OGH 6Ob46/07v

OGH6Ob46/07v25.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Unterbringungssache der Patientin Helene W*****, über den Revisionsrekurs des Patientenanwalts Mag. Michael H*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 5. Jänner 2007, GZ 21 R 689/06d-16, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2006, GZ 36 Ub 808/06m-7, mit Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Unterbringungsverfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Die Patientin Helene W***** wurde am 31. 10. 2006 auf der I. Psychiatrischen Abteilung der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg (Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) aufgenommen und nach Vorliegen zweier fachärztlicher Zeugnisse gegen ihren Willen untergebracht. Nach diesen Zeugnissen ist die Patientin örtlich, zeitlich und situativ desorientiert sowie akut selbstgefährdend; sie befindet sich in einem akuten Verwirrtheitszustand infolge einer demenziellen Erkrankung aufgrund eines Multiinfarktgeschehens. Am 2. 11. 2006 teilte der Abteilungsleiter dem Erstgericht und dem Patientenanwalt mit, dass die Unterbringung der Patientin aufgehoben und diese nach „G 1 C" transferiert wurde.

Die Universitätsklinik für Geriatrie an der Christian-Doppler-Klinik übt geriatrische Medizin aus und bietet diese an. Die behandelten Patienten zeichnen sich durch Polymorbidität (mehrere Erkrankungen, meist aus verschiedenen Gesundheitsdimensionen), Polypathie (mehrere Diagnosen) und Polypharmazie (Einnahme mehrerer Medikamente) aus. Für ihre Behandlung ist eine spezifische geriatrische Teamarbeit erforderlich, um völlig unterschiedliche Krankheitsprozesse, die in gemeinsamen Endstrecken kumulieren, zu erfassen. Ein wesentliches Merkmal geriatrischer Arbeit ist dabei, nicht primär auf die Ebene der organischen Schädigung zu fokussieren, sondern auf die Ebene der Fähigkeitsstörung, also auf die funktionellen Krankheitsfolgen. Geriatrische Arbeit erfordert daher ein multiprofessionelles Team aus verschiedenen Fachdisziplinen (Innere Medizin, Neurologie, gelegentlich auch Psychiatrie) sowie ein hohes Ausmaß an Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie sowie entsprechend geschultes Pflegepersonal. Zu den häufigsten Diagnosen der Universitätsklinik für Geriatrie an der Christian-Doppler-Klinik gehören Hypertonie essenziell, hirnorganisches Psychosyndrom, koronare Herzkrankheit, Multiinfarktsyndrom cerebral, Depression reaktiv, Vorhofflimmern, Multiinfarktdemenz, Lumbago, Spätfolge Hirnkrankheit, Diab mell tablettenpflichtig, Herzinsuffizienz chronisch, Lumboischialgie, Parkinsonsyndrom, Epilepsie symptomatisch, Harnwegsinfekt, Niereninsuffizienz mit kompensierter Retention, Diab mell insulinpflichtig, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Altersosteoporose, Exsikkose, Hypothyreose, Demenz senil vom Alzheimer Typ, Hypercholesterinämie, cerebraler Insult, Gonarthrose, Polyarthrose, Schwindel atherosklerotisch und Hyperthyreose. Ihr Personal besteht aus einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (Neurologische Intensivmedizin), drei Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie, einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und 10 Ärzten für Allgemeinmedizin (davon drei halbtags) sowie aus acht Physiotherapeuten, sieben Ergotherapeuten und 2 Logopädinnen. Verschlossene Türen gibt es in Universitätsklinik für Geriatrie an der Christian-Doppler-Klinik nicht. Sie verfügt über mehrere Stationen, darunter die „Bettenstation A Männer (inklusive Psychogeriatrie)" und die „Bettenstation C Psychogeriatrie Frauen" sowie die „Bettenstation B Frauen", die „Station D Klassestation Männer/Frauen", die „Geriatrie II A Männer" und die „Geriatrie II B Frauen".

