Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.412,54 (darin EUR 402,09 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit ihrer am 20. 5. 2005 beim Handelsgericht Wien überreichten Klage begehrt die klagende Partei, eine GmbH mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, die Verurteilung der beklagten Partei, einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, zur Zahlung von EUR 135.969,05 s.A., weiters zur Durchführung von Mängelbehebungen, Herausgabe von Dokumenten, Durchführung von Schulungen und schließlich die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für Pönalzahlungen und Schadenersatzansprüche. Sie bringt vor, dass sie mit Vertrag vom 12. 5. 2005 von der Ö***** AG (im Folgenden kurz „V*****gesellschaft") eine in Z***** im Burgenland befindliche Windkraftanlage erworben habe. Im Rahmen dieses Kaufvertrages habe die Verbundgesellschaft alle Gewährleistungs- und Garantieansprüche im Zusammenhang mit der Errichtung und Wartung der Windkraftanlage einschließlich aller allenfalls bestehender Schadenersatz- und Pönalansprüche an die klagende Partei abgetreten. Der Auftrag zur (Wieder-)Errichtung der Windkraftanlage sei ursprünglich 29. 1. 2001 von der V*****gesellschaft an die W***** Anlagenerrichtungs- und Consulting GesmbH (im Folgenden kurz „W***** GmbH") erteilt worden, die mit Vertrag vom 21. 12. 2001 alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag an die P***** GmbH („P***** GmbH"), die 100 %ige Muttergesellschaft der W***** GmbH, übertragen habe. Am 24. 10. 2001 sei zwischen der Verbundgesellschaft und der P***** GmbH ein Vertrag über die Wartung der Windkraftanlage Z***** während des Gewährleistungszeitraums geschlossen worden. Mit Vertrag vom 26. 1. 2004 habe die nun beklagte Partei von der P***** GmbH sämtliche Verpflichtungen aus dem an die W***** GmbH erteilten Auftrag zur Wiedererrichtung der Windkraftanlage Z***** sowie aus dem zwischen der V*****gesellschaft und der P***** GmbH am 24. 10. 2001 geschlossenen Wartungsvertrag übernommen.
Zur Zuständigkeit wurde ausgeführt, dass Punkt 11.) der Allgemeinen kaufmännischen und administrativen Bestellbedingungen der V*****gesellschaft vom 3. 5. 1999 als ausschließlichen Gerichtsstand das sachlich zuständige Gericht am Sitz der V*****gesellschaft in Wien vorsehe; dieser Gerichtsstand sei zwischen den Parteien des Auftrags vom 29. 1. 2001 vereinbart worden sei.
In ihrer Klagebeantwortung beantragte die beklagte Partei unter anderem, die Klage wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes zurückzuweisen. Zwischen den Streitteilen sei keine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung iSd § 104 JN geschlossen worden, weshalb das angerufene Gericht sachlich und örtlich unzuständig sei; angesichts des Sitzes der beklagten Partei wäre die Klage wäre beim zuständigen Landgericht in der Bundesrepublik Deutschland einzubringen gewesen.
Das Erstgericht wies nach Durchführung eines Beweisverfahrens die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:
Mit Schreiben vom 29. 1. 2001 beauftragte die V*****gesellschaft (mit dem Sitz in Wien) die W***** GmbH (mit dem damaligen Sitz in V*****) mit der Wiedererrichtung der Windkraftanlage Z*****. Die „Allgemeinen kaufmännischen und administrativen Bestellbedingungen" der Verbundgesellschaft vom 3. 5. 1999 enthalten folgende Bestimmung:
„11.) Gerichtsstand: Ausschließlicher Gerichtsstand für beide Teile ist das sachlich zuständige Gericht am Sitz des Auftraggebers. Es gilt österreichisches Recht. Das UNCITRAL-Kaufrecht ist nicht anzuwenden."
Unter den „Auftragsgrundlagen" sind im Auftragsschreiben der V*****gesellschaft vom 29. 1. 2001 (unter anderem) die Auftragsbedingungen vom 31. 10. 2000 genannt, welche am 17. 11. 2000 von der W***** GmbH unterfertigt wurden. In diesen findet sich unter dem Punkt „Allgemeine Bestimmungen" folgender Hinweis:
„Folgende Anhänge bzw Schriftstücke sind entsprechend der Rangfolge integrierte Vertragsbestandteile: Allgemeine und kaufmännische Bestellungsbedingungen des Verbund (KAB) vom 3. 5. 1999."
