OGH 7Ob132/07y

OGH7Ob132/07y4.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner P*****, vertreten durch Dr. Anton Schießling, Dr. Otmar Knödl und Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 13.636,64 sA , über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. März 2007, GZ 4 R 24/07x-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27. November 2006, GZ 12 Cg 30/05z-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.580,46 (hierin enthalten EUR 263,41 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.980,52 (hierin enthalten EUR 1.168,-- Barauslagen und EUR 135,42 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer eines Motorbootes. Er schloss bei der beklagten Partei eine Yachtkaskoversicherung ab, die auch das Diebstahlsrisiko umfasst. Grundlage dieses Versicherungsvertrages waren unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen 1991 (im Folgenden: AKVB). In § 5 Abs 1 lit f AKVB ist unter der Überschrift „Ausschlüsse" unter anderem vorsehen, dass „Schäden durch mangelhafte Vertäuung, Verankerung, unbemanntes Stillliegen vor offener Küste sowie mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme" ausgeschlossen sind. Beim versicherten Boot handelte es sich um ein offenes Sportboot mit kleiner Kajüte, das von einem 8-Zylinder-Vergasermotor angetrieben wurde. Das Boot war mit zwei Batterien (einer Starter- und einer Verbraucherbatterie), nicht aber mit einem versperrbaren Batteriehauptschalter ausgestattet.

Im August 2004 hielt sich der Kläger mit seiner Familie auf einem Campingplatz in Griechenland auf. Nach der Rückkehr von einem Ausflug am 3. 8. 2004 vertäute er sein Motorboot an einer zu diesem Zweck gesetzten und mit einer Kette an einem Gewicht am Meeresgrund befestigten Boje, wobei ein Ende der Sorgleine an der Klampe am Boot befestigt, anschließend die Leine durch die Öse der Boje gezogen und das zweite Ende der Sorgleine an der zweiten Klampe festgemacht wurde. Dann wurde das Bugtau, das an der Kette, welche die Boje mit dem Gewicht am Meeresgrund verband, befestigt war, vom unteren Ende der Boje ausgehend durch den Bughaken des Bootes gezogen und wiederum an der Kette mit einem Palstek-Knoten befestigt und gesichert. Eine weitere Sicherungsleine führte von der Kette im Bereich des Gewichtes am Meeresgrund entlang des Meeresbodens ca 50 m bis an Land, wo die Sicherungsleine befestigt wurde.

Die auf den Kläger persönlich ausgestellten Originalpapiere (der Seebrief, der eine Beschreibung des Bootes und die Erlaubnis zur Führung der Flagge der Republik Österreich samt Beschreibung des zulässigen Fahrtenbereiches enthielt und der Messbrief, der gemäß der Verordnung über die Zulassung von Yachten zur Seeschifffahrt ausgestellt wurde und die wesentlichen Daten des Schiffes enthielt) wurden an Bord gelassen, um sie bei Kontrollen griffbereit zu haben. Die Papiere wurden in einer versperrten Schublade aufbewahrt. Der dazugehörige Schlüssel befand sich am Schlüsselbund mit dem Startschlüssel. Dieser Schlüsselbund wurde (beim Verlassen des Bootes) in einer nicht einsehbaren Nische des Motorraums unter der aufklappbaren Liegefläche so versteckt, dass er von oben nicht sichtbar war.

In der Nacht vom 3. auf den 4. 8. 2004 wurde das Boot gestohlen, ohne dass der Diebstahl von jemandem auf dem Campingplatz bemerkt worden wäre. Als der Kläger in der Folge die Boje barg, musste er feststellen, dass nur noch die Boje samt Ankerkette vorhanden war; die Leinen des Bootes waren nicht mehr vorhanden.

