OGH 7Ob2136/96k

OGH7Ob2136/96k18.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friederike R*****, vertreten durch Dr.Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Bock und Dr.Thomas Wiesinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 500.000,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19.Februar 1996, GZ 4 R 288/95-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.September 1995, GZ 37 Cg 29/94g-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375,-- (darin enthalten S 3.562,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Alleinerbin ihres am 14.3.1990 verstorbenen Ehemannes Leopold R*****. Leopold R*****, geboren am 30.9.1909, hatte bei der beklagten Partei eine Unfallversicherung abgeschlossen, der die AUVB 1965 zugrundelagen. Die Versicherungspolizze lautete auf den Inhaber. Die Todfallsleistung betrug S 500.000,--.

Am 2.6.1989 kam Leopold R***** mit seinem von ihm gelenkten Auto bei der Autobahnabfahrt W***** ab und fuhr gegen einen Baum. Er erlitt folgende Verletzungen: Schädelprellung verbunden mit Rißquetschwunden im Bereich des Gesichtes; Prellungen beider Unterarme, der linken Hand, des Bauches, des Beckens und beider Kniegelenke; Rißquetschwunden im linken Oberschenkel und am linken Unterschenkel, Brüche beider Wadenbeine und der dritten und vierten Rippe links.

Leopold R***** wurde 1971 die Galle entfernt, 1973 erlitt er einen Vorderwandinfarkt und am 2.4.1979 als Folge einer Gefäßvorschädigung einen Schlaganfall, der mit einer vorübergehenden Lähmung einherging. Seit 14.6.1979 stand Leopold R***** beim Internisten Dr.R***** in Behandlung. Dieser stellte bei der ersten Untersuchung Leopold R***** eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, ein Zustandsbild nach Herzinfarkt und latent decompensierten (insuffizienten) Kreislauf fest. Seit 1981 war ein kirschgroßer Rundherd in der rechten Lunge Leopold R***** bekannt. Bei einer Untersuchung durch einen Facharzt für Lungenkrankheiten am 15.1.1988 wurde festgestellt, daß dieser Rundherd im Laufe der letzten sieben Jahre nur geringfügig an Größe zugenommen hat. Weiters ergab derselbe Befund, daß seit 1986 links in der Lingula ein herzkirschengroßer Rundherd zustandegekommen war. Am 1.3.1988 wurde Leopold R***** neuerlich vom Lungenfacharzt untersucht. Ein zweites Röntgen wurde durchgeführt. Dies ergab, daß sich der Zustand Leopold R***** seit der ersten Röntgenaufnahme am 15.1.1988 nicht verändert hatte. Der Lungenfacharzt schlug daraufhin eine weitere Kontrolle in zwei bis drei Monaten vor.

Die latente Herzleistungsschwäche machte sich durch zeitweise Schwellungen an den Beinen und durch Atemnot bemerkbar. Der Gesundheitszustand Leopold R***** vor dem Unfall entsprach, von der Herzkrankheit und dem Rundherd abgesehen, seinem fortgeschrittenen Alter. Sein Gewicht war gleichbleibend.

Die am 2.7.1989 beim Verkehrsunfall erlittenen Rippenbrüche hatten eine Einblutung in die Brusthöhle zur Folge, die durch eine Drainagesetzung behoben wurde. Es erfolgte wegen des hohen Alters Leopold R***** eine intensive medizinische Überwachung. Am 12.6.1989 wurde Leopold R***** aus dem Krankenhaus entlassen. Alle Wunden waren abgeheilt. Die Wadenbeinbrüche beidseits wurden nur mit elastischen Binden behandelt. Leopold R***** war mit nur mäßigen Schmerzen gut gehfähig und benötigte hiezu keine Hilfsmittel wie etwa Krücken. Er war nicht bettlägrig. Im Zuge der medizinischen Behandlung mußte jedoch ein Harn-Darmkatheter gesetzt werden, nach dessen Entfernung sich eine Blasenentleerungsstörung ausbildete. Aufgrund dieser Beschwerden wurde Leopold R***** am 12.6.1989 ins Sanatorium D***** zur Nachbehandlung im urologischen Bereich überstellt. Eine Untersuchung ergab, daß eine gut tennisballgroße Vergrößerung der Prostata bestand, was jedoch nicht auf den Unfall zurückzuführen war. Die Vergrößerung bewirkte eine erhöhte Empfindlichkeit für Harnverhaltungen und mußte operativ verkleinert werden. Leopold R***** war aus kardialer und pulmonaler Sicht unter gewissen Sicherheitsvorkehrungen operationsfähig. Hinweise auf Beinthrombosen gab es nicht. Demnach drohte auch keine Lungenembolie. Die Operation erfolgt am 22.6.1989. Am 4.7.1989 wurde Leopold R***** aus dem Sanatorium D*****entlassen.