Am 24. 10. 2001 unterfertigte die P***** GmbH (mit dem Sitz in N***** in der Bundesrepublik Deutschland) einen Wartungsvertrag, in dem diese als „Verkäufer" bezeichnet und die V*****gesellschaft als „Käufer" genannt ist. Dieser Vertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„1. Vertragsgegenstand:
Der Vertrag umfasst die Wartung und Instandhaltung und die Versicherung einer WEA vom Typ W***** 1570 in dem Windpark Z*****, die W***** gemäß Käuferbestellung Nr.4500059106 vom 29. 1. 2001 liefern wird. ...
7. Schlussbestimmungen
7.1 Dieser Vertrag inkl Anlagen stellen eine abschließende Vereinbarung zwischen den Parteien dar. Alle früheren mündlichen oder schriftlichen Vereinbarungen sind somit aufgehoben. Sollten dieser Vertrag und seine Anlagen zueinander im Widerspruch stehen, gehen die Bestimmungen dieses Vertrages vor. Änderungen und Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform; das gilt auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses. Nebenabreden sind nicht getroffen.
...
7.3. Die den Partnern im Zusammenhang mit diesem Vertrag zukommenden Verpflichtungen gehen unverändert und vollinhaltlich auf ihre jeweiligen Rechtsnachfolger über.
...
7.4 Auf diesen Vertrag ist deutsches Recht unter Ausschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden. Alleiniger Gerichtsstand ist, wenn der Käufer Vollkaufmann ist, bei allen aus dem Vertragsverhältnis mittelbar oder unmittelbar sich ergebenden Streitigkeiten nach Wahl des Verkäufers der Hauptsitz oder Niederlassung des Verkäufers."
Weiters stellte das Erstgericht fest, dass ihm keine von der beklagten Partei unterfertigte Urkunde vorliegt, aus welcher sich die Rechtsnachfolge der beklagten Partei nach der P***** GmbH aus dem Wartungsvertrag oder die Rechtsnachfolge der beklagten Partei aus dem Auftrag an die W***** GmbH ergibt.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass eine vom Gegner bestrittene Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN urkundlich nachgewiesen werden müsse. Sei die Vereinbarung nicht durch die Parteien des Prozesses geschlossen worden, sei auch die Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge urkundlich nachzuweisen. Der klagenden Partei sei aber der urkundliche Nachweis der Rechtsnachfolge der beklagten Partei aus den anspruchsbegründenden Verträgen nicht gelungen; ein Nachweis etwa durch Parteieneinvernahme oder Zeugenbeweis stehe der Klägerin diesbezüglich nicht offen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Es verneinte eine Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung wegen deren angeblich mangelhafter Begründung, eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Verletzung der Aufklärungspflicht sowie eine behauptete Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Feststellungen zur Rechtsnachfolge auf Beklagtenseite. Die von der klagenden Partei begehrten zusätzlichen Feststellungen wurden mangels Grundlage nicht getroffen.
Der Behandlung der Rechtsrüge stellte das Rekursgericht voran, dass nach den Behauptungen der klagenden Partei die beklagte Partei alle Rechte und Pflichten aus dem an die W***** GmbH erteilten Auftrag zur Errichtung der Windkraftanlage Z***** im Wege über die P***** GmbH übernommen habe. Demnach sei die beklagte Partei auch in die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der P***** GmbH und der V*****gesellschaft vom 24. 10. 2001 eingetreten. Es sei daher zu überlegen, ob die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der W***** GmbH, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der P***** GmbH, und der V*****gesellschaft durch den Vertrag vom 24. 10. 2001 aufgehoben werde bzw ob die Bestimmungen dieses Vertrages und die dort geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung vorgehe.
Die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der V*****gesellschaft und der W***** GmbH laute auf das sachlich zuständige Gericht am Sitz des Auftraggebers. Bei wörtlicher Interpretation sei daher nicht ausgeschlossen, dass bei Rechtsnachfolge auf Auftraggeberseite das sachlich zuständige Gericht am Sitz der klagenden Partei als vereinbart anzusehen sei.
