OGH 2Ob139/07s

OGH2Ob139/07s9.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dorel C*****, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager und andere, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Franz Sch*****, und 2.) H*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 15.000,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25. April 2007, GZ 1 R 31/07w-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3. Jänner 2007, 1 Cg 36/06v-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 962,76 (hierin enthalten EUR 160,46 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Bruder des Klägers wurde als Motorradfahrer bei einem vom Erstbeklagten (mit-)verschuldeten Verkehrsunfall anlässlich eines Fahrstreifenwechsels mit dessen PKW niedergestoßen und getötet. Dass der Erstbeklagte, der seinen Fahrstreifenwechsel durch Blinkerbetätigung angezeigt hatte, trotz festgestellten Blicks in den Rück- und Seitenspiegel das Motorrad übersah, wurde von beiden Vorinstanzen als leicht fahrlässig qualifiziert. Demgemäß wurde das vom Kläger unter Hinweis auf ein zu Lebzeiten bestandenes „besonders inniges Verhältnis" zwischen den Brüdern in Höhe von EUR 15.000,-- sA begehrte Trauerschmerzengeld (ohne Krankheitswert) unter Hinweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 84/01v abgewiesen. Das Berufungsgericht änderte seinen zunächst erfolgten Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, über Antrag gemäß § 508 ZPO ab, weil gegen die restriktive Ablehnung eines Ersatzes von Seelenschmerz bei lediglich leichter Fahrlässigkeit in der Literatur (insbesondere von Reischauer in Rummel, ABGB3 Rz 5a zu § 1325) „durchaus beachtliche Argumente" vorgetragen und „beachtenswerte Literaturstimmen" aufgetreten seien, sodass „auf Grund der geänderten Rechtslage" eine neuerliche Befassung des Obersten Gerichtshofes gerechtfertigt wäre.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung primär die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig; der Oberste Gerichtshof kann sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision als unzulässig auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Der Oberste Gerichtshof hat den in der bereits zitierten, inzwischen vielfach veröffentlichten (SZ 74/90 = ZVR 2001/73 [Karner] = JBl 2001, 660) und im Schrifttum überwiegend begrüßten (s die zahlreichen Nachweise in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 140 ff) Grundsatzentscheidung 2 Ob 84/01v formulierten Rechtssatz, wonach „ein Ersatz des Seelenschmerzes über den Verlust naher Angehöriger, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers in Betracht kommt; bei leichter Fahrlässigkeit oder im Fall bloßer Gefährdungshaftung fehlt es hingegen an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrundes", inzwischen in mehreren Folgeentscheidungen - trotz der vom Berufungsgericht (und vom Revisionswerber) aufgezeigten kritischen Stimmen im Schrifttum - ausdrücklich aufrechterhalten und fortgeschrieben (2 Ob 141/04f, ZVR 2004/86 = JBl 2004, 792; 2 Ob 163/06v; RIS-Justiz RS0115189). Insoweit liegt eine klare, einhellige und bis in die jüngste Vergangenheit konstante Rechtsprechungslinie vor. Der erkennende Senat sieht sich nach wie vor nicht veranlasst, vom in 2 Ob 84/01v ausführlich abgeleiteten Erfordernis groben Verschuldens abzugehen. In der Entscheidung 2 Ob 163/06v hat sich der Senat erst jüngst mit den von den Befürwortern einer Ausdehnung des Trauerschmerzengeldes auch auf Fälle unterhalb groben Verschuldens ins Treffen geführten (vermeintlichen) Wertungswidersprüchen zur Rechtslage bei entgangener Urlaubsfreude (§ 31e Abs 3 KSchG) und bei sexuellem Missbrauch (§ 1328 ABGB) auseinandergesetzt. De lege lata besteht demnach kein Grund, insoweit von einer (im Sinne der berufungsgerichtlichen Revisionszulassung) „geänderten Rechtslage" auszugehen. Soweit im § 1316 Abs 3 ABGB idF des Entwurfes der Arbeitsgruppe für ein neues österreichisches Schadenersatzrecht ein derartiges Angehörigenschmerzengeld bei jedem Grad des Verschuldens (und auch bei Gefährdungshaftung) vorgesehen ist (Karner, Geldersatz für ideelle Schäden, Minderung der Ersatzpflicht, Beweislast, Verjährung in Griss/Kathrein/Koziol, Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechts, 83 [85f Rz 6]; Danzl, Haftung für Verkehrsmittel, aaO 109 [110 f Rz 2]; ders, „Haftung für Verkehrsmittel" - Überlegungen [Erläuterungen] zum Entwurf der Schadenersatzreformkommission, ZVR 2006, 40 [41]), handelt es sich bloß um Vorschläge de lege ferenda, welche nicht Bestandteil der Rechtsordnung sind und daher auch nicht in die Rechtsprechung einfließen können. Insoweit ist daher bloß der Gesetzgeber, nicht aber die Judikative angesprochen.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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