OGH 7Ob96/97m

OGH7Ob96/97m4.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dkfm.Maria E*****, 2. Karl-Heinz E*****, 3. Juliane E*****, 4. Dipl.Ing.Dr.Erhard S*****, 5. Gerhard W*****, und 6. Franz K*****, alle vertreten durch Dr.Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wider die beklagte Partei S***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Walter Strigl und Dr.Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 855.474,10 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.November 1996, GZ 13 R 201/96s-62, womit infolge Berufungen der klagenden Parteien und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12.Juni 1996, GZ 3 Cg 57/94p-53, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 28.243,80 (darin enthalten S 4.707,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger schlossen sich im November 1992 zur Eignergemeinschaft "J*****" zusammen und kauften ein in Brasilien gebautes Segelschiff Katamaran. Über Vermittlung des Versicherungsmaklerbüros J***** & H***** schlossen sie im Jänner 1993 eine Neuwertwassersportkaskoversicherung ab, der sowohl die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen 1991 als auch die Yacht-Kasko-Pool J***** & H***** Vertragsbedingungen 1992/1 zugrundeliegen. Als Versicherungssumme wurde ein Betrag von S 2,870.918,40 vereinbart.

Gemäß § 5 ("Ausschlüsse") Abs 2 lit k der Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen 1991 sind vom Versicherungsschutz "Schäden während der Verwendung des versicherten Fahrzeuges zu anderen als sportlichen oder Vergnügungszwecken sowie Schäden bei Überlassung an einen Dritten gegen Entgelt" ausgenommen.

Gemäß § 9 ("Gefahrenerhöhung") dieser Bedingungen darf der Versicherungsnehmer nach Antragstellung nicht ohne Einwilligung des Versicherers die Gefahr erhöhen oder einem Dritten die Gefahrenerhöhung gestatten, widrigenfalls Leistungsfreiheit des Versichers gemäß § 25 VersVG gegeben ist. Als Gefahrenerhöhung gilt insbesondere die Überlassung des Fahrzeuges an Dritte gegen Entgelt.

In den Yacht-Kasko-Pool J***** & H***** Vertragsbedingungen 1992/1 wird § 5 Abs 2 lit k der Allgemeinen Bedingungen wie folgt ergänzt:

"Ist das Charterrisiko mitversichert, entfällt der Ausschluß "sowie Schäden bei Überlassung an einen Dritten gegen Entgelt". Alle Regattaeinsätze im vereinbarten Geltungsbereich gelten ausdrücklich mitversichert, ebenso alle Chartereinsätze bzw Vorführungen und Probefahrten (ohne mitversichertem Charterrisiko nur mit festem Skipper) aus welchem Grunde auch immer."

Um Passagiere für die Mitfahrt auf dem Segelschiff namens "J*****" zu gewinnen, haben die Kläger immer wieder Werbezettel anfertigen lassen, auf denen für die jeweiligen Segeltörns geworben wurde. Sie haben auch die Dienste der Vermittlerfirma W***** in Anspruch genommen, um Passagiere anzuheuern.

Am 5.8.1993 fuhr das Segelschiff im Ägyischen Meer von Mykonos nach Patmos. An Bord befanden sich die Erstklägerin, der Zweitkläger, der als Skipper (= Schiffsführer) fungierte und die tatsächliche Verfügungs- und Kontrollmacht über das Boot hatte, sowie das Ehepaar P***** mit seinen Kindern und das Ehepaar L***** mit seiner Tochter. Die Familien P***** und L***** wurden niemals unbeaufsichtigt auf dem Schiff zurückgelassen.

An diesem Tag kam es um ca. 18,40 Uhr bei einer Halse (Richtungsänderung, wenn der Wind von Achtern, also vom Heck des Schiffes kommt) zu einem Mastbruch, der durch das unkontrollierte Umschlagen des Großsegels von der Steuerbordseite auf die Backbordseite während einer heftigen Windböe verursacht wurde. Die Windstärke betrug im Schadenszeitpunkt etwa 7 bis 8 Beaufort. Der Mastbruch ist nicht auf einen Konstruktionsfehler des Schiffes zurückzuführen. Der gebrochene Mast und das Rigg wurden über Bord befördert.

