OGH 1Ob20/07h

OGH1Ob20/07h26.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekurs- und Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé sowie Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia E*****, vertreten durch Stolz & Schartner, Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei Gemeinde R*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 458.350,- und Leistung (Gesamtstreitwert EUR 466.850,-), über den Revisionsrekurs und die außerordentliche Revision der beklagten Partei sowie über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekurs- und Berufungsgericht vom 3. Oktober 2006, GZ 5 R 43/06x-87, womit der Beschluss und das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 13. März 2006, GZ 14 Cg 150/02g-80, teilweise abgeändert wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Beide außerordentliche Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

  1. 2. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
  2. 3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.826,82 (darin EUR 304,47 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zur ao Revision der Klägerin:

1. Es entspricht herrschender Judikatur, dass die Auslegung einer Vereinbarung nach den Grundsätzen des § 914 ABGB, insbesondere unter Erforschung der im konkreten Fall verfolgten Parteienabsicht, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt, sofern kein krasses Abweichen von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung vorliegt. Dies gilt insbesondere auch dort, wo die Vorinstanzen bei der Auslegung einer Vereinbarung auch deren „Vorgeschichte" berücksichtigt haben (vgl MietSlg 54.683 mwN).

2. Die Klägerin wendet sich unter anderem gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung der Entschädigung für die Quellschüttung als Enteignungsentschädigung, was einen Verstoß gegen § 405 ZPO darstelle. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht die obige Qualifizierung im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung der klägerischen Ansprüche vorgenommen hat, und zwar mit dem Ergebnis, dass keiner der Tatbestände des § 1486 ABGB vorliege und es sich auch nicht um einen Schadenersatzanspruch handle, weshalb der klägerische Anspruch auf Entschädigung für die Quellschüttung der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliege und daher der beklagtenseits erhobene Verjährungseinwand nicht gerechtfertigt sei. Von einer Verletzung des § 405 ZPO kann daher keine Rede sein. Die Ausführungen der Klägerin zur behaupteten Aktenwidrigkeit im Zusammenhang mit dem Verfahren 40 Cg 93/02s des Landesgerichts Innsbruck (betreffend die Nutzungsteilung der gegenständlichen Liegenschaft zwischen der Klägerin und einer Agrargemeinschaft) und zur Rechtsstellung dieser Agrargemeinschaft sind unerheblich, zumal auf Basis der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung der Anspruch auf Entschädigung für die Quellschüttung bereits dem Grunde nach nicht zu Recht besteht und daher die Frage nach einer über die Hälfte des Klagsanspruchs hinausreichenden Aktivlegitimation der Klägerin hinfällig ist.

Schließlich argumentiert die Klägerin, dass eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts darin liege, ob auf den vorliegenden Fall die Grundsätze des Eisenbahnenteignungsgesetzes anzuwenden seien oder nicht. Diese Frage steht allerdings in keinerlei Sachzusammenhang mit der hier strittigen Vertragsauslegung nach §§ 914 f ABGB. Im Übrigen hat der erkennende Senat bereits zu 1 Ob 27/93 (= SZ 67/6) festgehalten, dass im Falle der Ablehnung der meritorischen Entscheidung durch die Wasserrechtsbehörde die Entschädigung für die Quellschüttung nicht nach § 117 Abs 4 und 6 WRG, sondern im streitigen Verfahren geltend zu machen ist. Sämtliche weiteren Ausführungen im Rechtsmittel der Klägerin betreffen Fragen der Vertragsauslegung im Einzelfall, wobei kein krasses Abweichen von den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung aufgezeigt werden konnte (siehe oben zu 1.), sodass es am Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO mangelt. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zur ao Revision der Beklagten:

Die Beklagte vermeint, dass das Begehren, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Möglichkeit der Wasserentnahme bei der Brunnenstube einzuräumen, tatsächlich wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen und nicht abzuweisen gewesen wäre, dass das Berufungsgericht das diesbezügliche Urteilsbegehren nicht ohne jede Begründung hatte abändern dürfen, und dass der Zuspruch von EUR 600,-

„ohne Rechnungslegung seitens der Klägerin als Geschäftsbesorgerin" zu Unrecht erfolgt sei.

Die Erheblichkeit der angesprochenen Rechtsfragen im Sinne des § 502 ZPO ist indes zu verneinen:

Die Parteien haben durch ein mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. 12. 1975 gemäß § 111 Abs 3 WRG beurkundetes Übereinkommen u.a. vereinbart, dass die Wasserversorgung für die alte Sennhütte in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang weiter gewährleistet sein müsse. Sollte aus irgendeinem Grunde das Wasser dieser Hütte „ausfallen", so müsse die Gemeinde die Möglichkeit einer Wasserentnahme bei der neu zu errichtenden Anlage für die Zeit des Ausfalles vorsehen (siehe Ersturteil S 9 und 11).

