Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden sowie die Berufungen der Angeklagten Afrim und Mirlind L***** wegen Schuld werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden Afrim L*****, Nasr A***** und Ahmad Yousef A***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A.), Mirlind L***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (B.) und Afrim L***** überdies des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB (C.) schuldig erkannt.
Demnach haben in Wien
A. Afrim L*****, Nasr A***** und Ahmad Yousef A***** am 13. April 2004 versucht, im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) dem Thomas S***** mit „Gewalt" oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib „und" Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich 86.000 EUR Bargeld, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen, indem sie gemeinsam mit einem PKW zu dem zuvor vereinbarten Tatort, nämlich der Zentrale des „Sch*****" in *****, fuhren, worauf sie das Fahrzeug verließen, sich zu jener Zentrale begaben und dort Thomas S***** mit einem einsatzbereiten Elektroschocker auflauerten, wobei jedoch der Genannte nicht am Tatort eintraf, weil ihn die Polizei gewarnt hatte;
B. Mirlind L***** am 13. April 2004 zur Ausführung der zu A. angeführten Tat dadurch vorsätzlich beigetragen, dass er am 13. April 2004 mit einem PKW die in Punkt A. Genannten in die Nähe des vereinbarten Tatorts brachte, an jenem Fahrzeug andere Kennzeichentafeln montierte, um dieses zu tarnen, und sich bereithielt, die unmittelbaren Täter auf der Flucht vom Tatort mit der Beute aufzunehmen;
C. Afrim L***** nachts zum 3. April 2004 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit den abgesondert Verurteilten Arsim B***** und Fidan L***** dem Arie Bo***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Handys in nicht näher festzustellender Anzahl und Wert sowie eine Lederjacke und einen Laptop, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie in ein Gebäude einbrachen.
Die Geschworenen hatten die auf das Verbrechen des versuchten schweren Raubes, hinsichtlich Mirlind L***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, gerichteten Hauptfragen jeweils bejaht und die hinsichtlich Afrim L*****, Nasr A***** und Ahmad Yousef A***** auf Rücktritt vom Versuch gerichteten Zusatzfragen jeweils verneint. Auch die zu Afrim L***** nach dem Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch gerichtete Hauptfrage wurde bejaht.
Die Beantwortung der auf das Verbrechen des versuchten schweren Diebstahls gerichteten Eventualfragen entfiel ebenso wie die der auf Rücktritt vom Versuch dieses Delikts gerichteten Zusatzfragen hinsichtlich des Erst-, Dritt- und Viertangeklagten. Die Angeklagten bekämpfen dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerden, die von Afrim L***** auf § 345 Abs 1 Z 1 und 10a, von Mirlind L***** auf § 345 Abs 1 Z 10a, von Nasr A***** auf § 345 Abs 1 Z 1, 6, 10a und 11 lit a und von Ahmad Yousef A***** auf § 345 Abs 1 Z 6, 10a und 11 lit a gestützt werden.
Zu den - weitgehend übereinstimmenden - Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Afrim L***** und Mirlind L*****:
Rechtliche Beurteilung
Behaupteten Mängeln der Verhandlungsleitung der Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes wäre durch eine entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung zu entgegnen gewesen, welche - im Fall ihrer Erfolglosigkeit - die Bekämpfung des Urteils mittels Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 5 StPO) eröffnet hätte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 303 f).
Inhaltliche Mängel des Protokolls über die Hauptverhandlung stehen nicht unter Nichtigkeitssanktion (Fabrizy StPO9 § 271 Rz 2). Auch ihre Behebung lag in der Disposition der Parteien im Wege eines Berichtigungsantrages, welcher von den Beschwerdeführern aber nicht gestellt wurde.
Die im Wahrspruch der Geschworenen getroffene Feststellung, dass der Vorsatz der Angeklagten auf Sachwegnahme mit Gewalt (ergänze: gegen eine Person) oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und (richtig: oder) Leben unter Verwendung eines Elektroschockers gerichtet war, begegnet - den Tatsachenrügen (Z 10a) zuwider - keinen sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken. Erscheint es doch fallbezogen nicht realistisch, einem Geldboten eine hohe Geldsumme ohne die angeführten Begehungsmittel des Raubes wegzunehmen oder abzunötigen.