Unter Berücksichtigung des brasilianischen Preisniveaus betrugen der Zeitwert zum Schadenszeitpunkt S 1,100.000 und der maximale Neuwert zum Schadenszeitpunkt S 2,457.000. Die für die Reparatur des Rumpfes des Schiffes tatsächlich aufgelaufenen Kosten betrugen S 152.838; es wären hiefür aber nur S 121.380 erforderlich gewesen. Die Kosten für die Reparatur des Riggs betrugen S 577.194 abzüglich eines Preisnachlasses von S 50.000, woraus sich insgesamt angemessene Reparaturkosten von S 648.474 ergeben.

Die Forderung aus dem Versicherungsvertragsverhältnis war ursprünglich zugunsten der Bank A***** AG vinkuliert, wurde aber von der Vinkulargläubigerin am 21.9.1993 wieder rückabgetreten. Am selben Tag wurde die beklagte Partei seitens der Vinkulargläubigerin davon verständigt und ermächtigt, Schadensregulierungen und Vorauszahlungen an die Kläger zu leisten. Am 11.2.1994 bestätigte die Bank A***** AG nochmals die Schadensfreigabe und erteilte die Ermächtigung zur Klagseinbringung.

Die Kläger begehrten Reparaturkosten von insgesamt S 855.474,10 sA aufgrund des bestehenden Versicherungsvertrages.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete im wesentlichen ein, daß eine Unterversicherung vorliege, daß der Schaden am Mast auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen sei, der vom Versicherungsschutz gemäß § 5 Abs 2 lit b der Allgemeinen Bedingungen ausgenommen sei, daß die Kläger infolge der Vinkulierung der Versicherung zugunsten der Bank A***** AG nicht klagslegitimiert seien sowie daß das Segelschiff im Unfallszeitpunkt entgeltlich verchartert gewesen sei, sodaß eine Haftung der beklagten Partei gemäß § 5 Abs 2 lit k und § 9 der Allgemeinen Bedingungen ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von S

648.474 sA und wies das Mehrbegehren von S 207.000,10 sA ab. Eine Unterversicherung liege nicht vor. Der Schaden sei nicht auf einen Konstruktionsfehler zurückzuführen, sodaß der diesbezügliche Ausschluß nicht zum Tragen komme. Die Aktivlegitimation der Kläger sei infolge der Aufhebung der Vinkulierung zu bejahen. Da die tatsächliche Verfügungsmacht über das Schiff in Händen des Zweitklägers als Versicherungsnehmer gelegen gewesen und dieser als Skipper aufgetreten sei, sei keine Gefahrenerhöhung vorgelegen, sodaß auch die §§ 5 Abs 2 lit k und 9 der Allgemeinen Bedingungen nicht zur Anwendung kämen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Kläger nicht und der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Urteil teilweise dahin ab, daß es die beklagte Partei zur Zahlung von S