Gemäß § 117 Abs 7 WRG hat, soweit Angelegenheiten des Abs 1 (betreffend Entschädigungen und Beiträge) in Übereinkommen (§ 111 Abs 3) geregelt werden, über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht (Abs 6) zu entscheiden, und zwar ausschließlich und ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde (RIS-Justiz RS0045814). Die geltend gemachte Unzulässigkeit des Rechtswegs liegt somit nicht vor.

Eine Abänderung des Urteilsbegehrens durch das Berufungsgericht ist nicht erkennbar, da die Einräumung der „Möglichkeit der Wasserentnahme" unzweideutig im Sinne der generellen und nicht auf einen einmaligen Bezug beschränkten Schaffung dieser Möglichkeit zu verstehen ist, und somit nur ein sprachlicher, aber kein inhaltlicher Unterschied zur begehrten Einräumung der „Möglichkeit der Wasserentnahmen" gegeben ist.

Was den Zuspruch des Betrags von EUR 600,- anlangt, ist die Beklagte auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach eine im Berufungsverfahren unterbliebene oder nicht gehörig ausgeführte Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann (Kodek in Rechberger, ZPO3 § 503 Rz 23 mwN).

Zusammengefasst ist somit auch die Erheblichkeit der von der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision aufgezeigten Rechtsfragen zu verneinen, sodass auch diese mangels der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist (§ 508a Abs 2 ZPO).

Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten ua die Zahlung von EUR 63.000,- als Ablöse für den Verlust von 4,2 „Kuhgräsern" bzw. Großvieheinheiten. Gemäß Bescheid der BH S***** vom 13. 3. 1975 habe die Beklagte der Klägerin ursprünglich 15 Großvieheinheiten abgelöst. Die der Klägerin gehörende Hälfte des „Niederlegers" habe zunächst für 30 Großvieheinheiten gereicht. Nach der Durchführung der beiden Projekte (Wildbach- und Lawinenverbauung sowie Wasserversorgung der Gemeinde R*****) sollten 15 Großvieheinheiten verbleiben. Nach den auf Grund der Wildbach- und Lawinenverbauung durchgeführten Wiederaufforstungen der Beklagten stünden der Klägerin jedoch nur noch 10,8 Großvieheinheiten zur Verfügung. Daraus folge, dass der Klägerin eine Ablöse für weitere 4,2 Großvieheinheiten zustünde. Der Wert einer Großvieheinheit sei 1975 mit S 8.000,- vereinbart worden und betrage inflationsbereinigt EUR 15.000,-, womit „der Klagsbetrag in diesem Punkt in Höhe von EUR 63.000,- ausgewiesen" sei. Die Klägerin stützte ihr Begehren in diesem Punkt ausdrücklich auf die getroffenen Vereinbarungen sowie den Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB, sodass die Ansprüche auch nicht verjährt seien. Das Erstgericht wies ua das diesbezügliche Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Der Entschädigung der „Kuhgräser" bzw. Großvieheinheiten liege eine Aufforstung und damit eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit auf den Grundstücken der Klägerin zu Grunde. Diese Aufforstung sei zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht mittels eines Übereinkommens im Sinne des § 111 Abs 3 WRG geregelt worden und demgemäß fände sich auch in den Bescheiden aus dem Jahre 1975 keine auf die Aufforstung abzielende Rechtseinräumung. Mangels eines solchen in einem Übereinkommen geregelten Rechtsverhältnisses sei die Auslegung zur Frage einer Entschädigung durch das Gericht nicht möglich. Die einzige in einem Übereinkommen geregelte Vereinbarung liege in der Verpflichtung der Beklagten, für den Verlust von 15 „Kuhgräsern" einen Pauschalbetrag zu zahlen. Diese Summe sei bezahlt worden. Die Entscheidung über weitere diesbezügliche Ansprüche der Klägerin wegen des Verlusts weiterer Großvieheinheiten würde sich in Wahrheit als Entscheidung über die Art der Auslegung, den Umfang und die Rechtswirkungen eines nicht in einem Übereinkommen geregelten Rechtsverhältnisses darstellen, was aber unzulässig sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht auf, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund materiell über den Anspruch der Klägerin zu entscheiden. Zweifellos handle es sich bei den für die 4,2 „Kuhgräser" geltend gemachten Betrag um eine Entschädigungsleistung, die (auch) im Zusammenhang mit der (den) bewilligten Wasserversorgungsanlage(n) (vgl § 32 Abs 1 WRG) „zu setzen" sei. Festzuhalten sei vom Sachverhalt her, dass über eine Entschädigung im Sinne einer Abgeltung der möglicherweise verringerten Alpnutzung durch die Verwaltungsbehörde nicht mit Bescheid, der über eine diesbezügliche Entschädigung abgesprochen habe, entschieden worden sei, sondern nur durch einen Bescheid, der eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen auch in diesem Punkt enthalten habe - nämlich die bereits entschädigten 15 „Kuhgräser". Voraussehbarer Nachteil seien somit nur diese Rechte der Klägerin gewesen; darüber hinaus sei eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde inhaltlicher Natur nicht gegeben. Vielmehr sei die Klägerin diesbezüglich auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Ausgehend davon, aber auch deswegen, weil es sich nach den Behauptungen der Klägerin (von diesen sei vorläufig bei Prüfung der Rechtswegzulässigkeit auszugehen) um „solch spätere" Beeinträchtigungen handle, sei die Zulässigkeit des Rechtswegs zu bejahen.