Die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung sei „auch" nach den Bestimmungen der EuGVVO zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 17 EuGVÜ, die zwanglos auch auf Art 23 EuGVVO übertragen werden könne, komme eine Gerichtsstandsvereinbarung durch übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung zustande. Der EuGH habe wiederholt betont, dass angesichts der möglichen Folgen einer solchen Vereinbarung für die Stellung der Parteien im Prozess die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen seien. Vor allem müsse gewährleistet sein, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt eines Vertrages würden. Dies spreche gegen die Gültigkeit der Zuständigkeitsvereinbarung durch Anschluss der „Allgemeinen kaufmännischen und administrativen Bestellbedingungen" der V*****gesellschaft.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sei die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung im Hinblick auf Art 17 EuGVÜ (bzw Art 23 EuGVVO) im Verhältnis zwischen den Parteien des ursprünglichen Vertrages zu beurteilen (8 Ob 83/05x und die dort zitierten Entscheidungen). Auch in der Lehre werde die Wirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung für Rechtsnachfolger, deren Vorgänger eine formgültige Abrede mit dem Prozessgegner getroffen hätten, (vorsichtig) bejaht. Ob eine Zuständigkeitsvereinbarung auch im Fall einer Rechtsnachfolge gelte, richte sich nach dem vom IPR des Gerichtsstaates bestimmten Sachrecht. Nach österreichischem und deutschem Recht wirke die Zuständigkeitsvereinbarung auch für und gegen den Einzel- und den Gesamtrechtsnachfolger.
Voraussetzung sei allerdings, dass dieser sie gekannt habe oder kennen habe müssen, da nach der Zielsetzung der EuGVVO Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrages werden sollten. Daher müsse geprüft werden, ob er bei Kenntnis der Rechtsnachfolge zugestimmt hätte (vgl 8 Ob 83/05x). Davon sei hier aber nicht auszugehen, da die P***** GmbH ausdrücklich eine andere Zuständigkeitsvereinbarung getroffen habe und diese alle andere Vereinbarungen aufheben habe sollen.
Somit lägen selbst nach dem Standpunkt der klagenden Partei zwei divergierende Zuständigkeitsvereinbarungen vor. Einerseits stelle sich die Frage, wie eine Gerichtsstandsvereinbarung „Ausschließlicher Gerichtsstand für beide Teile ist das sachlich zuständige Gericht am Sitz des Auftraggebers" im Falle einer Rechtsnachfolge zu beurteilen sei. Die V*****gesellschaft habe keine Gerichtsstandsvereinbarung auf das sachlich zuständige Gericht in Wien getroffen, sondern spreche nur vom Sitz des Auftraggebers. Daher sei überlegenswert, ob die Vereinbarung im Falle einer Rechtsnachfolge dahingehend auszulegen sei, dass der Auftraggeber an seinem Sitz eine Klage einbringen könne, dh im konkreten Fall jedenfalls in Deutschland. „Demgegenüber" habe die P***** GmbH mit dem V*****gesellschaft eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, wonach dann, wenn der Käufer Vollkaufmann sei, bei allen aus dem Vertragsverhältnis mittelbar oder unmittelbar sich ergebenden Streitigkeiten nach Wahl des Verkäufers der Hauptsitz oder die Niederlassung des Käufers als Gerichtsstand maßgeblich sei.
Dazu komme im vorliegenden Fall noch, dass in der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen der V*****gesellschaft und der W***** GmbH die Anwendung österreichischen Rechts vereinbart worden sei, während in der Vereinbarung zwischen der V*****gesellschaft und P***** die Anwendung deutschen Rechts vorgesehen worden sei.
Im Hinblick auf die divergierenden Gerichtsstandsvereinbarungen in den Verträgen liege eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung betreffend die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien nicht vor. Aber selbst wenn man beide Gerichtsstandsvereinbarungen als gültig ansehen wolle, sei die Vereinbarung zwischen der V*****gesellschaft und der P***** GmbH die spätere, mit der ausdrücklich alle anderen Vereinbarungen aufgehoben werden sollten. Letztendlich führten beide Überlegungen zum gleichen Ergebnis, nämlich zur fehlenden örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichtes Wien. Zu Recht habe daher das Erstgericht die Klage wegen (örtlicher) Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, da es zur Frage, was bei divergierenden Gerichtsstandsvereinbarungen bei Rechtsnachfolgern gelten solle und ob eine spätere Gerichtsstandsvereinbarung die frühere ausschließe, an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Parteien mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Verwerfung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Als Gründe werden unrichtige rechtliche Beurteilung, Aktenwidrigkeit, Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger Beweiswürdigkeit und Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens benannt.