628.474 sA verpflichtete und das Mehrbegehren von S 227.000,10 abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Erstgericht habe den in der Versicherungspolizze festgesetzten Selbstbehalt von S 20.000 außer acht gelassen, der von den zu ersetzenden Reparaturkosten abzuziehen sei, sodaß das Ersturteil insoweit abzuändern gewesen sei. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch dessen Rechtsansicht zur nun noch strittigen Frage, ob der Risikoausschluß der §§ 5 Abs 2 lit k und 9 der Allgemeinen Bedingungen vorliege. Der Wortlaut der Yacht-Kasko-Pool J***** & H***** Vertragsbedingungen lasse keinen Zweifel daran offen, daß bei einer Fahrt mit "festem Skipper" auch das Charterrisiko vom Versicherungsvertrag umfaßt sei. Der Begriff des "festen Skippers" könne nur dahin verstanden werden, daß mit der Schiffsführung jemand betraut sei, der regelmäßig das Boot betreue und führe und so im Vergleich zur Vercharterung an stets wechselnde fremde Skipper das Risiko wesentlich herabsetze. Bei der Fahrt, bei der der Schaden eingetreten sei, sei der Zweitkläger als Skipper an Bord gewesen, sodaß der eingetretene Schaden durch die Versicherung gedeckt sei. Selbst bei Annahme, daß sich die beiden Familien, die ebenfalls auf dem Schiff gewesen seien, an den Fahrtkosten beteiligt hätten, könnte dies nicht zur Annahme einer Gefahrenerhöhung führen. Daß die gewerbliche Nutzung des Schiffes in den Vordergrund getreten sei, sei nicht anzunehmen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Auslegung der hier relevanten Versicherungsbedingungen keine revisionswürdige Rechtsfrage darstelle, deren Bedeutung über den Anlaßfall hinausginge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist jedoch zulässig, weil die Frage der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen grundsätzlich nicht nur für den Einzelfall Bedeutung hat und keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung der hier maßgebenden Versicherungsbedingungen vorliegt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der deutsche Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 30.11.1991, VersR 1982, 358 die dem § 5 Abs 2 lit k der Allgemeinen Bedingungen vergleichbare Bestimmung des § 7 Nr.2a der "P-Yachtkaskobedingungen" (wonach Schäden von der Versicherung ausgeschlossen sind, die entstehen, während das Fahrzeug nicht zu sportlichen oder Vergnügungszwecken verwendet wird, zB gegen Entgelt an Dritte überlassen wird), anläßlich eines ähnlich wie hier gelagerten Sachverhaltes wie folgt ausgelegt: Die Bestimmung erläutere nicht, wann das versicherte Fahrzeug einem Dritten "überlassen" worden sei. Insoweit bedürfe sie der Auslegung. Dazu sei auf den natürlichen Sprachgebrauch sowie auf Sinn und Zweck der Bestimmung zurückzugreifen. Letztere gingen offensichtlich dahin, solche Verwendungen des versicherten Fahrzeuges vom Versicherungsschutz auszunehmen, die gegenüber dem an sich vorgesehenen privaten Gebrauch durch den Versicherungsnehmer typischerweise zu einer nicht unerheblichen Risikoerhöhung führen könnten. Eine derartige Erhöhung werde in der Regel anzunehmen sein, wenn der Versicherungsnehmer einem Dritten die tatsächliche Verfügungsmacht über das Fahrzeug für einzelne Fahrten oder für einen bestimmten Zeitraum einräume, sodaß praktisch an seiner Stelle ein dem Versicherer unbekannter Dritter das Bestimmungsrecht über das Fahrzeug ausübe. Anders sei es hingegen, wenn der Versicherungsnehmer Schiffer des Fahrzeuges verbleibe, weiterhin über die Durchführung der Reisen im einzelnen eigenverantwortlich bestimme und sich die Tätigkeit eines Dritten darin erschöpfe, für Mitfahrer zu sorgen. Die Bestimmung mache auch deutlich, daß das Fahrzeug Versicherungsschutz habe, wenn es der Versicherungsnehmer zum Sport oder zum Vergnügen, praktisch also privat, nutze. Hingegen solle ein solcher Schutz bei einem anderweitigen Gebrauch des Fahrzeuges, etwa zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken, nicht bestehen, offenbar wegen des dadurch vielfach begründeten erhöhten Risikos. Die Bestimmung sage jedoch nicht, daß der Versicherungsschutz eine "ausschließliche" Verwendung des Fahrzeuges zu sportlichen oder Vergnügungszwecken erfordere. Es wäre auch kaum verständlich, wieso jeder zusätzliche Zweck einer Reise, jedenfalls solange er zu keiner Risikoerhöhung führe, den Versicherungsschutz beseitigen solle. Anders sei es zu beurteilen, wenn bei einer Fahrt für den Versicherungsnehmer sportliche oder Vergnügungszwecke nicht mehr bedeutsam seien, sondern die Reise praktisch gewerblichen oder beruflichen Charakter habe. Dies werde man allerdings nicht ohneweiteres sagen können, wenn der Versicherungsnehmer, um sein Fahrzeug selbst sportlich oder zum Vergnügen gebrauchen zu können, Dritte als zeitweilige Mitglieder der Besatzung an Bord nehme und diese sich ihrerseits dafür an den Unkosten einer Reise finanziell beteiligten. Hier greife die Bestimmung erst dann zugunsten des Versicherers ein, wenn eine solche Art der Mitnahme Dritter in eine gewerbliche oder berufliche Betätigung des Versicherungsnehmers umschlage.