Am 24.7.1989 suchte er seinen Hausarzt Dr.R***** auf. Er hatte an körperlicher Substanz und Wasser verloren. Die Gewichtsabnahme betrug 23 kg. Er klagte über Schmerzen in den beiden unteren Extremitäten. Der Arzt verordnete eine Salbe und verschrieb ein antidepressives Medikament, da Leopold R***** an Vitalität und Lebenslust verloren hatte. Auch am 23.8.1989 suchte Leopold R***** Dr.R***** wegen Schmerzen in den Beinen auf. Dr.R***** hielt nach einer Risikoabwägung eine gerinnungshemmende medikamentöse Behandlung weiterhin für nicht erforderlich, da es außer Ödemen und den Schmerzen in den Beinen keine Hinweise auf eine mögliche Thrombophlebitis gab. Am 20.9.1989 kam Leopold R***** abermals in die Ordination Dr.R*****, diesmal wegen Beschwerden mit der Lunge. Dr.R***** diagnostizierte eine eitrige Bronchitis und überwies seinen Patienten wieder zum Lungenfacharzt. Am 3.10.1989 (19 Monate nach der letzten Röntgenaufnahme am 1.3.1988 und vier Monate nach dem Verkehrsunfall) stellte der Lungenfacharzt fest, daß der Rundherd auf der rechten Seite praktisch unverändert war und daß sich der Rundherd links verändert hatte. Er war nicht mehr herzkirschgroß, sondern hatte Faustgröße erreicht, mit großer zentraler Hülle. Die Veränderungen betrafen den Unterlappen der Lunge. Auch am 30.10. und am 15.11.1989 war Leopold R***** wegen seiner Lungenbeschwerden bei Dr.R*****. Vom 8.1. bis zum 21.1.1990 war Leopold R***** in stationärer Behandlung in der II.Univ.-Klinik in Wien. Die Aufnahme erfolgte primär wegen stechender Schmerzen im Brustkorb, Atemnot und einer Gewichtsabnahme von 28 kg im letzten Jahr. Leopold R***** befand sich in einem mäßigen Allgemein- und in einem herabgesetzten Ernährungszustand. Beinödeme wurden festgestellt, eine Behandlung im Bereich der Beine erfolgte nicht. Die Behandlung konzentrierte sich auf die Veränderung in der Lunge links; es mußten Leopold R***** 2,2 l eines Ergusses, dessen Entstehungsursache nicht bekannt war, aus der linken Brusthülle entfernt werden. Am 26.1., 31.1. und am 2.2.1990 suchte Leopold R***** wieder Dr.R***** auf. An jedem der Termine klagte er über heftigste Lungenbeschwerden mit starken Schmerzen, weshalb ihm schmerzlindernde Mittel, zuletzt Suchtgiftpräparate verordnet wurden. Am 9.2.1990 wurde Leopold R***** wieder in der II.med.Univ.-Klinik in Wien wegen hochgradiger Brustschmerzen aufgenommen. 2,3 l eines Ergusses wurden aus der linken Brusthülle entfernt. Beinödeme wurden festgestellt, ein Hinweis auf Gerinselabscheidungen war aber nicht zu finden. Am 14.2.1990 wurde Leopold R***** aus dem Krankenhaus entlassen. Er wurde am 25.2.1990 im Sanatorium D***** aufgenommen. Anlaß war eine Lungenentzündung, die mit einer Herzleistungsschwäche und mit Herzrhythmusstörungen einherging. Die Beine Leopold R***** waren geschwollen. Es wurden kreislaufstützende Maßnahmen ergriffen, um die Herz-Kreislaufschwäche zu beheben. Die Lungenentzündung bildete sich klinisch und labormäßig zurück. Trotzdem verfiel Leopold R***** in ein depressives Zustandsbild und war nicht mehr mobilisierbar. Damit kam es wieder zu Kreislaufschwächen und neuerlichen Zusammenbrüchen beim Versuch, den Patienten zu mobilisieren.