Mit der am 24. 3. 2005 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die der Höhe nach außer Streit stehende Versicherungsleistung von EUR 13.636,64 sA mit der Behauptung, er habe das Boot auf übliche Weise und ausreichend gegen Wegnahme gesichert. Eine Vertäuung mittels Kette und Schloss wäre nicht zweckmäßig gewesen, weil die Gefahr bestanden hätte, dass die Kette bei Wellenschlag den Bootskörper beschädigt. Im Übrigen sei auch eine Kette samt Schloss kein taugliches Mittel, einen Diebstahl zu verhindern, weil eine Kette mit einem geeigneten Werkzeug in kurzer Zeit und ohne Lärm abgezwickt werden könnte. Über einen versperrbaren Batteriehauptschalter verfüge das Boot nicht; im Übrigen habe der Hauptschalter wegen der erforderlichen Speisung des Positionslichtes eingeschaltet sein müssen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei das Boot nicht mit dem Schlüssel gestartet und weggefahren worden, weil anzunehmen sei, dass sich der Dieb nicht lange mit dem Suchen des Schlüssels, der sorgfältig im Motorraum des Bootes versteckt gewesen sei, aufgehalten habe. Wahrscheinlich sei das Boot weggeschleppt worden. Der Kläger habe insgesamt kein Verschulden am Diebstahl zu verantworten. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass das übliche Vertäuen des Bootes an einer Boje keine ausreichende Sicherung gegen Wegnahme im Sinn der Versicherungsbedingungen darstelle. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete ein, der Kläger habe den Diebstahl des Bootes grob fahrlässig zu verantworten. Er habe sowohl den Schlüssel als auch die Originaldokumente auf dem Boot belassen und dieses nicht mit einer Kette bzw Schloss gesichert. Ein Boot sei im Übrigen mit einem versperrbaren Batteriehauptschalter zu versehen, der dazu diene, den leicht zugänglichen Stromkreis gegen widerrechtliche Inbetriebnahme zu schützen. Ohne gewaltsame Überwindung der Sperrvorrichtung sei ein Kurzschließen des Bootes nicht möglich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang (so wie schon im ersten Rechtsgang) Folge und stellte ergänzend fest:

Es ist ausgeschlossen, dass das Boot mittels des an Bord versteckten Schlüssels gestartet und weggefahren wurde. Ein an einer Boje befestigtes Boot treibt je nach Windrichtung und Strömung um die Boje herum. Boote werden daher in der Sportschifffahrt immer mit Leinen an Bojen befestigt. Würde man ein Boot mit einer Kette an einer Boje befestigen, so würde durch das Eigengewicht der Kette diese absacken und das Boot an die Boje heranziehen, wodurch Schäden am Rupf des Bootes entstehen könnten. Versperrbare Ketten oder Stahlseile werden hauptsächlich in Häfen mit einer Kaimauer oder bei Anlegestegen verwendet. Eine Sicherung mit Ketten an Bojen ist nicht üblich. Um ein Boot wie jenes des Klägers mit einem Batteriehauptschalter mit abziehbarem Schlüssel auszustatten, müssten aufwendige Umbauarbeiten durchgeführt werden. Ein Batteriehauptschalter mit absperrbarem Schloss kann „innerhalb von einer Sekunde" leicht überbrückt werden. Darüber hinaus ist es Zweck des Batteriehauptschalters, die Stromzufuhr bei einem Kabelbrand in Sekundenschnelle zu unterbrechen; als Sicherheitsmaßnahme gegen Diebstahl dient er nicht. Eine weitere mögliche Sicherungsmaßnahme wäre eine Lenkradsperre mit einem Stock, was aber einen Diebstahl durch Wegziehen des Bootes nicht verhindern würde. Weiters könnte eine Zündunterbrechung an einer versteckten Stelle angebracht werden, allerdings sind derartige Zündunterbrechungen von Dieben leicht zu überbrücken. Auch eine Sicherung mit Spleißauge und mittels Schloss ist nicht nur äußerst umständlich, sondern darüber hinaus auch absolut unüblich. Auch die Verwendung einer Kette zur Sicherung des Bootes hätte, abgesehen davon, dass sie nicht üblich ist, keinen wirksamen Schutz vor Diebstahl dargestellt, weil derartige Ketten mit entsprechendem Werkzeug leicht zu durchtrennen sind. Zur Sicherung eines vor der Küste liegenden Bootes ist es üblich, dieses ordnungsgemäß mit Tauen oder Leinen zu vertäuen. Die Art und Weise, wie der Kläger sein Boot vertäut hat, war verkehrsüblich. Darüber hinaus ist auch das Belassen einer serienüblichen Ausstattung eines Bootes üblich. Eine Aufrüstung ist nur dann vorzunehmen, wenn dies von der Versicherung verlangt wird und mit dieser vereinbart wurde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die als Risikoausschluss formulierte Bestimmung des § 5 Abs 2 lit f der AKVB, wonach Schäden, die unter anderem durch mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme entstehen, von der Versicherung ausgeschlossen sind, sei als verhüllte Obliegenheit aufzufassen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sei und demgemäß dem § 6 Abs 2 VersVG unterliege. Der Versicherer müsse den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung nachweisen, der Versicherungsnehmer könne bezüglich Verschulden und Kausalität den Gegenbeweis führen. Ob eine Obliegenheit objektiv verletzt worden sei, müsse anhand des Versicherungsvertrages beurteilt werden, und zwar nach den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB. Die Parteien hätten sich auf keine bestimmte Absicht in Bezug auf die verhüllte Obliegenheit berufen. Es sei somit nach der Verkehrsübung die Frage zu klären, wann eine „mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme" eines Bootes vorliege. Aus den getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass es der Verkehrsübung entspreche, wenn ein Boot ordnungsgemäß an einer Boje mit Tauen oder Leinen vertäut werde, sodass die Art und Weise, wie der Kläger sein Boot fixiert gehabt habe, der Verkehrsübung entsprochen habe. Somit sei es der beklagten Partei nicht gelungen nachzuweisen, dass der Kläger eine Obliegenheitsverletzung im Zusammenhang mit den Bestimmungen des § 5 Abs 2 lit f AKVB begangen habe. Sämtliche von der beklagten Partei im Rahmen des Verfahrens geforderten zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen hätten ausdrücklich im Rahmen der Versicherungsbedingungen vereinbart werden müssen, um die beklagte Partei von einer Haftung zu befreien.

