OGH 6Ob236/06h

OGH6Ob236/06h9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 1. Oktober 2005 verstorbenen Herta A*****, über den Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Sabine K*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. Juli 2006, GZ 43 R 326/06v-78, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 18. April 2006, GZ 7 A 296/05v-58, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Drittantragstellerin Ö*****, vertreten durch Mag. Werner Suppan Rechtsanwalt GmbH in Wien, wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die erblasserische Tochter Sabine K***** gab aufgrund eines am 12. 5. 2004 vom öffentlichen Notar Dr. ***** T***** errichteten Testaments die Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Drei weitere Parteien gaben gleichfalls Erbantrittserklärungen ab. Dabei wurde unter anderem von der Zweitantragstellerin Karin F***** die Formungültigkeit dieses Testaments mit der Begründung behauptet, dieses entspreche nicht den Formvorschriften der §§ 568, 569 ABGB. Mit Schriftsatz vom 11. 4. 2006 (ON 54) verkündete Sabine K***** Notar Dr. ***** T***** den Streit und forderte ihn auf, dem Erbrechtsfeststellungsverfahren als Nebenintervenient auf ihrer Seite beizutreten. Für alle Formfehler, die bei der Errichtung des letzten Willens vom 12. 5. 2004 allenfalls unterlaufen wären, würde ihr Notar Dr. T***** haften.

In der Tagsatzung vom 18. 4. 2006 (ON 55) beantragte die Vertreterin der Erstantragstellerin Sabine K***** die Zulassung des Notars Dr. T***** als Nebenintervenient, hilfsweise als Partei, mit der Begründung, dieser sei unmittelbar von der Feststellung des Erbrechts hinsichtlich der Erstantragstellerin betroffen; andernfalls „drohe" eine Verfahrenswiederholung.

Mit Beschluss vom 18. 4. 2006 wies das Erstgericht diesen Antrag ab. Der materielle Parteibegriff des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG sei möglichst eng und scharf zu fassen. Bei einem allzu weiten Parteienbegriff würden die übrigen Parteien, die primär rechtlich Interessierten, ihres rechtlichen Gehörs nicht mehr in effektiver Weise teilhaftig werden können. Nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG seien materielle Parteien nur jene Personen, deren rechtlich geschützte Stellung durch die gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde, wobei bloße Reflexwirkungen keine solche unmittelbare Beeinflussung der rechtlich geschützten Stellung darstellten.

Die rechtlich geschützte Stellung des Notars Dr. T***** werde durch die gerichtliche Entscheidung nicht unmittelbar beeinflusst. Im Außerstreitgesetz fänden sich keine Vorschriften über das Institut der Nebenintervention, sodass der Antrag auf Zulassung des Notars Dr. T***** als Nebenintervenient abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Es billigte ausdrücklich die Rechtsansicht des Erstgerichtes, räumte allerdings ein, dass die Argumente der Rekurswerberin im Hinblick auf die Verschlechterung zur früheren Rechtslage im Erbrechtsfeststellungsverfahren nicht gänzlich unbeachtlich seien. Hier könne aber nur der Gesetzgeber selbst Abhilfe schaffen. Im Hinblick auf diese Problematik sei jedoch der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG sind zunächst der Antragsteller und Antragsgegner Parteien. Insoweit liegt dem Gesetz der sogenannte formelle Parteibegriff zugrunde. Ergänzt wird dieser formelle Parteibegriff durch den im § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG verankerten materiellen Parteibegriff (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 2 ff; zur früheren Rechtslage Birkner, Parteistellung und rechtliches Gehör im Außerstreitverfahren [1996] 16, 20 ff; Dolinar, Außerstreitverfahrensrecht [1982] 52 ff). Demnach ist Partei jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde. Damit knüpft der Gesetzgeber an das schon zum bisherigen Recht von der Lehre entwickelte Kriterium der „unmittelbaren" Betroffenheit an. Ausdrücklich führen die Materialien aus, dass bloße Reflexwirkungen keine unmittelbare Beeinflussung sind. Für das Vorliegen der Parteistellung ist auch der jeweilige Verfahrenszweck zu berücksichtigen (224 BlgNR 22. GP 23). Dass der das Testament errichtende Notar von der Entscheidung über das Erbrecht nach § 161 AußStrG nicht im angeführten Sinne „unmittelbar" betroffen ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Eine (volle) materielle Parteistellung des Notars scheidet daher von vornherein aus.

2. Aber auch für die begehrte Zulassung als Nebenintervenient besteht - abgesehen davon, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts gar nicht Notar Dr. T*****, sondern nur die Erstantragstellerin dessen Zulassung als Nebenintervenient beantragt hatte - kein Raum. Entgegen mehrfachen Vorschlägen im Schrifttum (Rechberger, LBI XVI, 30; Klicka, LBI XX, 33) hat der Gesetzgeber die Verankerung des Instituts der - nach der bisherigen Rechtslage in der Lehre teilweise für möglich gehaltenen (Burgstaller in Jabornegg, HGB § 18 FBG Rz 5; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren³ Rz 32; vgl auch 6 Ob 121/00p) - Nebenintervention im Außerstreitverfahren ausdrücklich abgelehnt (Erläut RV AußStrG 2003, 224 BlgNR 22. GP 23; abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 43). Für ein derartiges Institut bestünden - zumindest im allgemeinen Teil - keine überzeugenden Bedürfnisse. Derjenige, dessen rechtliches Interesse nicht durch das Verfahren geschützt sei, solle im Allgemeinen keine Verfahrensrechtsstellung haben (Erläut RV AußStrG 2003, 224 BlgNR 22. GP 23; G. Kodek/G. Nowotny, Das neue Außerstreitgesetz und das Verfahren vor dem Firmenbuchgericht, NZ 2004, 257 [260]). Aus diesem Grund wurde auch die noch im Kralik-Entwurf enthaltene Bestimmung, wonach dem Außerstreitverfahren als Nebenintervenient beitreten kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Standpunkt einer Partei durchdringe, nicht in das Gesetz aufgenommen (vgl Rechberger, Bemerkungen zum Allgemeinen Teil des Ministerialentwurfs für ein AußStrG 2000, NZ 2001, 60 ff [62]).

