OGH 12Os41/07g

OGH12Os41/07g31.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Faruk R***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 7. Dezember 2006, GZ 25 Hv 108/06h-20, weiters über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Unterbleiben einer Beschlussfassung gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen 1, 4 und 5.2, demgemäß auch im Strafausspruch und im Zuspruch an die Privatbeteiligte Simone S***** aus dem Schuldspruch 1 im Ausmaß von 200 Euro aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, Letztere auch mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den nicht von der Aufhebung betroffenen Teil des Zuspruchs an die Privatbeteiligte Simone S***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden Urteil wurde Faruk R***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (2), des Diebstahls nach § 127 StGB (3), der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (4), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (5.1) sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (5.2) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wels und Thalheim

(1) am 8. Februar 2006 mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, dadurch abgenötigt, dass er Simone S***** in ihrer Wohnung aufsuchte und wiederholt ankündigte, er werde sie zusammenschlagen, wenn sie ihm kein Geld gebe, ihr auf ihre Weigerung hin den Autoschlüssel wegnahm, sie am Oberarm packte, aus der Wohnung zerrte und mit ihr zu einem Bankomaten zur Behebung von 200 Euro fuhr, die Simone S***** sodann an Faruk R***** auszufolgen hatte;

(2) am 21. Dezember 2005 ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich eine Bankomatkarte der Simone S*****, sich mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde;

(3) am 21. Dezember 2005 Verfügungsberechtigten der Raiffeisenbank Wels eine fremde bewegliche Sache, nämlich 400 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Bankomatbehebung weggenommen;

(4) im Februar 2006 Simone S***** durch die Äußerung, er werde ihr etwas antun, falls sie nicht zu ihm zurückkehre, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zur Wiederaufnahme einer Beziehung zu nötigen versucht;

(5) Simone S***** gefährlich bedroht, und zwar

(5.1) im Juni 2006 durch die Äußerung: „Wenn du nicht tust, was ich von dir will, dann bring ich dich nach Mazedonien. Wenn ich das will, kann ich das mit dir machen!", durch Drohung mit einer Entführung; (5.2) am 20. Juni 2006 durch die Äußerung: „Wenn du keine Ruhe gibst, schlag ich dich zusammen".

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil erhobenen, auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Sowohl die Mängelrüge als auch die Tatsachenrüge (der Sache nach insgesamt Z 5 zweiter Fall) zeigen zum Schuldspruchfaktum 5.2 im Ergebnis zutreffend auf, dass es das Erstgericht unterlassen hat, sich mit den zu den Angaben der Simone S***** im Widerspruch stehenden Aussagen der Zeugin Andrea P***** vor der Polizeiinspektion Thalheim, wonach der Angeklagte am 20. Juni 2006 geäußert habe, „dass sie aufhören sollte. Falls nicht, bekäme sie eine auf die Papn" (S 59), und in der Hauptverhandlung „wenn sie nicht sofort eine Ruhe gibt, dann passiert etwas" (S 93), auseinanderzusetzen, zumal auch das Tatopfer in der Hauptverhandlung nicht ausschließen konnte, dass R***** gesagt hat, er gibt ihr „eine auf die `Pappe´ oder was anderes" (S 91). Denn im Gegensatz zu einer Drohung mit dem Zusammenschlagen, also nach allgemeinem Sprachgebrauch auf jemanden so (brutal) einzuschlagen, dass er (ohne sich wehren zu können) zusammenbricht (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in acht Bänden2), die - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - solcherart die Zufügung einer zumindest leichten Verletzung am Körper im Sinne des § 83 Abs 1 StGB befürchten lässt (vgl auch 13 Os 114/04, 15 Os 79/03, 11 Os 118/97, 13 Os 135/90, 13 Os 113/90), ist den von der Zeugin P***** bekundeten Äußerungen nicht zweifelsfrei eine in Aussicht gestellte, über eine Misshandlung hinausgehende Rechtsgutbeeinträchtigung im Sinne einer gefährlichen Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB) zu entnehmen (RIS-Justiz RS0092373; siehe auch Jerabek in WK2 § 74 [2006] Rz 29 und 34; Kienapfel/Schroll BT 15 § 105 RN 40).

Darüber hinaus hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass das Urteil mit ungerügt gebliebener materiellrechtlicher Nichtigkeit nach Z 9 lit a (zum Schuldspruch 4) und 10 StPO (zum Schuldspruch 1) behaftet ist:

Den dem Schuldspruch 1 zu Grunde liegenden (und dem Standpunkt der Mängelrüge zuwider ersichtlich aus dem Vernehmungsprotokoll des Opfers vor der Polizei abgeleiteten; siehe S 23 und US 4) Feststellungen zufolge wurde Simone S***** vom Angeklagten - nachdem er von ihr Geld verlangt hatte - am Oberarm gepackt und aus der Wohnung gezerrt, wobei er ihr gegenüber äußerte, er werde sie „zusammenschlagen", wenn sie ihm kein Geld gebe. Daraufhin nahm er den Schlüssel ihres Pkws, forderte sie auf, Geld zu beheben, fuhr mit ihr, die „aufs äußerste eingeschüchtert" war, zu einem Bankomaten und eignete sich die von Simone S***** behobenen 200 Euro zu, um sich unrechtmäßig zu bereichern (US 3).