Am 14.3.1990 verstarb Leopold R***** langsam verdämmernd und nicht überraschend an den Folgen eines Herz- und Lungenversagens. Lungenembolie war keinesfalls die Todesursache. Die seit dem Unfall eingetretene massive Wachstumsteigerung des linken Tumors ist auch für den tödlichen Ausgang der Erkrankung des Leopold R***** verantwortlich. Durch den Unfall erlitt Leopold R***** nicht nur die oben angeführten Verletzungen, sondern auch ein psychisches Unfalltrauma. Nach dem Unfall war Leopold R***** durch dieses psychische Unfalltrauma ein gebrochener Mann. Er hat sich psychisch verändert, sodaß ihm von Dr.R***** Mittel gegen Depressionen verschrieben wurden. Vor dem Unfall war Leopold R***** ein lebensbejahender Mensch. Der Unfall hat bei ihm neben den oben beschriebenen körperlichen Verletzungsfolgen einen massiven psychischen Knick hervorgerufen. Durch dieses psychische Unfallstrauma kam es zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems bei Leopold R*****, die zur oben festgestellten massiven Wachtumssteigerung des linken Tumors führte, die für den Tod des Mannes kausal war.

Die Klägerin begehrte als berechtigte Inhaberin der Polizze S 500.000,--, weil der Tod des Leopold R***** eine Folge des Unfalles vom 14.3.1990 gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung dieses Begehrens und wendete ein, daß der Tod des Leopold R***** nicht auf seine Unfallsverletzungen, sondern auf seinen altersbedingt schlechten Allgemeinzustand und das Fortschreiten seiner schweren Grunderkrankungen zurückzuführen gewesen sei.

Das Erstgericht stellte im zweiten Rechtsgang den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und gab der Klage statt. Das beim Unfall erlittene psychische Unfallstrauma sei einer Körperverletzung gleichzusetzen, weil es das Immunsystem derart gravierend beeinträchtigt habe, daß die Störung des Immunsystems zu einer massiven Wachstumssteigerung des linken Tumors geführt habe, die für den Tod des Leopold R***** verantwortlich gewesen sei. Es sei daher der in Art.1 und 2 AUVB beschriebene Versicherungsfall eingetreten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Unter einer Körperverletzung sei jede Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen. Die Störung könne physisch oder psychisch verursacht sein. Unter den Begriff der Körperverletzung falle auch eine massive Einwirkung in die psychische Sphäre, zB durch Herbeiführen eines Schocks. Das vorliegende psychische Unfallstrauma sei einer Körperverletzung gleichzusetzen, weil es in gravierendem Ausmaß das Immunsystem beeinträchtigt habe. Die Ausgangspunkte im Versicherungsvertragsrecht und im Schadenersatzrecht seien zwar nicht dieselben. Gebe die vertragliche Regelung zur Frage des Kausalzusammenhanges keine Auskunft, so sei doch bei der Vertragsauslegung auf die Grundsätze der schadenersatzrechtlichen Verursachungslehre zurückzugreifen. Im vorliegenden Fall sei der Tod des Versicherungsnehmers infolge einer geschlossenen Kausalitätskette auf den Verkehrsunfall, der unter Versicherungsschutz stehe, zurückzuführen. Daß in Art.3.I.2. für psychische und nervöse Störungen eine Sonderregel vorgesehen sei, stehe der vorgenommenen Auslegung des Art.3.I.1. AUVB nicht entgegen. Eine Verminderung des Klagsbetrages infolge der Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers sei mangels einer Berufung der beklagten Partei darauf im ersten Rechtsgang und wegen der erfolgten Außerstreitstellung des Begehrens der Höhe nach nicht vorzunehmen. Die außerordentliche Revision sei zulässig, weil zur Auslegung der AUVB 1965 im Hinblick auf die Frage der Kausalkette zwischen Unfall und Tod durch ein psychisches Trauma keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die hier maßgebenden Bestimmungen der AUVB 1965 (auf die in Art.3.I.1. lit.a vorgesehene Möglichkeit der Leistungskürzung hat sich, wie das Gericht zweiter Instanz bereits zutreffend ausgeführt hat, die beklagte Partei nicht berufen) lauten:

"Art.1: Gegenstand der Versicherung: Versicherungsleistungen werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen im Rahmen der versicherten Beträge erbracht, wenn dem Versicherten während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes ein Unfall zustößt.