Dem Vorbringen der beiden Beschwerdeführer, freiwillig vom Versuch zurückgetreten zu sein, stehen sogar ihre eigenen Verantwortungen entgegen. So begründete Afrim L***** die Aufgabe seines Tatentschlusses mit dem Umstand, dass am ausersehenen Tatort zu viele Leute gewesen seien, von denen er befürchtete, dass sie ihn und die anderen am Überfall hindern könnten (S 275/II). Mirlind L***** - der tatplangemäß mit dem startbereiten Auto auf die Ausführungstäter gewartet hatte - räumte wieder ein, diese im Bewusstsein vom Tatort weggebracht zu haben, dass sie verfolgt werden (S 311/II). Demgemäß war bei ihm - ungerügt - und zu Recht gar keine Zusatzfrage in Richtung Rücktritts vom Versuch gestellt worden.
Aus der Distanz getroffene Einschätzungen intervenierender Polizeibeamter vermögen gleichfalls keine erheblichen Bedenken gegen die Annahme des Tätervorhabens zu wecken.
Das auf § 345 Abs 1 Z 1 StPO gestützte Vorbringen des Angeklagten Afrim L***** - der zur Zeit der Tat zwar nicht (wie im Rechtsmittel behauptet) jugendlich, wohl aber junger Erwachsener iSd § 46a JGG war -, dass sich „nirgends ein Hinweis darauf befinde, dass zumindest zwei Geschworene im Lehrberuf tätig sind oder waren", kritisiert ersichtlich die Besetzung der Geschworenenbank nach § 28 Abs 1 JGG, entspricht aber als bloße Spekulation nicht dem Bestimmtheitsgebot der §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2, 344 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 144). Denn die Heranziehung der Laienrichter gemäß den Dienstlisten (§ 14 Abs 1 GSchG) war aktenkundig (ON 104) und für die Verteidigung ohne weiteres überprüfbar.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nasr A*****:
Der Besetzungsrüge (Z 1) ist zuzugestehen, dass das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 2. September 2004 - entgegen der Vorschrift des § 300 Abs 2 zweiter Absatz StPO - neun Geschworene und eine Ersatzgeschworene bezeichnet. Die unrichtige Nennung von neun Geschworenen ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Namen dieser Personen aus der Hauptdienstliste entnommen wurden, während die als Ersatzgeschworene bezeichnete Brigitte G***** in der Ergänzungsdienstliste aufschien (ON 104). Somit handelt es sich bei der bezeichneten Personengruppe um Hauptgeschworene iSd § 14 Abs 4 GSchG, von welchen die Ergänzungsgeschworenen zu unterscheiden sind. Diese Begriffe des GSchG sind nicht ident mit jenen der StPO, welche die Laienrichter im Verfahren vor dem Geschworenengerichten nach ihrer tatsächlich ausgeübten Funktion als Geschworene oder Ersatzgeschworene bezeichnet (Philipp, WK-StPO § 300 Rz 8). Zu Beginn der gemäß § 276a erster Satz StPO am 21. Oktober 2004 fortgesetzten Hauptverhandlung wurde klargestellt, dass es sich bei Mag. Irmgard P***** - die im Hauptverhandlungsprotokoll vom 2. September 2004 noch als Geschworene bezeichnet wurde - auch um eine Ersatzgeschworene handelte, die sodann wegen Erkrankung entlassen wurde (S 3/III). Eine Berichtigung der Bezeichnung ihrer Funktion im früheren Protokoll wurde nicht vorgenommen, zumal eine solche seitens der Parteien auch nicht beantragt worden war.
Hätten bislang Zweifel an der Funktion der Laienrichterin Mag. Irmgard P***** oder einer anderen im Protokoll als Geschworener bezeichneten Person bestanden, so hätte der Beschwerdeführer dies spätestens zu diesem Zeitpunkt rügen müssen (§ 345 Abs 2 StPO). Nach Ausscheiden des Geschworenen Jörg R***** wegen verspäteten Erscheinens trat die schon im Protokoll über die Hauptverhandlung vom 2. September 2004 als Ersatzgeschworene bezeichnete Brigitte G***** an seine Stelle (§ 3 ff/III), sodass in der Folge - dem Gesetz entsprechend - acht Geschworene, die der ganzen Hauptverhandlung beigewohnt haben, über die Schuld entschieden.
Anhaltspunkte für einen - allein relevanten - willkürlichen Austausch von Geschworenen kann der Beschwerdeführer nicht liefern (14 Os 100/04; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 107).
Die unsubstantiierte - „aus Gründen der Vorsicht" erhobene - Behauptung der mangelnden Eignung der Geschworenen iSd § 28 Abs 1 JGG entspricht als bloße Spekulation nicht dem Bestimmtheitsgebot der §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO (siehe die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerden Afrim und Mirlind L*****).