Die beklagte Partei stellt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung den Antrag, dem Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Die klagende Partei wirft in ihrem Revisionsrekurs zusammengefasst folgende Fragen auf:
a) Rechtsfolgen von verschiedenen, einander widersprechenden Gerichtsstandsvereinbarungen;
b) Rechtsfolgen des Übergangs einer Gerichtsstandsvereinbarung auf Rechtsnachfolger;
c) Auslegung der Bestimmungen der §§ 104 JN iVm § 303 ZPO und Art XLIII EGZPO.
ad a): Die klagende Partei stellt in ihrem Rechtsmittel eindeutig klar, dass sie die klagsgegenständlichen Ansprüche ausschließlich aus dem Auftrag vom 29. 1. 2001 geltend macht und nicht auch aus dem Wartungsvertrag vom 24. 10. 2001. Damit stellt sich aber die vom Berufungsgericht im Zulässigkeitsausspruch aufgeworfene Frage der Rechtsfolgen einander widersprechender Gerichtsstandsvereinbarungen nicht.
ad b): Nach dem Revisionsrekursvorbringen ergibt sich die Rechtsnachfolge auf Beklagtenseite „aus den Bestätigungen Beilagen ./I, ./J und ./K sowie aus dem von der klagenden Partei auszugsweise vorgelegten Kaufvertrag vom 26. 1. 2004, welchen das Erstgericht als Beilage ./W zum Akt genommen hat". Damit habe die klagende Partei urkundlich nachgewiesen, dass (auch) auf Seiten der beklagten Partei eine Rechtsnachfolge eingetreten sei, die auch für die Gerichtsstandsvereinbarung relevant sei; allerdings bleibe es beim Gerichtsstand am Sitz des ursprünglichen Auftraggebers.
Im vorliegenden Fall haben beide Prozessparteien ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Die klagende Partei beruft sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung, die ihre Rechtsvorgängerin (mit dem Sitz in Österreich) mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei (ebenfalls mit dem Sitz in Österreich) im Jahr 2001 geschlossen habe. Demnach sei als ausschließlicher Gerichtsstand „das sachlich zuständige Gericht am Sitz des Auftraggebers", also Wien (nach dem Sitz des ursprünglichen Auftraggebers) vereinbart worden.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Geltung der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Prozessparteien nach nationalem Recht (§ 104 JN) oder nach der EuGVVO (Art 23) zu beurteilen ist. Ungeachtet des Zeitpunkts des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung ist im Hinblick auf das Datum der Klagseinbringung (20. 5. 2005) jedenfalls nicht das EuGVÜ anzuwenden (siehe auch Burgstaller/Neumayr in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art 23 EuGVO Rz 4).
