrücklich nur die Aktivlegitimation festlege, ist zwar zu folgen; die Passivlegitimation ist jedoch - wie schon das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat - eine Frage des materiellen Rechts. Im vorliegenden Fall ist die „durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte" die Gemeinde, die auch zur Leistung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet ist.

5.) Soweit der Antragsteller in seinem Rechtsmittel wiederholt darauf hinweist, es gäbe im gesamten WRG keine verschiedenen Fallgruppen von Leistungsverpflichtungen, und das WRG träfe „keine Unterscheidungen zwischen den Begriffen Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, sodass von einer grundsätzlichen rechtlichen Gleichbehandlung derselben auszugehen" sei, ist ihm entgegen zu halten, dass im § 117 Abs 6 WRG sehr wohl eine Unterscheidung zwischen Entschädigungen, Ersätzen und Beiträgen einerseits und Kosten andererseits getroffen wird. Auf Verfahren betreffend die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen und Beiträgen ist - im Gegensatz zum Verfahren betreffend die Pflicht zur Leistung von Kosten gemäß §§ 31 Abs 3 und 4 und 138 Abs 3 und 4 WRG - das Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz, BGBl Nr 71/1954 in der geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden. Nach dem EisbEG ist das Eisenbahnunternehmen, also der durch die Enteignung Begünstigte, verpflichtet, den Enteigneten nach den Grundsätzen des § 365 ABGB schadlos zu halten (§ 4 Abs 1 leg cit). Bei sinngemäßer Anwendung des EisbEG auf den Ersatz von Entschädigungen iSd § 117 Abs 1 WRG ist demnach die Gemeinde, die durch die Einschränkung des Nutzungsrechtes des Antragstellers begünstigt ist, passiv legitimiert. Die Entscheidungen 1 Ob 72/97p und 1 Ob 15/99h hatten hingegen die Pflicht zum Ersatz von Kosten gemäß §§ 31 Abs 3 und 4 WRG, auf welche das EisbEG nicht sinngemäß anzuwenden ist, zum Gegenstand.

6.) Der Antragsteller argumentiert weiters, dass Verfahrensgegenstand nicht die Leistung des Entschädigungsbetrages durch die Gemeinde, sondern das Begehren auf Neufestsetzung der behördlich verfügten Entschädigung sei. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die Gemeinde im gerichtlichen Verfahren nach § 117 Abs 4 WRG passiv legitimiert sein und Parteistellung genießen sollte, zumal ihr nicht einmal im Wasserrechtsverfahren selbst ein Recht zustehe, auf die Höhe der Entschädigung Einfluss zu nehmen. Wenn man den Standpunkt des Antragstellers, dass die Republik Österreich passiv legitimiert sei, konsequent weiter denkt, und wenn dem Klagebegehren stattgegeben und eine höhere Entschädigungsleistung festgesetzt würde, würde die gerichtliche Entscheidung den durch die BH erlassenen Bescheid, in dem die Entschädigungsverpflichtung der Gemeinde festgesetzt wurde, ersetzen. Die Festsetzung eines höheren Entschädigungsbetrages durch eine gerichtliche Entscheidung würde bedeuten, dass der Antragsteller auf Grund dessen den festgesetzten Entschädigungsbetrag von der Gemeinde auch einfordern könnte. Die Gemeinde würde also im Ergebnis durch die gerichtliche Entscheidung verpflichtet werden, einen höheren Entschädigungsbetrag an den Antragsteller zu leisten, obwohl sie an diesem Verfahren nie beteiligt war und keine Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern. Dies würde eine eklatante Verletzung des Rechtes auf Gehör iSd Art 6 EMRK darstellen.

Es ist zwar zutreffend, dass das Gericht bei der Bemessung der Entschädigungsleistung eine Interessenabwägung vorzunehmen und auch die Interessen der Gemeinde zu berücksichtigen hat. Das Argument des Rechtsmittelwerbers, dass dem Genüge getan wäre, wenn die Republik Österreich der Gemeinde den Streit verkündete, geht jedoch ins Leere. Das Verfahren nach § 117 Abs 4 WRG ist ein außerstreitiges Verfahren. Die Zulässigkeit der Streitverkündung und der Nebenintervention im AußStrG nF wurde ausdrücklich abgelehnt (6 Ob 236/06h; 10 Ob 29/06x). Nach den Gesetzesmaterialien (224 BlgNR 22. GP 23 - abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG, 43) bestehen für eine Einführung des Instituts der Nebenintervention - zumindest im Allgemeinen Teil - keine „überzeugenden Bedürfnisse", da derjenige, dessen rechtliche Interessen durch das Verfahren nicht geschützt sind, im Allgemeinen keine Rechtsstellung im Verfahren haben soll.

7.) Aus den angeführten Gründen bestehen daher auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 117 WRG.

8.) Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, vermag die Argumentation, es sei ein allgemeiner, dem Modell des „sukzessiven Instanzenzugs" innewohnender Grundsatz, dass der Entscheidungsträger im Verwaltungsverfahren im darauf folgenden Gerichtsverfahren passiv legitimiert sei (zB § 66 ASGG)", nicht zu überzeugen, da der Sozialversicherungsträger in Sozialrechtssachen nicht nur Entscheidungsträger im Verwaltungsverfahren, sondern zugleich materiell Verpflichteter bezüglich des Gegenstands des Rechtsstreits ist.

9.) Da die Entscheidungen 1 Ob 72/97p und 1 Ob 15/99h Kosten gemäß § 31 WRG betreffen und die Entscheidung 1 Ob 106/06d - wie auch im hier zu beurteilenden Fall - die Festsetzung einer Entschädigung auf Grund der Einschränkung von Nutzungsrechten zum Gegenstand hat, liegt keine uneinheitliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor, da die Passivlegitimation beim Kostenersatzverfahren gemäß § 31 WRG anders zu beurteilen ist.

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