Die Tatrichter subsumierten diesen Sachverhalt der Fallnorm des § 142 Abs 1 StGB, wobei sie jede der beiden alternativen Deliktsvarianten - sowohl die Anwendung von Gewalt als auch die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben - als erfüllt ansahen.

Hiezu ist Folgendes auszuführen:

Das Ergreifen („Packen") des Opfers am Oberarm und das anschließende Zerren aus der Wohnung ist zwar insgesamt geeignet, dem Gewaltbegriff des StGB zu entsprechen (vgl Jerabek in WK2 § 74 [2006] Rz 35 ff), doch fehlt es fallbezogen - nachdem von der Wohnung zum Bankomaten sogar ein Pkw benützt und damit eine offenbar nicht ganz unerhebliche Wegstrecke zurückgelegt wurde - jedenfalls am (für das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB tatbestandsmäßig erforderlichen) unmittelbaren zeitlich-räumlichen Zusammenhang zwischen der Tathandlung und dem Erlangen der Beute durch den Täter, mithin am sofortigen Gewahrsamswechsel (Eder-Rieder in WK2 § 142 [2006] Rz 40; Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 142 RN 50 f). Nichts anderes gilt für die (jedenfalls noch vor Fahrtantritt erfolgte) verbale Drohung, Simone S***** zusammenzuschlagen, wenn sie dem Angeklagten kein Geld gebe, zumal sich das Opfer die abgenötigte Sache erst selbst beschaffen musste (Eder-Rieder in WK2 § 142 [2006] Rz 42) und Feststellungen weder zu einem engen zeitlichen, räumlichen und aktionsmäßigen Zusammenhang zwischen Tathandlung und Geldbehebung iS eines einheitlichen Tatgeschehens (vgl SSt 59/59) noch darüber getroffen wurden, ob es sich dabei (aus Sicht der Bedrohten) um die bis zur Geldübergabe fortwirkende Ankündigung eines direkt beim Geldausgabeautomaten gegenwärtigen und dort vom Täter allenfalls sofort zu realisierenden Übels handelte (Eder-Rieder in WK2 § 142 [2006] Rz 34 f, Kienapfel/Schmoller aaO § 142 RN 32). Damit kann jedoch nicht beurteilt werden, ob die Tathandlungen zu Recht dem Tatbestand des Raubes unterstellt wurden oder nicht als Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB zu werten gewesen wären.

Auch zum Schuldspruch 4 mangelt es an ausreichenden Feststellungen zum Bedeutungsgehalt der inhaltlich völlig unbestimmten Drohung im Februar 2006, der Angeklagte werde Simone S***** „etwas antun", sodass nicht beurteilt werden kann, ob eines der im § 74 Abs 1 Z 5 StGB genannten Rechtsgüter von der Drohung betroffen war. Demgemäß war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und aus deren Anlass das angefochtene Urteil in dem im Spruch angeführten Umfang aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Hingegen geht die zum Schuldspruch 5.1 erhobene Rechtsrüge (Z 9 lit a) ins Leere, weil sie mit der bloßen Behauptung, die Androhung, Simone S***** nach Mazedonien zu verbringen, sei „geradezu lächerlich" und „als Unsinn" zu werten, nicht vom Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit ausgeht und solcherart nicht darlegt, warum die in Rede stehende Äußerung des Angeklagten, der nach wie vor die mazedonische Staatsbürgerschaft besitzt (US 3), der dem Opfer teilweise selbst und teilweise durch Freunde nachstellte (US 4) und der - zumindest im März 2006 (US 4) - bereits unter Beweis stellte, dass ihm die Anwendung auch erheblicher Gewalt nicht fremd ist, objektiv nicht geeignet sein sollte, bei der Bedrohten den Eindruck zu erwecken, er sei nicht nur willens, sondern auch im Stande, das in Aussicht gestellte Übel zu verwirklichen.

Auf das weitere, gegen die Schuldsprüche 1 und 4 gerichtete Beschwerdevorbringen war angesichts der kassatorischen Entscheidung nicht einzugehen.

Soweit im Rechtsmittel beantragt wird, das Urteil zur Gänze aufzuheben, fehlt es an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen zu den Schuldsprüchen 2 und 3.

Mit ihren Berufungen gegen den Strafausspruch waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft, Letztere auch mit ihrer Beschwerde gegen das Unterbleiben einer Beschlussfassung gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO (insoweit siehe jedoch Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 7 und WK2 § 55 [2006] Rz 5; RIS-Justiz RS0111521) auf die teilkassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der von der Urteilsaufhebung betroffene Privatbeteiligtenzuspruch in Höhe von 200 Euro war ebenfalls zu kassieren. Über die Berufung gegen den weitergehenden Zuspruch an die Privatbeteiligte - resultierend aus dem Schuldspruch 3 - wird hingegen das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a StPO, erstreckt sich aber nur auf die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde, nicht jedoch auf die zugleich getroffenen amtswegigen Maßnahmen (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12).

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