OGH 9Ob4/07i

OGH9Ob4/07i8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael W*****, geboren am 27. Jänner 1990, vertreten durch die Mutter Maria W*****, diese vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Michael S*****, vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 30. Juni 2006, GZ 20 R 68/06z-282, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 10. Februar 2006, GZ 1 P 2028/95f-270, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit über ihn noch nicht zu 9 Ob 95/06w entschieden wurde, zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Minderjährigen vom 17. Jänner 2007 wird ebenfalls zurückgewiesen.

Text

Begründung

Bereits am 3. 3. 1995 (ON 46) beantragte der damals durch seine Mutter vertretene Minderjährige den Zuspruch von S 3.200,- monatlich an Sonderbedarf wegen Krankheit („Erhöhung der momentanen Alimente von S 4.000,- auf mindestens S 7.200.- [Sonderbedarf durch Krankheit]"). In seiner Entscheidung vom 5. 12. 1997 (ON 101) trug das Rekursgericht dem Erstgericht auf, dem Minderjährigen im fortgesetzten Verfahren zu ermöglichen, das Sonderbedarfsbegehren zu präzisieren und hiezu Beweismittel anzubieten. Das Erstgericht forderte den Minderjährigen am 8. 5. 2003 zu dieser Präzisierung auf (ON 232; dem Vertreter des Minderjährigen zugestellt am 6. 6. 2003), worauf dieser am 23. 6. 2003 unter Hinweis auf näher angeführte Aufwendungen für seine Asthmaerkrankung beantragte, den Vater ab 1. 1. 1995 zur Zahlung eines monatlichen Betrags von EUR 436,03 an Sonderbedarfsleistung zu verpflichten (ON 235). In eventu beantragte er, den Vater zur anteiligen Deckung der ab 1. 1. 1995 für diese Krankheit auflaufenden Kosten zur Zahlung von EUR 38.373,08 zu verpflichten. Im Laufe des weiteren Verfahrens beantragte der Minderjährige schließlich, den Vater zur Zahlung von EUR 3.321,50 zur Abdeckung von Sonderbedarf für eine kieferorthopädische Behandlung, den Ankauf eines Notebooks und einen Sprachaufenthalt zu verpflichten (ON 244).

Mit Beschluss vom 10. 2. 2006 verpflichtete das Erstgericht den Vater zu 1 a) beginnend mit 1. 1. 1995 zur Zahlung von monatlich EUR 40,-

an Sonderbedarf betreffend die Erkrankung des Minderjährigen und zu 1 b) zur Zahlung eines einmaligen Betrags von EUR 2.772,- als Ersatz der halben Kosten der kieferorthopädischen Behandlung für die Zeit vom 10. 12. 2003 bis zum 9. 12. 2006 sowie als Ersatz der halben Kosten der Anschaffung eines Notebooks.

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Minderjährigen wurde abgewiesen (Pkt. 2).

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht gab beiden Rekursen teilweise Folge.

In seinem Punkt 1 a) (hinsichtlich der Periode ab 1. 3. 2004), in seinem Punkt 1 b) und in seinem Punkt 2 (hinsichtlich der Periode ab 1. 3. 2004) sowie in der Abweisung von weiterem Sonderbedarf hob es den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. In seinen Punkten 1 a) und 2 - soweit sie die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 betreffen - änderte es den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne der Verpflichtung des Vaters zu monatlichen Sonderbedarfszahlungen von EUR 100,- (betreffend die Erkrankung des Minderjährigen) ab. Die darüber hinaus gestellten Anträge des Kindes für die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 wies es ab. In Stattgebung des Rekurses des Vaters wurde schließlich der angefochtene Beschluss in seinen Punkten 1 a und 2. betreffend die Periode vom 1. 1. 2000 bis zum 29. 2. 2004 im Sinne der Abweisung des Antrags auf Gewährung von Sonderbedarf abgeändert.

Ausgehend von der Annahme, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 20.000,- übersteigt, sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche" Revisionsrekurs des Vaters, und zwar

1) gegen die Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für die Periode vom 1. 1. 1995 bis zum 31. 12. 1999 in seinen Punkten 1 a) und 2,

2) gegen die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses in seinen Punkten 1 a), 1 b) und 2, und

3) dagegen, dass das Rekursgericht für den Zeitraum vom 29. 2. 2004 „über den von mir auch bekämpften Zuspruch in Punkt 1 b) des erstinstanzlichen Beschlusses von EUR 2.772 nicht mit Abweisung vorgeht".

