OGH 13Os135/90

OGH13Os135/9019.12.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adem A*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 4. September 1990, GZ 32 Vr 827/90-57a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Adem A*** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB (Punt 2 a und c), des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 2 b), sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 und 2 StGB (Punkt 3 a und b), der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 StGB (3 c), der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (Punkt 4 a) und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Punkt 4 b) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Linz

1. Anita W*** im Sommer 1989 durch gefährliche Drohung mit einer auffallenden Verunstaltung, nämlich durch die Worte, er werde ihr das Gesicht zerschneiden, wenn sie ihm nicht 30.000 S übergebe, zu einer Handlung zu nötigen versucht, die Anita W*** in dem vorgenannten Betrag an ihrem Vermögen geschädigt hätte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern;

2. nachangeführte Personen durch Drohungen - auch mit dem Tode - zu Handlungen bzw Unterlassungen genötigt bzw zu nötigen versucht, und zwar:

a) Im Sommer 1989 Anita W*** durch die Androhung zumindest einer Körperverletzung, indem er sinngemäß äußerte, wenn sie noch einmal mit einem Menschen darüber spreche, daß er vorgehabt habe, sie nach Italien auf den Straßenstrich zu schicken, werde er ihr den Kopf abschneiden, zu einer Unterlassung, nämlich dem Schweigen über dieses geplante Vorhaben des Angeklagten;

b) von Juli bis September 1989 Helmut G*** durch die Äußerung "Für den Fall, daß du dich entscheidest, die 200.000 S nicht zu bezahlen, wird meine Familie aus Sizilien kommen, die sind mir nämlich noch einen Gefallen schuldig. Die werden dich dann umbringen und ich werde ein einwandfreies Alibi vorweisen. Ich hoffe, daß dies nicht nötig ist, denn du willst ja noch länger leben"; sohin durch Todesdrohung zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von 200.000 S, wobei es beim Versuch blieb;

c) im Juli 1989 Ralf B*** durch die Androhung einer Körperverletzung, indem er äußerte "Wenn du nicht weiter für mich fährst (gemeint die Durchführung von Schleppertätigkeiten), dann werde ich dich zusammenschlagen lassen. Ich habe ein paar türkische Freunde, die dies für mich erledigen würden", zu Handlungen, nämlich zur weiteren Vornahme von Schleppertätigkeiten ausländischer Staatsangehöriger in die Bundesrepublik Deutschland;

3. nachfolgende Personen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

a) am 10.Jänner 1990 Helmut G***, indem er ihn beim Sakko erfaßte und dabei äußerte "Du Dreckratz, Verräter wie dich bringt man nicht einfach um, sondern die zerstückelt man, deine Tage sind gezählt, weil einen Verräter wie dich bringt man nicht einfach nur um, sondern den zerschneidet und zerstückelt man. Das habe ich bereits veranlaßt. Zu diesem Zeitpunkt werde ich mich im Ausland befinden und ein Stempel im Reisepaß wird beweisen, daß ich mit der Sache nichts zu tun habe", sohin durch Drohung mit dem Tode;

b) im Mai 1989 Eduardo C*** durch die Äußerung "Halte den Mund, du Pisser, sonst zerschneide ich dir dein Gesicht !", wobei er dem Bedrohten gleichzeitig eine zuvor von ihm zerschlagene Mineralwasserflasche vors Gesicht hielt, sohin mit einer auffallenden Verunstaltung;

c) im Sommer 1989 Helmut G*** durch die Androhung zumindest einer Körperverletzung durch die Äußerung "Ich hau dir den Schädel ein, du warmer Pisser", wobei er gleichzeitig mit einem Aschenbecher gegen Helmut G*** aufzielte;

4. nachfolgende Personen am Körper verletzt, und zwar:

a) am 27.Mai 1989 Peter K*** durch Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht und Tritten gegen den Kopf und gegen den Körper in Form eines Bruches der zehnten Rippe links, einer Blutunterlaufung in der linken Jochbeingegend mit einem Durchmesser von 3 cm, einer Prellung der Hinterhauptregion und mehrerer Abschürfungen insbesonders am linken Ellbogen, an sich schwer, verbunden mit einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung;

b) am 13.Mai 1989 Andrea S*** und Nicole S*** durch Versetzen von Ohrfeigen, wodurch Andrea S*** eine Schwellung an der Oberlippe und Nicole S*** eine Absplitterung an zwei Zähnen und eine Schwellung im Gesicht erlitt.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte hinsichtlich der Fakten 1, 2, 3 und 4 a mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) ist offenbar unbegründet. Die Feststellung, daß der Angeklagte von der Zeugin Anita W*** einen Geldbetrag von 40.000 S geborgt hat (US 7), findet entgegen den Beschwerdeausführungen in der Aussage der genannten Zeugin ihre durchaus zureichende Begründung. Diese hat sowohl vor der Polizei als auch in der Hauptverhandlung (unter Hinweis auf diese Aussage vor der Behörde, § 271 Abs 3 StPO) ausdrücklich angegeben, daß es sich bei diesem Geldbetrag um ein Darlehen gehandelt habe (vgl I/S 62 f und II/S 38). In ihren Aussagen vor der Polizei (I/S 61 ff) und dem Untersuchungsrichter (I/ON 25), auf welche die Zeugin anläßlich ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung ausdrücklich verwiesen hat (II/S 38), finden aber auch die in der Beschwerde als aktenwidrig bezeichneten Feststellungen des Urteils Deckung, daß der Angeklagte nach der Bedrohung der Anita W*** (Faktum 2 a) zu dieser erneut eine Beziehung aufgebaut habe (US 9), daß er mehrmals das Ansinnen an W*** stellte, für ihn in Italien der Prostitution nachzugehen (US 7) und daß die Zeugin dann wieder zu ihrem Freund P*** zurückkehrte (US 9).

Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge ist die vom Erstgericht als erwiesen angenommene Drohung zu Faktum 1 des Urteilssatzes durch die Aussage der Zeugin W*** vor der Polizei, vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung gedeckt (vgl insbesondere I/S 67, I/S 375 und II/S 41), so daß auch insoweit die behauptete Aktenwidrigkeit nicht gegeben ist. Eine Unvollständigkeit der Entscheidung liegt nach Ansicht des Beschwerdeführers deshalb vor, weil das Gericht feststelle, daß die Bedrohung der Zeugin W*** im Rahmen eines Telefongespräches erfolgt sei, aber nicht erörtert werde, daß die genannte Zeugin kein Telefon besitze.

Der Aussage der Zeugin W*** vor der Polizei (I/S 65) ist dazu zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer diese Drohung gegenüber ihrem Freund äußerte; vor dem Untersuchungsrichter (I/S 375) hat die Zeugin angegeben, daß die Drohung, ihr das Gesicht zu zerschneiden, vom Angeklagten anläßlich eines Gespräches unter vier Augen erfolgte, während sie in der Hauptverhandlung (II/S 41) aussagte, diese Drohung sei im Rahmen eines Telefongespräches mit dem Angeklagten gefallen. Mit diesen Ungereimtheiten hat sich das Gericht aber auseinandergesetzt (vgl US 25/26), wobei es zum Ergebnis gekommen ist, daß diese abweichenden Schilderungen nicht geeignet waren, die Glaubwürdigkeit der Zeugin im Kernpunkt ihrer Aussage zu erschüttern. Wenn sich der Beschwerdeführer in seiner Rüge auf die Angabe der Zeugin in der Hauptverhandlung vom 14. August 1990 bezieht, daß sie (derzeit) kein Telefon habe (S 43), so übersieht er, daß die Zeugin zwischen Sommer 1989 und August 1990 ihre Wohnung gewechselt hat (vgl I/S 61 und 373; II/S 37). Auch die Urteilsfeststellungen, der Angeklagte habe sich dem Helmut G*** gegenüber als brutaler Geschäftsmann vorgestellt und ihn durch Drohungen massiv einzuschüchtern versucht, ist in den Angaben des Genannten vor der Polizei (I/S 51 ff) begründet. Auf diese Angaben berief sich der Zeuge ausdrücklich bei seiner Einvernahme in der Hauptverhandlung (II/S 54). Wenn in der Beschwerde auf Teile der Aussage des Genannten in der Hauptverhandlung verwiesen und in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten wird, es könne von einer massiven Einschüchterung des Zeugen wohl nicht die Rede sein, so übergehen diese Ausführungen die weiteren Angaben des Helmut G*** über die Bedrohungen durch den Angeklagten (vgl S 57). Schließlich finden auch die Konstatierungen über die Bedrohung des Zeugen Ralf B*** (Faktum 2 c des Urteilssatzes) ihre durchaus zureichende Begründung in der Aussage dieses Zeugen in der Hauptverhandlung (II/S 67), so daß auch hier von der in der Rüge behaupteten Aktenwidrigkeit nicht die Rede sein kann. Lediglich im Rahmen der Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten wies das Gericht darauf hin, daß dieser "durch mehrfaches Krummachen des Zeigefingers doch keinen Zweifel daran (ließ), wie er mit der Zeugin Anita W*** am liebsten verfahren würde" (US 27). Soweit die Beschwerde auch unter Anführung des Grundes der Z 5 ein "mehrfaches" Krummachen als unrichtig bezeichnet, betrifft sie keine entscheidende Tatsache und ist im übrigen mangels näherer Substantiierung einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.

Unter dem Gesichtspunkt einer Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß das Gericht den Aussagen der Zeugen Anita W***, Helmut G***, Andreas H*** und Ralf B*** gefolgt ist. Er vermag aber nicht aufzuzeigen, inwieweit der Schöffensenat seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit durch Übergehen aktenkundiger Umstände in einer Weise verletzt hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten. Den Ausführungen der Beschwerde, die im Ergebnis nur die Glaubwürdigkeit dieser Belastungszeugen in Zweifel zu ziehen suchen und zum Teil auch die Einwendungen zur Z 5 wiederholen, ist entgegenzuhalten, daß der Nichtigkeitsgrund der Z 5 a keine Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung gestattet (EvBl 1989/24).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) zurückzuweisen.

Demgemäß wird der Gerichtshof zweiter Instanz über die Berufung zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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