3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof

in der Entscheidung 10 Ob 29/06x (= Zak 2006/445 = FamZ 2006/63

[Deixler-Hübner] = ÖJZ-LSK 2006/195) die Zulässigkeit der

Streitverkündung in einem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG verneint. Dieser Entscheidung lag die Streitverkündung an einen Notar in einem Aufteilungsverfahren zugrunde. Der Oberste Gerichtshof verneinte vor dem Hintergrund der dargelegten Entstehungsgeschichte das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke. Es stehe nämlich den Gerichten nicht zu, gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge. Die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprächen daher der eindeutigen Gesetzeslage. Diese Entscheidung wurde von Deixler-Hübner in einer Anmerkung gebilligt (FamZ 2006/63, 175).

4. Diese Erwägungen gelten auch für das hier zu beurteilende Verfahren zur Entscheidung über das Erbrecht im Sinne der §§ 161 ff AußStrG. Für dieses Verfahren hat der Gesetzgeber in §§ 162 ff AußStrG eine Reihe ergänzender Verfahrensbestimmungen normiert; die Zulässigkeit der Nebenintervention ist jedoch auch dort nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Äußerung des historischen Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien und der dargelegten Entstehungsgeschichte vermag der Oberste Gerichtshof auch insoweit keine planwidrige Gesetzeslücke zu erkennen.

5. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Neuregelung des Außerstreitverfahrens von der Absicht des Gesetzgebers getragen war, eine Angleichung an den im Streitverfahren bestehenden Rechtsschutzstandard und die dort gegebenen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung zu erreichen (G. Kodek, Die Anforderungen an ein modernes Verfahren am Beispiel von Strukturfragen des Außerstreitgesetzes, in Rechberger, Außerstreitverfahren zwischen 1854 und 2005 [2006] 41 [52]). Diese Verfahrensgarantien betreffen nämlich ausschließlich den unmittelbaren Verfahrensgegenstand und nicht zwangsläufig auch damit allenfalls verbundene Reflexwirkungen. Aus diesem Grund geht auch der Verweis des Revisionsrekurses auf Art 6 MRK (zu dessen Bedeutung für die Außerstreitreform allgemein G. Kodek aaO 47 ff) ins Leere, wird doch im vorliegenden Verfahren gerade nicht über Schadenersatzansprüche und damit zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art 6 MRK gegen den das Testament errichtenden Notar abgesprochen.

6. Dass nach der bisherigen Rechtslage auch im Erbrechtsstreit eine Nebenintervention eines Notars, dem ein Kunstfehler bei der Errichtung eines Notariatsakts vorgeworfen wurde, möglich war (vgl OLG Wien EFSlg 72.862), beruhte ausschließlich auf der seinerzeitigen Zuweisung des Erbrechtsstreits zum Streitverfahren, nicht aber auf einer gegenüber anderen Außerstreitverfahren abweichenden Beurteilung der diesbezüglichen Interessenlage gerade für den Fall des Erbrechtsstreits. Gerade der Vergleich mit dem zu 10 Ob 29/06x beurteilten Fall zeigt, dass die der Revisionsrekurswerberin vorschwebende Differenzierung der Zulässigkeit der Nebenintervention nach dem Gegenstand des jeweiligen Außerstreitverfahrens zu einer sachlich nicht begründbaren unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Konstellationen führte, macht es doch weder unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechtsschutzmöglichkeiten der (Haupt-)Parteien gegen den allenfalls schadenersatzpflichtigen Notar noch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsverteidigung des Notars, dessen Fehlverhalten behauptet wird, einen Unterschied, ob sich diese Ansprüche aus dem Ergebnis eines Aufteilungsverfahrens nach §§ 81 ff EheG oder einer Entscheidung über das Erbrecht nach § 161 AußStrG ableiten.

7. Zudem würde die Zulassung der Nebenintervention - wie schon das Erstgericht zutreffend hervorhob - gerade auch vor dem Hintergrund des Charakters des Verfahrens nach §§ 161 ff AußStrG als Mehrparteienverfahren die Übersichtlichkeit des Verfahrens und damit letztlich die Prozessökonomie beeinträchtigen.

8. Der Verweis der Revisionsrekurswerberin auf § 931 ABGB geht ins Leere. Diese Bestimmung schafft nämlich kein selbständiges Recht zur Streitverkündigung und Nebenintervention, sondern ist vielmehr nur dann anwendbar, wenn die Verfahrensordnung derartige Institute vorsieht (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 931 Rz 1 [S. 1792]). Die Revisionsrekursbeantwortung der Drittantragstellerin war zurückzuweisen, weil mit den Beschlüssen der Vorinstanzen weder über die Sache noch über die Kosten des Verfahrens entschieden wurde (§ 48 Abs 1, § 68 Abs 1 AußStrG). Auch aus Sicht der MRK ist die Zulässigkeit der Nebenintervention eine rein prozessuale Frage, sodass die Garantien des Art 6 MRK hier nicht anzuwenden sind. Ein Recht auf Beitritt als Nebenintervention ist von der MRK nicht geschützt (vgl dazu G. Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534, 589 [592]).

Über den im Schriftsatz ON 66 erstmals von Notar Dr. T***** gestellten Antrag auf Zulassung als Nebenintervenient wird das Erstgericht zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG.

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