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen den aufhebenden Teil der Rekursentscheidung wendet - dies betrifft auch die zu Punkt 3) der Anfechtungserklärung erklärte Anfechtung -, wurde er vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 9. 2006, 9 Ob 95/06w, unter Hinweis auf das Fehlen eines Ausspruches nach § 64 AußStrG als absolut unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wurde der vom Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegte Akt mit dem Bemerken, dass der Streitgegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, EUR 20.000,- nicht überstiegen hat, an das Erstgericht zur Einleitung eines Verfahrens nach § 63 AußStrG (Zulassungsvorstellung) zurückgestellt (siehe im Detail 9 ObA 95/06w = ON 288). Mit Beschluss vom 5. Dezember 2006 änderte daraufhin das Rekursgericht seinen (Un)zulässigkeitsausspruch im Sinne der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ab. Der Antragsteller weise zu Recht darauf hin, dass sich das Rekursgericht nicht mit der Frage der Verjährung auseinander gesetzt habe. Zu den damit verbundenen Fragen - der bereits am 1. 3. 1995 von der Mutter gestellte Antrag auf Zuspruch von Sonderbedarf sei erst am 20. 6. 2003 präzisiert worden - fehle es an einheitlicher Judikatur.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 71 Abs 1 AußStrG an den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass der Revisionsrekurs - soweit er nicht bereits zurückgewiesen wurde - nicht zulässig ist.

Der Revisionsrekurswerber wirft dem Rekursgericht vor, seinen Einwand nicht behandelt zu haben, die am 23. 6. 2003 geltend gemachte Sonderbedarfsforderung für die Zeit vom 1. 1. 1995 bis 31. 12. 1999 sei verjährt. Damit lässt er unbeachtet, dass er in seinem Rekurs gegen den vom Erstgericht für diesen Zeitraum vorgenommenen Zuspruch seinen in einem früheren Verfahrensstadium erhobenen Verjährungseinwand gar nicht geltend gemacht hat. Zwar trifft es zu, dass das Rechtsmittelgericht im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in alle Richtungen zu überprüfen hat. Dies gilt jedoch insoweit nicht, als es sich um selbständige Einwendungen, wie die Verjährungseinrede, handelt. Wird die Einrede der Verjährung im Rechtsmittel nicht aufrecht erhalten, kann sie auch unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht mehr berücksichtigt werden (8 Ob 237/02i; RIS-Justiz RS0034743). Fraglich könnte dies hier - wenn überhaupt - nur hinsichtlich jenes Teils des zweitinstanzlichen Zuspruchs sein, der über den schon vom Erstgericht zugesprochenen Betrag hinausgeht. Nähere Ausführungen dazu sind aber entbehrlich, weil der Verjährungseinwand ohnedies nicht berechtigt ist:

Der Revisionsrekurswerber lässt nämlich außer Acht, dass mit dem von ihm genannten Antrag des Minderjährigen vom 23. 6. 2003 nur eine Präzisierung des bereits lange Zeit früher, nämlich bereits am 3. 3. 1995, gestellten Antrages auf Zuspruch von krankheitsbedingtem Sonderbedarf erfolgte. Der dem Minderjährigen nunmehr von der zweiten Instanz zugesprochene Sonderbedarf von EUR 100,- ist durch den damals gestellten Antrag, der auf Zuspruch von S 3.200,- monatlich gerichtet war, mehr als gedeckt. Dass der Minderjährige das Verfahren über den bereits am 3. 3. 1995 gestellten Antrag irgendwann nicht gehörig fortgesetzt hätte, wird im Revisionsrekurs nicht einmal behauptet und ist aus dem Akteninhalt auch nicht abzuleiten. Eine Aufforderung, den Antrag zu präzisieren, ist dem Vertreter des Minderjährigen erst am 6. 6. 2003 zugestellt worden; sie wurde mit dem überaus detaillierten Schriftsatz vom 23. 6. 2003 befolgt, sodass auch in diesem Zusammenhang von einer nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nicht die Rede sein kann.

Die Entscheidung der zweiten Instanz ist daher nicht zu beanstanden; eine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage wird nicht geltend gemacht.

In seiner ersten, noch vor der Änderung des rekursgerichtlichen Zulassungsausspruchs erstatteten Revisionsrekursbeantwortung hat der Minderjährige keine Kosten verzeichnet. Seine später erstattete zweite Revisionsrekursbeantwortung war zurückzuweisen, weil auch im außerstreitigen Verfahren der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels gilt (RIS-Justiz RS0007007; zuletzt 6 Ob 78/07z; Fucik/Kloiber, AußStrG, § 45 Rz 6), der auch die Erstattung mehrerer Rechtsmittelgegenschriften ausschließt.

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