Art.2: Begriff des Unfalls: 1. Als Unfall im Sinn des Vertrages gilt jedes vom Willen des Versicherten unabhängige Ereignis, das, plötzlich von außen, mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkend, eine körperliche Schädigung oder den Tod des Versicherten nach sich zieht ...

Art.3: Sachliche Begrenzung des Versicherungsschutzes: I.1. Eine Versicherungsleistung wird nur für die durch den eingetretenen Unfall hervorgerufenen Folgen (körperliche Schädigung oder Tod) erbracht...

2. Für psychische und nervöse Störungen wird eine Leistung nur erbracht, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder auf eine Epilepsie zurückzuführen sind, die durch den Unfall erstmals entstanden sind."

Die weitaus überwiegende Rechtsprechung in Deutschland hat zu den vergleichbaren, dort in Geltung gestandenen AUB 1961, die inzwischen durch die AUB 1988 mit teils wesentlich geändertem Inhalt ersetzt wurden, Deckungsschutz auch bei (bloß) psychisch vermittelten Gesundheitsschädigungen gewährt (vgl. den Überblick bei Wagner, Grenzfälle und Ausschlüsse in der privaten Unfallversicherung, ZVersW 1975, 619 ff). Nach den AUB 1961 liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Ausgeschlossen sind unter anderem "Gebrechen infolge psychischer Einwirkung". Für die Folgen psychischer oder nervöser Störungen, die im Anschluß an einen Unfall eintreten, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder eine durch den Unfall neu entstandene Epilepsie zurückzuführen sind.

Der deutsche Bundesgerichtshof führte in seiner mehrfach besprochenen, in VersR 1972, 582 veröffentlichten Entscheidung aus, daß eine als Unfall zu wertende Gesundheitsschädigung auch dann anzunehmen sei, wenn diese durch eine im unmittelbaren kausalen, insbesondere zeitlichen Zusammenhang mit den Unfallereignis stehende psychische oder sonstige mittelbare Einwirkung hervorgerufen werde. Eine Erkrankung infolge einer psychischen Einwirkung sei nur dann vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn die psychische Einwirkung an erster Stelle der Kausalreihe stehe, nicht aber, wenn der Versicherte eine Gesundheitsschädigung infolge eines Schocks erleide, der durch ein Unfallereignis hervorgerufen werde. Der Versicherungsschutz könne für solche Fälle nur durch eine ausdrückliche und eindeutige Regelung ausgeschlossen werden. Den dafür zu stellenden Anforderungen genüge aber der § 2 Abs.3b AUB nicht.

Diese Entscheidung wurde in der Literatur mehrfach kritisiert (vgl. Wagner aaO, 640 f; Grewing in VersR 1973, 899; Manthey in VersR 1974, 225 f).

Ein entscheidender Unterschied der deutschen AUB 1961 und der AUVB 1965 kann darin, daß die deutschen Bedingungen "psychische Einwirkungen" ausdrücklich ausschließen, die österreichischen Bedingungen dafür aber das Erfordernis "mechanischer oder chemischer Einwirkungen" postulieren, nicht erblickt werden, weil die Einschränkung auf "mechanische oder chemische Einwirkungen" dem Ausschluß von "psychischen Einwirkungen" gleichkommt.