Für den Geltungsbereich der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Versicherungsbedingungen ist der vom BGH der Bestimmung des § 7 Nr.2a der P-Yachtkaskobedingungen beigelegte Sinn, nämlich der Ausschluß der Gefahrenerhöhung, ausdrücklich dem § 9 der Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen zu entnehmen. Der erkennende Senat teilt die vom BGH und auch von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, daß keine Gefahrenerhöhung eintritt, wenn der Versicherungsnehmer als Schiffsführer an Bord bleibt, auch wenn zahlende Gäste mitfahren, wobei auf die überzeugende Argumentation des BGH in der zitierten Entscheidung zu verweisen ist.

Vor allem aber wurde im vorliegenden Fall die maßgebliche Bestimmung des § 5 Abs 2k der Allgemeinen Bedingungen durch die eingangs zitierte Bestimmung der Yacht-Kasko-Pool J***** & H***** Vertragsbedingungen entscheidend modifiziert. Der einleitende Satz, daß der Ausschluß "sowie Schäden bei Überlassung an einen Dritten gegen Entgelt" bei Mitversicherung des Charterrisikos entfalle, wird durch den im zweiten Satz in Klammer gestellten Halbsatz "ohne mitversichertem Charterrisiko nur mit festem Skipper" relativiert. Von einer klaren Regelung in dem vom Revisionswerber gewünschten Sinn, nämlich daß der Ausschluß "sowie Schäden bei Überlassung an einen Dritten gegen Entgelt" mangels Mitversicherung des Charterrisikos auch bei Fahrten mit festem Skipper eintreten solle, sofern zahlende Personen mitgeführt werden, kann keine Rede sein.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen, die nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassen sind, so auszulegen, wie sie der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen mußte. Es ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck der Bestimmung zu berücksichtigen (VersE 1472; VR 1990/182 ua). Unklarheiten gehen grundsätzlich zu Lasten des Versicherers (zuletzt etwa 7 Ob 2021/96y, 7 Ob 2136/96k ua).

Ausgehend vom Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ist der betreffenden Bestimmung zumindest im Zweifel die Aussage beizumessen, daß Fahrten mit festem Skipper (ob sich der Klammersatz auch auf Regattaeinsätze bezieht, kann hier dahingestellt bleiben) auch ohne Mitversicherung des Charterrisikos, die "aus welchem Grund auch immer" durchgeführt werden, jedenfalls vom Versicherungsschutz umfaßt sind.

Es ist daher nicht von entscheidender Bedeutung, ob die mitfahrenden Familien hiefür ein Entgelt an die Kläger entrichteten und ob auch vor und nach der betreffenden Fahrt Personen gegen Entgelt mitgenommen und das Schiff an Interessenten zur Charter (mit Skipper) angeboten wurde. Daß die Mitnahme zahlender Dritter in eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit der Kläger umgeschlagen sei, hat die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet, sodaß auf die diesbezüglichen, erstmals im Rechtsmittelverfahren erstatteten Ausführungen nicht weiter einzugehen ist.

Die zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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