Bei der Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG handle es sich um einen subjektiven Risikoausschluss. Werde dieser behauptet, habe der Versicherer grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers an der Herbeiführung des Versicherungsfalles zu beweisen. Die behaupteten Sorgfaltsverletzungen des Klägers seien jedoch nicht grob fahrlässig, da es nach den Erfahrungen des Sachverständigen ausgeschlossen sei, dass das Boot mittels des an Bord versteckten Schlüssels gestartet und weggefahren worden sei. Weiters sei zu berücksichtigen, dass kein Campingplatzurlauber den Diebstahl des Bootes in der Nacht bemerkt habe. Darüber hinaus sei es für den Sachverständigen überaus fraglich, ob die an Bord befindlichen Bootspapiere, welche in einer versperrten Schublade gelegen seien, für die Diebe überhaupt von Nutzen seien. Weiters ergebe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen, dass es leicht sei, ein Boot in kürzester Zeit kurzzuschließen. Der Umstand, dass der Kläger den Zündschlüssel an Bord versteckt gehabt habe, sei daher ebenso wenig wie das Belassen der Papiere an Bord als grober Sorgfaltsverstoß zu qualifizieren. Selbst wenn man aber von einem grob fahrlässigen Verhalten des Klägers ausginge, wäre der beklagten Partei der Beweis der Kausalität dieser grob fahrlässigen Handlungen bzw Unterlassungen an der Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht gelungen. Zwischen dem Zurücklassen der Dokumente an Bord und dem Diebstahl sei kein Kausalzusammenhang zu sehen. Nachdem es auf Grund der getroffenen Feststellungen ausgeschlossen sei, dass das Boot mittels des Zündschlüssels gestartet und weggefahren worden sei, bestehe auch zwischen dem Zurücklassen des Schlüssels an Bord und dem Diebstahl kein Kausalzusammenhang.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Auf Grund von Bedenken gegen die bekämpfte Feststellung, es sei ausgeschlossen, dass das Boot mittels des an Bord versteckten Schlüssels gestartet und weggefahren worden sei, wiederholte das Berufungsgericht das Beweisverfahren durch Vernehmung des Sachverständigen und traf anstelle dieser bekämpften Feststellung folgende Feststellung: Es kann nicht festgestellt werden, auf welche Weise die Diebe das Boot fortschafften, insbesondere ob sie den Motor mit dem versteckten Schlüssel starteten und sich auf diese Weise fortbewegten, ob der Motor durch Kurzschließen gestartet wurde oder ob das Boot abgeschleppt wurde.