Der Vorsteher des Erstgerichts ordnete mit „Verordnung gemäß § 13 Abs 1 UbG" vom 21. 6. 2005 unter anderem den Stationen Geriatrie 1 A (Männer) und 1 C (Frauen) Patientenanwälte zu, hob diesen Teil der „Verordnung" jedoch nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit „Bescheid" vom 28. 9. 2005 wieder auf. Im Zusammenhang mit einem Personalwechsel in der Patientenanwaltschaft Salzburg bestellte er (möglicherweise irrtümlich) mit „Verordnung" vom 1. 3. 2006 wiederum für die beiden Stationen Patientenanwälte (darunter Mag. Michael H*****), wobei dieser „Formalfehler" erstmals am 30. 11. 2006 „auffiel". Daraufhin stellte der (nunmehr neue) Vorsteher des Erstgerichts mit „Verordnung" vom 4. 12. 2006 die „bisherige Rechtslage" wieder her und bestellte außerdem Patientenanwälte für die I. und die II. Psychiatrische Abteilung der Christian-Doppler-Klinik. Am 25. 1. 2007 nahm er gemäß § 8 HeimAufG die Namhaftmachung von Bewohnervertretern für die Stationen der Universitätsklinik für Geriatrie zur Kenntnis; die Stationen Geriatrie 1 A (Männer) und 1 C (Frauen) sind dabei nicht erwähnt, sodass für diese derzeit keine Bewohnervertreter namhaft gemacht sind.

Der Patientenanwalt beantragte die Durchführung eines Unterbringungsverfahrens und die Unzulässigerklärung der Unterbringung der Patientin ab 3. 11. 2006. Sie sei gegen ihren Willen und beinahe durchgehend „tischfixiert" bzw im Bett mit Bettseitenteilen und einem Segufix-Bauchgurt in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt. Hinsichtlich seiner Vertretungsbefugnis berief sich der Patientenanwalt auf die „Verordnung" des Vorstehers des Erstgerichts vom 1. 3. 2006.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Universitätsklinik für Geriatrie sei keine psychiatrische Abteilung der Christian-Doppler-Klinik. Bei objektiver materieller Betrachtungsweise liege nämlich deren Schwerpunkt bei der ärztlichen Tätigkeit bzw den behandelten Krankheiten nicht im Fachgebiet der Psychiatrie; die medizinisch-psychiatrische Versorgung stehe nicht im Vordergrund. Die Station 1 C sei Teil der Universitätsklinik für Geriatrie, sodass dort keine Unterbringungen im Sinn des Unterbringungsgesetzes stattfinden könnten; es seien vielmehr die Bestimmungen des Heimaufenthaltsgesetzes anzuwenden. Das Rekursgericht wies den Antrag zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Unterbringungs- und Heimaufenthaltsgesetz auf geriatrische Abteilungen. In der Sache selbst teilte das Rekursgericht die Auffassung des Erstgerichts; einzelne Stationen könnten schon begrifflich keine Abteilungen für Psychiatrie darstellen, sondern lediglich eine untergeordnete Organisationseinheit, im Übrigen dienten sie dem Zweck, Patienten zusammenzufassen, bei denen neben somatischen Grunderkrankungen auch psychoorganische Erkrankungen hinzutreten würden. Der (maßgebliche) Schwerpunkt der Universitätsklinik für Geriatrie an der Christian-Doppler-Klinik liege aber dennoch nicht in der medizinisch-psychiatrischen Versorgung; daran könne auch eine direkte „Transferierung" der Patientin auf eine „psychogeriatrische" Station der Universitätsklinik für Geriatrie nichts ändern.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 14 Abs 1 UbG wird der Patientenanwalt mit der Aufnahme des Patienten kraft Gesetzes dessen Vertreter für das Unterbringungsverfahren. Wer dabei im Einzelfall Patientenvertreter ist, bestimmt sich nach der „Bestellung" des Vorstehers des zuständigen Bezirksgerichts gemäß § 13 Abs 1 UbG. Da die Patientin am 31. 10. 2006 auf der I. Psychiatrischen Abteilung der Christian-Doppler-Klinik (Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) aufgenommen und untergebracht, am 2. 11. 2006 auf die Station Geriatrie 1 C der Universitätsklinik für Geriatrie „transferiert" und Mag. Michael H***** als Patientenanwalt am 29. 11. 2006 den Antrag auf Durchführung eines Unterbringungsverfahrens sowie Unzulässigerklärung der Unterbringung ab 3. 11. 2006 gestellt hatte, ist seine Vertretungsbefugnis nach der „Verordnung" (zur rechtlichen Qualifikation des Bestellungsvorgangs, nämlich als Bescheid, vgl allerdings Hopf/Aigner, UbG [1993] § 13 Anm 8 mwN) des Vorstehers des Erstgerichts vom 1. 3. 2006 zu beurteilen. Entgegen der vom Abteilungsleiter in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung war der Patientenanwalt daher zum Zeitpunkt der Einleitung dieses Unterbringungsverfahrens befugt, die Patientin als Insassin der Station Geriatrie 1 C zu vertreten.