Die Beklagte beantragte in ihrem Revisionsrekurs, die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die ausgesprochene erstrichterliche Zurückweisung (einschließlich Kostenentscheidung) wiederhergestellt werde. Die Beklagte habe die Klägerin für den Verlust von „Kuhgräsern" laut der mit Verwaltungsbescheid beurkundeten Vereinbarung mit einer Pauschalsumme entschädigt, wobei sich zwar rechnerisch die Pauschalsumme aus dem Wert von 15 „Kuhgräsern" ergebe, damit aber nicht 15 „Kuhgräser", sondern der dauernde Weideverlust auf der in Bann gelegten Fläche entschädigt worden sei. Das diesbezügliche Klagebegehren sei daher tatsächlich wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, weil die Entschädigungsfrage aus der Bannlegung und aus dem damit verfügten Weideverbot bereits in dem im Bescheid der BH S***** vom 13. 3. 1975 beurkundeten Parteienübereinkommen endgültig und abschließend geregelt worden sei. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Vereinbarung, wonach die Beklagte für den Verlust von 15 „Kuhgräsern" eine bestimmte Pauschalsumme zahle, wurde mit Bescheid der BH S***** vom 13. 3. 1975 gemäß § 111 Abs 3 WRG beurkundet. Ob damit (nur) 15 „Kuhgräser" abgegolten werden sollten, oder im Sinne einer Pauschalabgeltung der dauernde Weideverlust auf der in Bann gelegten Fläche, ist eine Frage der Auslegung und der Rechtswirkungen der Vereinbarung.

Wie bereits oben dargelegt, hat gemäß § 117 Abs 7 WRG, soweit Angelegenheiten des Abs 1 (betreffend Entschädigungen und Beiträge) in Übereinkommen (§ 111 Abs 3) geregelt werden, über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens das Gericht (Abs 6) zu entscheiden, und zwar ausschließlich und ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde (RIS-Justiz RS0045814).

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus die Klagebehauptungen maßgebend; ohne Einfluss ist, was der Beklagte einwendet. Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein Anspruch erhoben wird, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Wird mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, dann ist gemäß § 1 JN, sofern nicht die Sache durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg zulässig. Soll eine bürgerliche Rechtssache ausnahmsweise der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entzogen werden, dann muss dies in einem besonderen Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde anordnen, ist unzulässig (1 Ob 156/03b mwN).

Die Klägerin hat sich auf Beeinträchtigungen berufen, die sie nach dem oben genannten Übereinkommen erlitten habe, und welches sie offensichtlich so versteht, dass damit nur 15 „Kuhgräser" abgegolten werden sollten, nicht aber jegliche Beeinträchtigung der Weidenutzung. Sie macht daher Schadenersatzansprüche im Sinne von § 26 Abs 1 bis 3 WRG geltend, und zwar die Vergütung für Schäden, die als Folge einer bereits gesetzten Maßnahme eingetreten sind oder einzutreten beginnen, gleichgültig, ob die Schadensauslösung befugt oder unbefugt, mit oder ohne behördliche Erlaubnis erfolgte (1 Ob 48/81). Schadenersatzansprüche nach § 26 Abs 1 bis 3 WRG sind gemäß § 26 Abs 6 WRG im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. Somit folgt aus der geltenden Rechtslage im Zusammenhang mit der ständigen Rechtsprechung, dass die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs jedenfalls gegeben ist. Es liegt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vor, weshalb der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass sich ihre Revisionsrekursbeantwortung als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme darstellt.

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