Darüber hinaus übernahm es die Feststellungen des Erstgerichtes - ausgenommen jene, dass auch ein absperrbarer Batteriehauptschalter „innerhalb von einer Sekunde" überbrückt werden kann (weil diese aus rechtlicher Sicht nicht erheblich sei) - als unbedenklich und führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus:

Die in § 5 Abs 2 lit f AKVB enthaltene Bestimmung, wonach Schäden durch mangelhafte Vertäuung, Verankerung, unbemanntes Stillliegen vor offener Küste sowie mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind, sei als Vereinbarung von verhüllten Obliegenheiten aufzufassen. Bei der Abgrenzung zwischen einem Risikoausschluss einerseits und einer (verhüllten) Obliegenheit andererseits sei nicht die äußere Erscheinungsform, sondern der materielle Inhalt der Versicherungsklausel entscheidend. Maßgebend sei, ob die Versicherungsklausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthalte, für das der Versicherer Schutz gewähren wolle oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers verlange, von dem es abhänge, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behalte oder verliere. Stehe ein solches Verhalten im Vordergrund und trete es nicht hinter objektiven Voraussetzungen wie zum Beispiel den Versicherungsort oder den Zustand der versicherten Sache zurück, so liege eine Obliegenheit vor.

Im vorliegenden Fall komme eine Vernachlässigung der Sicherung gegen Wegnahme in Betracht. Damit sei das dem Versicherungsnehmer vorgeschriebene Verhalten zwar verhältnismäßig unbestimmt umschrieben, wohl aber bestimmbar, weil nach § 914 ABGB auf die Verkehrsübung zurückgegriffen werden könne. Welche Anforderungen zu stellen seien, entscheide sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine Befestigung von Booten an einer Boje mit Kette und Schloss sei nicht üblich und könne daher vom Versicherungsnehmer ohne konkrete Vereinbarung einer solchen Vorgangsweise nicht verlangt werden. Es sei auch zweifelhaft, ob eine serienmäßige Ausstattung des Bootes durch einen versperrbaren Batteriehauptschalter ergänzt werden müsse, wenn ohnehin - wie unstrittig sei - eine mit Startschlüssel zu bedienende Startvorrichtung vorhanden sei. Ein näheres Eingehen auf diese Problematik erübrige sich aber, weil der Kläger jedenfalls eine Obliegenheitsverletzung zu verantworten habe:

Eine regulär nur mit einem Schlüssel zu bedienende Startvorrichtung sei eine übliche, zumutbare und auch wirksame Sicherung gegen Wegnahme eines Bootes, dies trotz der dem Dieb praktisch immer gegebenen Möglichkeit, eine Sperrvorrichtung zu umgehen. Eine andere Betrachtungsweise würde zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, dass Sperrvorrichtungen von vorneherein als sinnlos angesehen werden müssten. Eine Sperrvorrichtung sei nur wirksam, wenn potentielle Diebe keinen Zugriff auf den Schlüssel hätten. Das Verstecken des Schlüssels in unmittelbarer Nähe der Sperrvorrichtung entwerte diese jedenfalls teilweise, dies insbesondere dann, wenn ein Dieb (wie im vorliegenden Fall) im Schutz der Nacht ungestört nach einem versteckten Schlüssel suchen könne. Der Kläger habe daher dadurch, dass er den Startschlüssel in einer - wenngleich nicht einsehbaren - Nische des Motorraumes versteckt habe, die einzig mögliche und vorhandene, einigermaßen wirksame Sicherungsmaßnahme gegen eine Wegnahme des Bootes vernachlässigt und damit objektiv gegen die dargelegte verhüllte Obliegenheit verstoßen.

