OGH 12Os74/07k

OGH12Os74/07k28.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herta G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Leoben vom 19. Februar 2007, GZ 20 Hv 28/06x-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Herta G***** des Verbrechens des Mordes schuldig erkannt, weil sie am 29. Mai 2006 in Pöls (ihren Gatten) Bernhard G***** vorsätzlich tötete, indem sie ihm mit einem Jausenmesser einen wuchtigen Stich in die linke Brustkorbvorderseite versetzte. Die Geschworenen hatten die anklagekonform nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage einstimmig bejaht und demgemäß Eventualfragen in Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB unbeantwortet gelassen.

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 12 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Fragenrüge (Z 6) wendet sich gegen die Unterlassung der Stellung einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) nach Notwehr. Sie wird jedoch dem für eine Erörterung im Sinne der §§ 285c Abs 2, 286 ff StPO erforderlichen Aufzeigen eines entsprechenden Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung nicht gerecht. Durch selektives Betonen einzelner Aussageteile - verbunden mit durch Verfahrensergebnisse nicht gedeckten Spekulationen - unter Außerachtlassen des Zusammenhanges wird die Indizwirkung für die angestrebte Zusatzfrage nicht dargetan (Schindler, WK-StPO § 313 Rz 14; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 42; 12 Os 18/05x; 11 Os 24/06y ua). Die Angeklagte deponierte zwar, von ihrem Mann zwei „Watschen" bekommen zu haben, nicht aber die im Rechtsmittel gemutmaßte Erwartung der Fortsetzung und Steigerung der Tätlichkeiten. Sie habe zugestochen, weil sie eine „Ruhe haben" wollte, sowie, dass „er weggeht"; Ziel sei gewesen, „ihm einen Schmerz" zuzufügen (S 203, 205/II); ob er zu einem Schlag ausgeholt habe, wisse sie nicht (S 213/II). Durch Verlesung (S 249, 251/II) kamen in der Hauptverhandlung überdies die früheren Angaben der Beschwerdeführerin vor, in denen sie ein Handeln aus Zorn (S 53, 71/I) und mit dem Ziel, ihrem Gatten „zu zeigen, wie schmerzhaft eine Verletzung sein kann" (S 25, 67, 69/I), darlegte sowie ihre Erstangaben in Richtung eines Selbstmordes mit Angst vor Entdeckung motivierte (S 65/I).

Mangels Indizien für eine objektiv bestehende Notwehrsituation gehen die Überlegungen zu einer Notwehrüberschreitung von vornherein ins Leere (Lewisch in WK² § 3 Rz 159, 165) und bedürfen somit keiner Erwiderung.

Der Tatsachenrüge (Z 10a) gelingt es mit den erwähnten angeblichen Hinweisen auf eine Notwehrlage und der daran geknüpften - jedoch verfahrensfremden - Hypothese einer „allgemein begreiflichen heftigen tiefgehenden Gemütsbewegung aus Angst und Furcht, Schock, Mutlosigkeit und Verzweiflung" nicht, erhebliche Bedenken an den zum Schuldspruch wegen Mordes führenden Feststellungen im Wahrspruch zu erwecken. Für die intendierte Annahme eines Totschlages (§ 76 StGB) sprechen auch nicht - dem Rechtsmittelstandpunkt zuwider - die Schmerzhaftigkeit der ohne Verletzungsfolgen gebliebenen (S 209/II) Ohrfeigen (S 213/II), das Unvermögen zu Angaben zur aktuellen Herkunft der Tatwaffe (S 203/II), die mehrdeutige Aussagen zur in der Beschwerde behaupteten Angst („über Vorhalt, warum ich bisher nie Angaben dahingehend gemacht habe, am 29. 5. 2006 Angst vor meinem Mann gehabt zu haben, gebe ich an: Es ist ja selbstverständlich, dass man Angst hat. Über neuerlichen Vorhalt, dass ich dies bisher nicht erwähnt habe, sondern vielmehr zornig gewesen zu sein, ... Angst und Zorn ist ja das selbe" - S 211/II, vgl auch neuerlich S 53, 71/I), die Äußerung des psychiatrischen Sachverständigen, die Angeklagte sei kein gefährlicher oder aggressiver Mensch (S 233/II), und die Einschätzung eines Polizeibeamten, die Frau sei bei der Erstbefragung „verwirrt" gewesen und „unter dem Einfluss von Medikamenten und/oder Alkohol oder unter Schock" gestanden (S 219/II).

Auch wenn die Beschwerdeführerin angab, sie habe ihren Mann nicht töten, ja nicht einmal schwer verletzen, sondern ihm mit einem „Pieksen" einen Schmerz zufügen wollen (S 199, 203 bis 207/II; 35, 53, 67, 69/I), werden dadurch keine qualifizierten Bedenken gegen den konstatierten Mordvorsatz (zugunsten des in der Beschwerde genannten Tatbestandes des § 87 Abs 1, Abs 2 StGB) hervorgerufen: Stach doch die Täterin mit erhobener Hand von oben nach unten (S 545/I [S 251/II]) so stark und gezielt auf den Brustkorb des ihr gegenüberstehenden Mannes ein, dass dies durch die Kleidung zu einem 14 cm langen - bis ins Herz reichenden - Stichkanal führte (S 245, 249/II).

Als Subsumtionsrüge (Z 12) wird das Vorbringen in Richtung §§ 76, 87 StGB nicht explizit bezeichnet - es bringt allerdings auch mangels der gebotenen Orientierung allein am Wahrspruch diesen materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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