Diese Vertretungsbefugnis endete auch nicht mit der Aufhebung der „Verordnung" des Vorstehers des Erstgerichts vom 1. 3. 2006 am 4. 12. 2006. Eine derartige Annahme müsste nämlich zu Rechtsschutzdefiziten auf Seiten der Patientin führen. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass weder der Patientenanwalt (5 Ob 503/95) noch der Bewohnervertreter (9 Ob 148/06i) zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen, im konkreten Fall der Einhaltung der Bestimmung des Unterbringungs- bzw des Heimaufenthaltsgesetzes, schlechthin bestellte Personen sind, sondern aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgesehene - unter Umständen auch zusätzliche - Vertreter des Patienten bzw Bewohners kraft Gesetzes mit einem durch das Unterbringungs- bzw das Heimaufenthaltsgesetz umschriebenen Wirkungskreis. Ihre Rechtsmittel könnten daher immer nur Rechtsmittel der von ihnen Vertretenen sein, auch wenn es ihr Recht sei, Rechtsmittel unabhängig vom Willen der Kranken zu erheben; dennoch handle es sich dabei nicht um ein Rechtsmittelrecht im eigenen Namen. Auch diese Rechtsstellung spricht dagegen, dem Patientenanwalt ab 4. 12. 2006 die Vertretungsbefugnis und damit die Rechtsmittellegitimation (s 2.) abzusprechen.

2. Gemäß § 28 Abs 1 UbG können der Patient und sein Vertreter gegen einen Beschluss, mit dem die Unterbringung für zulässig erklärt wurde, Rechtsmittel erheben. Ein solcher Fall liegt hier an sich nicht vor. Allerdings verweist § 12 Abs 2 UbG auf das Außerstreitgesetz. Nach dessen § 45 können alle Beschlüsse - lediglich verfahrensleitende Beschlüsse sind davon ausgenommen (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 45 Rz 1) - angefochten werden. Voraussetzung ist neben der Parteistellung, die hier gemäß § 28 UbG gegeben ist, zwar eine Beschwer; formelle Beschwer liegt aber jedenfalls dann vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht (Fucik/Kloiber, aaO Rz 5 mwN). Da die Vorinstanzen den Antrag des Patientenanwalts ab- bzw zurückgewiesen haben, ist er - in Wahrnehmung der Interessen der Patientin - beschwert.

3. Der Patientenanwalt macht in seinem Revisionsrekurs geltend, die Christian-Doppler-Klinik in Salzburg unterliege in ihrer Gesamtheit als Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie - und damit auch die Universitätsklinik für Geriatrie als deren Teilorganisation - den Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes, und zwar unabhängig von ihrer aktuellen Widmung und internen Organisation.

3.1. Nach seinem § 2 gelten die Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie, in denen Personen angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Dass die Christian-Doppler-Klinik in Salzburg eine Krankenanstalt - im Gegensatz etwa zu selbstständigen Ambulatorien oder Pflegeheimen - ist, ist unstrittig, ebenso dass ihre psychiatrischen Abteilungen den Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes unterliegen (vgl auch Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts² [2005] Rz 35/2).