Den nach § 6 Abs 1 VersVG möglichen, dem Kläger obliegenden Beweis der Schuldlosigkeit - bei der Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit genüge leichte Fahrlässigkeit - habe dieser nicht angetreten; es bedürfe auch keiner besonderen Begründung, dass die Mitnahme des Startschlüssels bei Verlassen des Bootes möglich und zumutbar gewesen wäre. Der nach § 6 Abs 2 VersVG mögliche Beweis der mangelnden Kausalität sei misslungen. Dieser Beweis sei nach ständiger Rechtsprechung strikte zu führen, die Darlegung der Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges genüge nicht.

Der Kläger hätte somit mit der im Zivilprozess erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nachweisen müssen, dass das Boot ohne Verwendung des Startschlüssels gestohlen worden sei; die vom Berufungsgericht getroffene Negativfeststellung zum Ablauf des Diebstahles gehe zu seinen Lasten. Die beklagte Partei habe sich daher zu Recht auf Leistungsfreiheit berufen, sodass das angefochtene Urteil im Sinn einer Klageabweisung abzuändern gewesen sei.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage, ob § 5 Abs 2 lit f der AKVB eine verhüllte Obliegenheit normiere und welchen Inhalt diese Obliegenheit habe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels als unzulässig (wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage), in eventu diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde

zulässig; der Oberste Gerichtshof hatte sich in der Vergangenheit

zwar bereits mehrfach mit den AKVB zu befassen (7 Ob 96/97m = VersE

1739 = VersR 1998, 875; 7 Ob 122/01v = SZ 74/132), nicht jedoch mit

der hier maßgeblichen Ausschlussklausel des § 5 Abs 1 lit f.

Die Revision ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist vorauszuschicken, dass die relevierte Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) nicht vorliegt, sondern unter diesem Revisionsgrund vielmehr (jedoch unzulässigerweise) versucht wird, die im Rahmen seiner Beweiswiederholung geänderte Feststellung des Berufungsgerichtes zu bekämpfen. Von einem „Verstoß gegen Denkgesetze" (vgl RIS-Justiz RS0043404) kann keine Rede sein. Einer weitergehenden Begründung bedarf dies nicht (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Der Rechtsrüge kommt jedoch Berechtigung zu.

Während bei der Risikoabgrenzung von Anfang an ein bestimmter Gefahrenumstand von der versicherten Gefahr ausgenommen wird, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme, fordern Obliegenheiten gewisse Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers und knüpfen daran bestimmte Rechtsfolgen nur für ihre willkürliche und schuldhafte Verletzung (RIS-Justiz RS0080166; 7 Ob 24/93 = SZ 67/49). Enthalten Versicherungsbedingungen eine Verhaltensanordnung, die ihrem Inhalt nach eine Obliegenheit ist, muss sie im Hinblick auf die Unabdingbarkeitsbestimmung des § 15a VersVG auch dann nach § 6 VersVG beurteilt werden, wenn sie als Risikoausschluss konstruiert ist (RIS-Justiz RS0080144). Entscheidend ist, ob die zu prüfende Versicherungsklausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das allein der Versicherer Schutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes vorbeugendes Verhalten des Versicherungsnehmers verlangt, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz erhält oder verliert; steht ein solches Verhalten im Vordergrund und tritt es nicht hinter objektiven Voraussetzungen wie zum Beispiel dem Versicherungsort oder dem Zustand der versicherten Sache zurück, so liegt eine Obliegenheit vor (7 Ob 70/03z; RIS-Justiz RS0080168; RS0103965).

Die zentrale und vom Berufungsgericht zum Gegenstand seines Zulassungsausspruches gemachte Frage, ob § 5 Abs 1 lit f AKVB nach den eben dargestellten Grundsätzen dahin auszulegen ist, dass damit ein Risikoausschluss normiert wird oder ob es sich dabei um eine sog „verhüllte Obliegenheit" handelt, bildet allerdings im Revisionsverfahren zwischen den Parteien keinen Streitpunkt (mehr). Die diesbezügliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes wird von beiden Parteien in ihren Rechtsmittelschriften nämlich ausdrücklich als zutreffend zugestanden. Auch der Oberste Gerichtshof billigt dieses Beurteilungsergebnis der Vorinstanzen, wonach es sich hier um eine „verhüllte Obliegenheit" handelt (vgl hiezu auch Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VersVG27 Rn 12 zu Nr 3.4.4 der deutschen AVB Wassersportfahrzeuge 1985).