Für die Beurteilung der Frage, ob der (gegenüber dem nationalen Recht grundsätzlich vorrangige) Art 23 EuGVVO anzuwenden ist, ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob es bei der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen auf den Wohnsitz/Sitz im Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder auf den Zeitpunkt der Klagserhebung ankommt. Bei Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung haben zwei Gesellschaften mit Sitz in Österreich die örtliche Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts vereinbart. Dieser Fall wäre als „reiner Inlandsfall" zu qualifizieren, der nach nationalem Zuständigkeitsrecht zu beurteilen ist (anstatt vieler Simotta in Fasching 2 I § 104 JN Rz 232, Burgstaller/Neumayr in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art 23 EuGVO Rz 6, und Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6 [2004] Rz 2971). Kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der Klagserhebung an, stehen einander zwei Gesellschaften jeweils mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber, denen gegebenenfalls eine Zuständigkeitsvereinbarung auf ein österreichisches Gericht zuzurechnen wäre. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung ist weder im nationalen noch im europäischen Zuständigkeitsrecht in Zweifel zu ziehen (Simotta in Fasching 2 I § 104 JN Rz 231; Czernich, Gerichtsstandsvereinbarung und Auslandsbezug, wbl 2004, 458; Jayme/Kohler, Europäisches Kollisionsrecht 2004, IPRax 2004, 481 [489]; Burgstaller/Neumayr, Beobachtungen zu Grenzfragen der internationalen Zuständigkeit: Von Forum non conveniens bis Notzuständigkeit, FS Schlosser [2005] 119 [121 ff]; Frauenberger-Pfeiler, Der „reine Binnensachverhalt", Art 23 EuGVVO und der öOGH, FS Rechberger [2005] 125; Schack, IZVR4 [2006] Rz 464; anders nur 1 Ob 240/02d = Jbl 2004, 87 mit krit Anm von Klicka und zustimmendem Hinweis von Mankowski, Entwicklungen im Internationalen Privat- und Prozessrecht 2004/2005, Teil 1 und 2, RIW 2005, 481, [567]). Damit würde die erforderliche Internationalität hergestellt, die in concreto zur Anwendbarkeit der EuGVVO führen würde (Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6 [2004] Rz 2954).
Dass die vom Rekursgericht ins Spiel gebrachte Variante, es könne auf den Sitz des klagenden Rechtsnachfolgers der ursprünglichen Auftraggebers ankommen, unrichtig ist, ergibt sich schon aus dem Fehlen jeglichen Hinweises auf einen solchen Willen der Abschlussparteien. Voraussetzung der Geltung einer Gerichtsstandsvereinbarung auf Rechtsnachfolger ist immer deren materiellrechtlicher Eintritt in die Rechtsstellung des ursprünglich Berechtigten oder Verpflichteten, der wiederum nach dem nach den Regeln des IPR des Gerichtsstaates anzuwendenden Sachrecht zu beurteilen ist (anstatt vieler Geimer/Schütze, EuZVR2 [2004] Art 23 EuGVVO Rz 200; Schoibl, Zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-österreichischen Rechtsverkehr, BeitrZPR IV [1991] 121 [165]; insoweit sind die Ausführungen des EuGH in der Rs 71/83, Russ/Nova, Slg 1984, 2417 = RIW 1984, 909 [Schlosser] = IPRax 1985, 152 [Basedow 133] zu verallgemeinern). Eine „dynamische Anpassung" des Gerichtsstandes - soweit dies nicht schon seine Grenze in der Bestimmbarkeit findet - müsste demnach schon in der ursprünglichen Vereinbarung grundgelegt sein, woran es im vorliegenden Fall aber fehlt.
Die genannte Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung oder Klageerhebung) ist in der Literatur heftig umstritten (siehe bereits die Nachweise bei Simotta in Fasching 2 I § 104 JN Rz 215). Nach der Rechtsprechung des EuGH (Rs 25/79, Sanicentral/Collin, Slg 1979, 3423 [3429 f] = NJW 1980, 1218) sind die besonderen Anwendungsvoraussetzungen des Art 23 Abs 1 EuGVVO, die den Wohnsitz mindestens einer Partei in einem Mitgliedstaat erfordern, am Zeitpunkt der Klageerhebung zu messen, weil die Gerichtsstandsvereinbarung nur eine „Zuständigkeitsoption" darstellt, die erst bei Klageerhebung Wirkung entfaltet. Daraus ist für den vorliegenden Fall abzuleiten, dass der Anwendungsbereich des Art 23 EuGVVO jedenfalls dann eröffnet ist, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung kein reiner Inlandsfall vorliegt (vgl auch Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6 [2004] Rz 2979, sowie Kropholler, EuZPR8 [2005] Art 23 Rz 11). Die Gerichtsstandsvereinbarung ist demnach an den Bestimmungen der EuGVVO zu messen und nicht mehr nach dem nationalen Recht zu beurteilen, selbst wenn sie sich bei Abschluss offensichtlich auf einen reinen Inlandsfall bezog (Samtleben, Europäische Gerichtsstandsvereinbarungen und Drittstaaten - viel Lärm um nichts? RabelsZ 59 [1995] 670 [703 f]). Die grundsätzliche Gültigkeit der zwischen der V*****gesellschaft und der W***** GmbH getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung steht nach europäischem Recht - ebenso wie nach nationalem österreichischen Recht - außer Zweifel.