3.2. Bei der Christian-Doppler-Klinik handelt es sich um eine Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie. Im Hinblick auf die weite Formulierung des § 2 UbG vertraten zweitinstanzliche Rechtsprechung (vgl die Nachweise bei Kopetzki, Grundriss2 aaO Rz 37) und Lehre (Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts1 [1997] Rz 37) die Auffassung, die Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes seien auf derartige Krankenanstalten „in ihrer Gesamtheit" anwendbar, also auch auf deren nicht-psychiatrische Abteilungen. Nach Inkrafttreten des Heimaufenthaltsgesetzes sprechen aber nunmehr die besseren Gründe dafür, den Anwendungsbereich des Unterbringungsgesetzes auf jene Abteilungen von Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie zu reduzieren, die für sich genommen als „psychiatrische" zu qualifizieren sind (Kopetzki, Grundriss² Rz 37, 816; Aigner/Schwamberger, Schreiben des BMGF zur Abgrenzung UbG - HeimaufG, RdM 2006/7; Leder, Heimaufenthalt und Unterbringung - ein Vergleich, FamZ 2007, 217). Bei Verneinung der Anwendbarkeit des Unterbringungsgesetzes kommt ja nunmehr § 2 Abs 1 Satz 2 HeimAufG hinsichtlich bestimmter Personen in einer Krankenanstalt zur Anwendung (Leder, aaO 218; vgl dazu auch 3 Ob 246/06g sowie Zierl, Heimvertragsgesetz und Heimaufenthaltsgesetz [2004] 105 konkret zu [akut]geriatrischen Abteilungen und Kopetzki, FamZ 2007, 87 [Entscheidungsanmerkung]). Außerdem ist kein sachlicher Grund (mehr) ersichtlich, weshalb die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes auf ein und denselben Abteilungstyp vom mehr oder weniger zufälligen Befund abhängen soll, ob eine (nicht-psychiatrische) Abteilung Teil einer Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie oder einer sonstigen (insbesondere allgemeinen) Krankenanstalt ist (Kopetzki, Grundriss² Rz 37).

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung kommen die Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes somit nicht allein deshalb zur Anwendung, weil die Christian-Doppler-Klinik eine Sonderkrankenanstalt für Psychiatrie ist.

4. Der Patientenanwalt meint weiters, jedenfalls die Station Geriatrie 1 C unterliege den Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes, weil es sich dabei um eine psychogeriatrische Station und damit um eine psychiatrische Abteilung handle.

4.1. Die Vorinstanzen vertraten dazu die Auffassung, bei objektiver materieller Betrachtungsweise sei die Universitätsklinik für Geriatrie keine psychiatrische Abteilung. Dies erscheint - ausgehend von den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen - zutreffend und wird auch im Revisionsrekurs nicht bestritten. Ob eine Krankenanstalt oder eine Abteilung „psychiatrischen Charakter" hat, ist nämlich anhand einer Durchschnittsbetrachtung der versorgten Patientengruppen (Art der Krankheitsbilder), der erbrachten Leistungen (Art und Fachzugehörigkeit der medizinischen Tätigkeiten) und der internen Organisationsstrukturen (insbesondere fachliche Qualifikation des Personals) zu beurteilen; es kommt auf die materielle Beurteilung an, ob der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit bzw der behandelten Krankheiten in der fraglichen Krankenanstalt oder Abteilung bei objektiver Betrachtung ins Fachgebiet der Psychiatrie fällt und daher die medizinisch-psychiatrische Versorgung im Vordergrund steht (Kopetzki, Grundriss² Rz 35). Dies wurde von den Vorinstanzen - auf Sachverhaltsebene - verneint.

4.2. Nicht geteilt werden kann hingegen die Meinung des Rekursgerichts, damit sei auch die Station Geriatrie 1 C keine psychiatrische Abteilung; sie sei lediglich eine untergeordnete Organisationseinheit. Es verwies dazu auf § 26 Salzburger KAG. Ein isoliertes Abstellen auf die Benennung oder die krankenanstaltenrechtliche Widmung einer Krankenanstalt oder einer Abteilung ist für die Beurteilung ihres „psychiatrischen Charakters" schon allein wegen der uneinheitlichen und wechselnden Terminologie ungeeignet (Hopf/Aigner, UbG [1993] § 2 Anm 5 mwN; Kopetzki, Grundriss² Rz 35, 36 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Daher schließt etwa die Anwendung des Unterbringungsgesetzes jene des Heimaufenthaltsgesetzes dann aus, wenn es sich „nur" um Krankenanstalten oder Abteilungen für Psychiatrie im materiellen Sinn (s 3.2.) handelt, obgleich diese möglicherweise keine nach KAKuG genehmigten Krankenanstalten bzw keine ausdrücklich als „psychiatrische" gewidmete Einrichtungen sind (Kopetzki, Grundriss² Rz 816). In diesem Zusammenhang erwähnt Kopetzki (Grundriss2 Rz 36) als „problematisch" unter anderem Umbenennungen psychiatrischer Einrichtungen oder deren gänzliche Ausgliederung in nicht-psychiatrische Organisationseinheiten, um die gerichtliche Kontrolle (gemeint: nach dem Unterbringungsgesetz) über Freiheitsbeschränkungen zu verhindern; er verweist ausdrücklich auf die Geriatrie. Maßgeblich sei die Frage, ob es sich um eine (nach der Art der ärztlichen Tätigkeit bzw der Krankheiten) schwerpunktmäßig „psychiatrische" Abteilung handelt; dann finde das Unterbringungsgesetz „unbeschadet allfälliger Umetikettierungen" Anwendung.