Im Revisionsverfahren ist nur mehr die „mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme" streiterheblich; die (übrigen) Fälle „mangelhafte Vertäuung, Verankerung und unbenanntes Stillliegen vor offener Küste" wurden angesichts der feststehenden Unüblichkeit der Befestigung von Booten an einer Boje mit Kette und Schloss von beiden Vorinstanzen - im Revisionsverfahren nicht weiter bekämpft - bereits verneint. Der Begriff der „mangelhaften Sicherung gegen Wegnahme" wird in den AKVB nicht näher definiert. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) auszulegen, wobei sich die Auslegung am Maßstab eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat (RIS-Justiz RS0050063; RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen; Unklarheiten gehen im Sinne des § 915 ABGB in aller Regel zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0017960). Dass bei motorbetriebenen und mit einem Schlüssel zu startenden Fahrzeugen die Hintanhaltung eines Diebstahls durch sorgfältige Verwahrung des Startschlüssels grundsätzlich geboten und damit von einem Versicherungsnehmer zu verlangen ist, mag zutreffen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass nach den von den Vorinstanzen getroffenen (und in Übereinstimmung mit dem aktenkundigen und mehrfach ergänzten Gutachten des Sachverständigen für das Versicherungswesen, Küsten- und Seeschifffahrt stehenden) Feststellungen nicht nur die vom Kläger gewählte Sicherung seines Bootes vor der Küste (bloß) mit Tauen und Leinen verkehrsüblich und ordnungsgemäß war, sondern auch selbst ein Von-Bord-Nehmen des Startschlüssels nach eben diesen Gutachten des genannten Sachverständigen keine (zusätzliche) Sicherung gebracht hätte, wäre doch dann das Starten durch (professionelle) Diebe in kürzester Zeit (im Sekundenbereich: vgl dessen Demonstration beim Augenschein) anderweitig leicht möglich gewesen. Daraus folgt jedoch, dass das Diebstahlsrisiko letztlich - wie das Erstgericht zutreffend ausführte - selbst bei Belassen des Schlüssels am Schiff (an versteckter Stelle!) keine Erhöhung des Diebstahlsrisikos bedingte, weil (potentiellen) Dieben feststellungskonform genügend andere Möglichkeiten offen standen, um das Boot noch dazu geräuschlos vom Ankerplatz zu verbringen. Damit kann aber die (vom Sachverständigen) als verkehrsüblich eingestufte Verhaltensweise des Klägers selbst unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht als Negativfeststellung umformulierten Diebstahlsausführung durch die unbekannten Bootsdiebe nicht als „mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme" (im Sinne der maßgeblichen Bestimmung der AKVB) qualifiziert werden. Kann aber damit dem Kläger keine Obliegenheitsverletzung angelastet werden, dann stellen sich auch nicht mehr Fragen des Kausalitätsgegenbeweises (§ 6 Abs 2 VersVG) oder des Risikoausschlusses der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 61 Vers-VG). Nur dann, wenn der Versicherer in seinen Bedingungen als „mangelhafte Sicherung gegen Wegnahme" ausdrücklich auch das Zurücklassen des Schlüssels an Bord als „Ausschluss" im Sinne des § 5 Abs 1 lit f AKB festgehalten hätte, könnte sich ein Bootshalter wie der Kläger nicht auf die hier zu seinen Gunsten ausschlagende Verkehrsüblichkeit berufen und müsste dann die vom Berufungsgericht getroffene Negativfeststellung zu seinen Lasten ausschlagen, weil er als Versicherungsnehmer die mangelnde Kausalität der Obliegenheitsverletzung zu beweisen gehabt hätte (RIS-Justiz RS0043728).

In Stattgebung seines Rechtsmittels war damit das bekämpfte Berufungsurteil im Sinn einer Wiederherstellung des klagestattgebenden Ersturteiles abzuändern. Die Höhe des Klagebegehrens bildet auch im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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