Die wirksame Vereinbarung bindet nach herrschender Ansicht sowohl die Abschlussparteien als auch ihre (Einzel- und Gesamt-)Rechtsnachfolger (Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6 [2007] § 3 Rz 161). Die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, etwa die Einhaltung der Formvorschriften, ist auch in den Fällen der Rechtsnachfolge ausschließlich im Verhältnis der ursprünglichen Parteien zu beurteilen (EuGH Rs C-159/97 , Castelletti/Trumpy, Slg 1999, I-1597 = wbl 1999, 218 = IPRax 2000, 119 [Girsberger 87] = ZeuP 2000, 656 [Saenger]; EuGH Rs C-387/98 , Coreck/Handelsveem, Slg 2000, I-9337 = wbl 2001, 32 = ELR 2001, 29 [Novak-Stief]; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6 [2004] Rz 3074).
Wie bereits oben erwähnt ist die Frage der Rechtsnachfolge nach dem nach den Regeln des IPR des Gerichtsstaates anzuwendenden nationalen Recht zu beurteilen.
Dass die nunmehr klagende Partei mit dem Vertrag vom 12. 5. 2005 auch in Bezug auf die Gerichtsstandsvereinbarung in die Rechtsstellung der klagenden Partei eingetreten ist, bildet keinen Streitpunkt mehr. Betreffend die Beklagtenseite behauptet die klagende Partei, die klargestellt hat, dass sie die klagsgegenständlichen Ansprüche ausschließlich aus dem Auftrag vom 29. 1. 2001 geltend macht, folgende Verträge, aus denen sich die - ihres Erachtens auch in Bezug auf die Gerichtsstandsvereinbarung relevante - Rechtsnachfolge auf die nunmehr beklagte Partei ergeben soll:
- Mit Vertrag vom 21. 12. 2001 habe die W***** GmbH alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag mit der V*****gesellschaft an die P***** GmbH übertragen.
- Mit Vertrag vom 26. 1. 2004 habe die nun beklagte Partei von der P***** GmbH sämtliche Verpflichtungen aus dem an die W***** GmbH erteilten Auftrag zur Wiedererrichtung der Windkraftanlage übernommen.
Auf diese behauptete Vereinbarung vom 26. 1. 2004 wäre nach Art 4 Abs 2 EVÜ deutsches Sachrecht anzuwenden.
Für die Rechtsnachfolge beruft sich die klagende Partei zu einen auf eine Bestätigung der P***** GmbH gegenüber der V***** Umwelttechnik GmbH vom 14. 9. 2004 (Blg./J), wonach die beklagte Partei die Verpflichtung übernommen habe, die „mit den Windenergieanlagen verbundenen Gewährleistungs- und Garantieansprüche zu erfüllen und in alle vertraglichen Verpflichtungen uneingeschränkt einzusteigen". Zum anderen weist die klagende Partei auf eine Bestätigung der P***** GmbH gegenüber der V*****gesellschaft vom 27. 4. 2005 (Blg./K) hin, wonach sich die beklagte Partei mit Vertrag vom 26. 1. 2004 verpflichtet habe, die vertraglichen Verpflichtungen der P***** GmbH aus Wartungs- und Performanceverträgen mit deren Kunden zu erfüllen, darunter auch die vertraglichen Verpflichtung der P***** GmbH für die gegenständliche Windkraftanlage in Z*****.
Weiters spricht die klagende Partei im Revisionsrekurs den am 26. 1. 2004 zwischen der P***** GmbH und der W***** GmbH geschlossenen Kaufvertrag (Blg./W) an, den das Erstgericht ignoriert habe und aus dem das Rekursgericht keine Rechtsnachfolge auf die beklagte Partei erkenne. Demnach soll die beklagte Partei zunächst im Innenverhältnis und nach Zustimmung des Vertragspartners auch im Außenverhältnis in bestimmte Lieferungs- und Leistungsverträge bzw Performanceverträge (darunter auch in Bezug auf die gegenständliche Windkraftanlage) eingetreten sein und mit Wirkung vom Übernahmestichtag mit schuldbefreiender Wirkung sämtliche ab Abnahme entstehenden Verpflichtungen der P***** GmbH übernommen haben.