Eine ähnliche Problematik stellt sich aber auch dann, wenn eine Organisationseinheit, bei der der Schwerpunkt der ärztlichen Tätigkeit bzw der behandelten Krankheiten bei objektiver Betrachtung ins Fachgebiet der Psychiatrie fällt und daher die medizinisch-psychiatrische Versorgung im Vordergrund steht, zusammen mit anderen Organisationseinheiten, bei denen diese Voraussetzungen nicht vorliegen, einer Gesamtbetrachtung unterzogen wird und sich dadurch der Schwerpunkt verschiebt. Gerade dies haben aber die Vorinstanzen hinsichtlich der Station Geriatrie 1 C getan, indem sie das gesamte Personal der Universitätsklinik für Geriatrie in ihre Betrachtung miteinbezogen haben.

4.3. Bei einer - isolierten - Betrachtung der Station Geriatrie 1 C tritt der Umstand in den Vordergrund, dass die Universitätsklinik für Geriatrie selbst diese Station - ebenso wie die Station 1 A - als „psychogeriatrische" Stationen bezeichnet; dies im Gegensatz zu ihren übrigen Stationen. Derartige Abteilungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung den Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes (5 Ob 571/93 ["neurologisch-psychiatrische Gerontologie"]; weitere Nachweise aus der zweitinstanzlichen Rechtsprechung s bei Kopetzki, Grundriss2 Rz 35). Dass - wie der Abteilungsleiter in der Revisionsrekursbeantwortung behauptet - auf der Station Geriatrie 1 C eine Fachärztin für (ausschließlich) Neurologie (und nicht auch Psychiatrie) sowie ein Arzt für Allgemeinmedizin tätig sein sollen (und somit kein Facharzt für Psychiatrie), lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen; der Abteilungsleiter verstößt insofern gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass diese Rechtsprechung „schon deshalb nicht (mehr) als einschlägig angesehen werden [kann], weil sie noch vor dem Inkrafttreten des Heimaufenthaltsgesetzes, das in diesem Belang ausweislich der Gesetzesmaterialien ein Rechtsschutzdefizit behoben hat, ergangen ist und in den Entscheidungen jeweils sehr deutlich zum Ausdruck kommt, dass der Zustand allfälliger freiheitsbeschränkender Maßnahmen im rechtsfreien Raum als unerträglich empfunden wurde", kann in dieser Absolutheit nicht geteilt werden (vgl etwa Kopetzki, Grundriss2 Rz 35 und Barth/Engel, ÖJZ 2005/23 [alle bereits nach Inkrafttreten des Heimaufenthaltsgesetzes]).

Unmaßgeblich ist auch der von beiden Vorinstanzen hervorgehobene Umstand, dass es keine verschlossenen Türen in der Universitätsklinik für Geriatrie, also offensichtlich auch nicht auf den Stationen Geriatrie 1 A und 1 C, gibt. Der Abteilungsleiter bestreitet nämlich nicht, dass die Patientin gegen ihren Willen und beinahe durchgehend „tischfixiert" bzw im Bett mit Bettseitenteilen und einem Segufix-Bauchgurt in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Patient jedoch „untergebracht" im Sinn des Unterbringungsgesetzes, wenn er Bewegungseinschränkungen unterliegt, und zwar unabhängig davon, ob er sich in einem geschlossenen Bereich befindet oder nicht und ob eine besondere „Erheblichkeitsschwelle" hinsichtlich Dauer und Ausmaß der Beschränkung überschritten wird oder nicht (RIS-Justiz RS0075831).

5. Damit haben die Vorinstanzen aber zu Unrecht der Patientin die Durchführung eines Unterbringungsverfahren verweigert. Dies wird das Erstgericht nunmehr nachzuholen haben.

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