Die Fragenrüge (Z 6) richtet sich gegen die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage nach verbrecherischem Komplott nach § 277 Abs 1 StGB, weil nach dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung das Vorliegen einer das Stadium strafbaren Versuchs des schweren Raubes nicht erreichenden Vorbereitungshandlung indiziert gewesen sei. Durch bruchstückhafte selektive Wiedergabe von Äußerungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung gelingt es dem Beschwerdeführer aber nicht, ein Vorbringen eines anderen als des den entsprechenden Hauptfragen zugrundeliegenden Geschehnisablaufes aufzuzeigen (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 1). Vermag doch weder eine fehlende Einigung der unmittelbaren Täter über ihre jeweilige Rolle bei der arbeitsteiligen Ausführung eines geplanten Raubes noch eine im Minutenbereich liegende Zeitspanne bis zum erwarteten Eintreffen des präsumtiven Opfers mit nach langem Wochenende gezielt erwarteter reichhaltiger Beute am letzten Ort seiner Inkassotour, bei bereits tatplangemäß bereitgestelltem getarntem Fluchtfahrzeug, das die unmittelbaren Täter unter Mitführen einer Waffe schon verlassen hatten, die Strafbarkeit als Raubversuch auszuschließen.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) richtet sich gegen den Ausspruch der Geschworenen, dass die Ausführungstäter dem Geldboten am auserwählten Tatort auflauerten, wodurch sie zum Ausdruck brachten, dass die betroffenen Angeklagten das präsumtive Opfer dort erwarteten. Indem der Beschwerdeführer auf die kurze Dauer seiner Anwesenheit an dieser Stelle hinweist, vermag er keine geschweige denn erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erwähnten Konstatierung aufzuzeigen. Der Beschwerde zuwider wird diese Feststellung auch nicht dadurch ad absurdum geführt, dass der Geldbote nicht am Tatort eintraf, weil ihn die Polizei gewarnt hatte.
Die erfolgreiche Geltendmachung des materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes der Z 11 lit a setzt voraus, dass ein Vergleich der im Wahrspruch festgestellten Tat mit deren im Urteilsspruch erfolgten Unterstellung unter das Strafgesetz einen Rechtsirrtum ergibt. Dieser Irrtum muss aus dem Wahrspruch selbst unter Zugrundelegung der in diesem von den Geschworenen festgestellten Tatsachen abgeleitet werden (Mayerhofer StPO5 § 345 Z 11a E 1 f). Indem der Beschwerdeführer seine rechtlichen Überlegungen, dass das Versuchsstadium noch nicht erreicht sei, auf den angeblichen Vorstellungen der Angeklagten aufbaut, bis zur Ausführung der Tat noch rund eine Viertelstunde Zeit gehabt zu haben, welche jedoch nicht in eine entsprechende Feststellung der Geschworenen im Wahrspruch einflossen, mangelt es der Rüge an der prozessordnungsgemäßen Ausführung.
Im Übrigen vermag die Annahme einer solchen Zeitspanne die Strafbarkeit als versuchter Raub nicht auszuschließen (siehe die Ausführungen zur Fragenrüge).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ahmad Yousef A*****:
Die Fragenrüge (Z 6) richtet sich gegen die - anklagekonforme - Verwendung des Wortes „Auflauern" in den auf das Verbrechen des versuchten schweren Raubes gerichteten Hauptfragen. Damit vermag der Beschwerdeführer aber nicht einmal ansatzweise eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung an die Geschworenen aufzuzeigen, sodass der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung gelangt.
Indem der Beschwerdeführer mit seiner Tatsachenrüge (Z 10a) auf Unterschiede zwischen seiner (als richtig dargestellten) Verantwortung und den Angaben der anderen Angeklagten hinweist, gelingt es ihm nicht, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen (einschließlich der Verneinung freiwilligen Rücktritts vom Versuch) zu wecken. Soweit er eine Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung durch Unterlassung einer ergänzenden Befragung der Angeklagten zu den Widersprüchen behauptet, legt er nicht dar, durch welche Umstände er selbst an der Ausübung seines Rechts, eine weitere Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu beantragen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Indem die Rechtsrüge (Z 11 lit a) die Konstatierungen zur objektiven und subjektiven Tatseite zu bekämpfen sucht, weicht sie von dem von den Geschworenen festgestellten Tatsachensubstrat ab, sodass es ihr an der prozessordnungsgemäßen Ausführung mangelt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Gleiches gilt für die von Afrim und Mirlind L***** ausgeführten, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufungen wegen Schuld.
Die Entscheidung über die Berufungen gegen den Strafausspruch sowie über die Beschwerde (S 127/III) fällt demgemäß in die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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