In der Lehre werden als mögliche Fälle einer Einzelrechtsnachfolge, in denen der Rechtsnachfolger an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist, etwa der vertragliche oder gesetzliche Forderungsübergang oder die Vertragsübernahme genannt (Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6 [2004] Rz 3074; Schlosser, EuZPR2 Art 23 EuGVVO Rz 43). Zuletzt hat sich Jungermann (Die Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ/EuGVO und LugÜ [2006]) ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, in welchen dem Art 23 EuGVVO unterliegenden Konstellationen ein Einzelrechtsnachfolger an eine von seinem Rechtsvorgänger geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist. Ausgehend von dem auch hier anzuwendenden deutschen Sachrecht bejaht sie zusammengefasst eine Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung gegenüber dem Zessionar, weil er das Recht so erwerben muss, wie es beim Zedenten bestand; sein Schutz vor einer „aufgedrängten Wirkung" der Gerichtsstandsvereinbarung müsse folglich prinzipiell zurücktreten. Bei der Schuldübernahme differenziert sie in überzeugender Weise zwischen kumulativer und privativer Schuldübernahme. Da die kumulative Schuldübernahme nicht vom Grundsatz des Fortbestandes der Identität der Verpflichtung gekennzeichnet ist und der Gläubiger die Erstschuld nicht verliert, liegt auch kein besonderes schutzwürdiges Interesse des Gläubigers daran vor, dass die Gerichtsstandsvereinbarung zu Lasten des Dritten wirken soll, solange dieser nicht der Vereinbarung zustimmt und damit die Formerfordernisse des Art 23 EuGVVO einhält (ein genereller urkundlicher Nachweis der Rechtsnachfolge wäre im Anwendungsbereich des Art 23 EuGVVO nicht erforderlich). Demgegenüber hat der Gläubiger bei der privativen Schuldübernahme ein besonderes Interesse daran, dass sich die Verpflichtung, die dem Schuldner ihm gegenüber obliegt, nicht verringert oder anderweitig verändert; die Schutzbedürftigkeit des Dritten vor einer aufgedrängten Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung muss dahinter zurücktreten. Spiegelbildlich zur Abtretung einer Forderung erfolgt die Schuldübernahme somit unter der Wahrung der Identität der Verpflichtung, weshalb die Drittwirkung geboten ist.
Den Behauptungen der klagenden Partei im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsatz ON 18 und Verhandlungsprotokoll ON 23) liegt aber nicht eine - der Genehmigung des Gläubigers bedürftige - privative (befreiende) Schuldübernahme zugrunde, sondern ein „Eintritt" der beklagten Partei in die Verpflichtungen der P***** GmbH. Ob befreiende oder kumulative Schuldübernahme vorliegt ist Auslegungsfrage; im Zweifel ist jedenfalls Schuldbeitritt anzunehmen (Palandt/Grüneberg 66 [2007] Vor § 414 BGB Rz 5; Möschel in MünchKommBGB4 Vor § 414 Rz 19). Trotz des Hinweises der klagenden Partei auf den Umstand, dass die beklagte Partei (nach Zustimmung der jeweiligen Vertragspartner) die Verpflichtungen ihrer Rechtsvorgängerin aus Gewährleistungen und Garantien „mit schuldbefreiender Wirkung" übernommen habe, steht nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine privative Schuldübernahme fest.
Da sich die beklagte Partei demnach die im Auftrag vom 29. 1. 2001 enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung mangels Vorliegens ihrer Zustimmung dazu nicht zurechnen lassen muss, wurde die Klage berechtigterweise zurückgewiesen.
ad c) Auf die Auslegung der Bestimmungen der §§ 104 JN iVm § 303 ZPO und Art XLIII EGZPO kommt es nicht mehr an. Abgesehen davon hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu prüfen, ob im Rahmen der erstinstanzlichen Beweisaufnahme außer den zu einem strittigen Umstand bereits vorliegenden Beweisen noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären und welche Vorgangsweise dabei einzuhalten gewesen wäre; dabei handelt es sich nämlich um eine Frage der im drittinstanzlichen Verfahren nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung (vgl RIS-Justiz RS0040046 [T17] und RS0043320 [T15][T20]).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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