Der hier vorliegende Fall unterscheidet sich aber vom Sachverhalt her von jenen Fällen, in denen die Rechtsprechung in Deutschland teilweise im Gegensatz zur Lehre die Versicherungsdeckung bejaht hat, ganz wesentlich dadurch, daß hier der Versicherte unmittelbar in das Unfallgeschehen einbezogen und nicht bloßer Beobachter eines zu seiner Beeinträchtigung führenden Ereignisses war. Der Hauptansatzpunkt der Kritik der deutschen Lehre an der zitierten Entscheidung des BGH kommt daher hier nicht zum Tragen. Es kann im vorliegenden Fall keinem Zweifel unterliegen, daß der Versicherte in einen Unfall im Sinn des Art.2 Z 1 AUVB (und wohl auch im Sinn des § 2 der deutschen AUB 1961) verwickelt war, trug doch Leopold R***** durch den Anprall an den Baum durch mechanisch wirkende Kräfte schwere Verletzungen davon. Diese Gesamtsituation und nicht etwa der bloße Schock über ein die physische Integrität nicht unmittelbar berührendes Ereignis führte zu der schweren psychischen Irritation, die nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu einer massiven Verschlechterung der organischen Vorerkrankungen bis hin zum Tod führte. Aufgrund der vorliegenden Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, sind sämtliche Tatbestandsmerkmale, die Art.2 Z 1 AUVB für die Wirksamkeit des Versicherungsschutzes normiert, erfüllt: Ein plötzliches, von außen mechanisch auf den Körper des Versicherten einwirkendes Ereignis hat zu einer körperlichen Schädigung des Versicherungsnehmers und letztlich zu dessen Tod geführt. Wie bereits das Gericht zweiter Instanz zutreffend ausgeführt hat, bilden auch massive psychische Beeinträchtigungen eine "Verletzung am Körper" im Sinn des § 1325 ABGB (vgl. Reischauer in Rummel2 II, Rz 1 zu § 1325 ABGB mwN), wobei in der in den AUVB 1965 enthaltenen Formulierung "körperliche Schädigung" kein essentieller Unterschied erblickt werden kann. Es sind daher nicht nur die durch das Unfallgeschehen unmittelbar hervorgerufenen organischen Schäden, sondern auch das "psychische Unfallstrauma" und das dadurch hervorgerufene bzw. verschlechterte organische Leiden dem Begriff der "körperlichen Schädigung" zu unterstellen.

Daß die Kausalkette unterbrochen und die Deckungspflicht ausgeschlossen sein sollte, wenn ein Unfall, der alle Definitionsmerkmale des Art.2 Z 1 AUVB 1965 erfüllt, (auch) zu schweren psychischen Beeinträchtigungen und über diesen "Umweg" zu dadurch hervorgerufenen tödlichen organischen Fehlentwicklungen führt, läßt sich dem Wortlaut der zitierten Bestimmung nicht entnehmen. Aber auch Art.3.I.2. AUVG bietet für einen solchen Ausschluß keine hinreichenden Anhaltspunkte. Danach ist nur der Ersatz für psychische und nervöse Störungen unter den dort weiters genannten Voraussetzungen ausgeschlossen, nicht aber der hier begehrte Ersatz für den Tod des Versicherungsnehmers, der auf ein organisches Leiden zurückzuführen war, das im Zusammenhang mit dem als dramatisch empfundenen und nicht entsprechend verarbeiteten Unfallsereignis stand.

Es ist zwar den Ausführungen der Revision zuzugestehen, daß die zitierten Bestimmungen der AUVB 1965 zu Zweifeln Anlaß geben könnten, ob darin nicht zum Ausdruck kommen sollte, daß psychische Auswirkungen eines Unfallsgeschehens, welcher Art auch immer, vom Deckungsschutz ausgeschlossen sein sollten. Von einer klaren Regelung in dem von der beklagten Partei gewünschten Sinn kann jedoch keine Rede sein. Nach ständiger Rechtsprechung gehen Unklarheiten in Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die grundsätzlich wie Verträge und demnach nach §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind, zu Lasten des Versicherers (zuletzt etwa 7 Ob 2021/96y).

Ausgehend vom Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (RdW 1989, 329 ua) läßt sich eine Einschränkung betreffend die nach allgemeinem Schadenersatzrecht jedenfalls gegebene Kausalkette (vgl. Reischauer aaO; Schauer, VVG3, S 190 ff) zwischen dem Unfall und dem Tod des Versicherers dahin, daß die psychische Komponente in jedem Fall außer Betracht zu bleiben habe, nicht entnehmen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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