OGH 6Ob72/07t

OGH6Ob72/07t25.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Tarek G*****, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in Landeck, wegen Unterlassung (Streitwert 10.100 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2007, GZ 4 R 297/06t-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Oktober 2006, GZ 14 Cg 9/06b-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.763,10 EUR (darin 265,85 EUR Umsatzsteuer und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 416 Grundbuch ***** I*****. Es handelt sich dabei um ihr Betriebsgelände (Seilbahnunternehmen). Zum Gutsbestand gehört unter anderem das Grundstück Nr 194 samt darauf errichtetem Betriebsgebäude.

Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 27. 5. 1998 räumte die Klägerin der Gemeinde I***** für die Gemeindeöffentlichkeit bzw das öffentliche Gut das als Grunddienstbarkeit sicher zu stellende Recht des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art auf einer etwa 5 m breiten Trasse in möglichst direkter Linie von der Silvretta-Bundesstraße B 188 (Anschluss Kreisverkehr) bis zur südlich gelegenen Gemeindestraße auf dem (nunmehr) Grundstück Nr 194 zur Herstellung einer Verbindung zwischen Bundes- und Gemeindestraße ein. Die Dienstbarkeitsstrasse befindet sich im östlichen Bereich des Grundstücks 194, der sich als eine geschlossene asphaltierte Fläche darstellt. Diese verläuft (von Norden nach Süden) von der Gemeindestraße weg zunächst in einer Breite von etwa 8,5 m, verbreitert sich dann platzartig auf etwa 20 bis 24,5 m („Silvrettaparkplatz") und grenzt letztlich an die Bundesstraße an, zu der in diesem Bereich ein Kreisverkehr gehört. Die Dienstbarkeitsstrasse ist in der Natur nicht - etwa durch auf der Asphaltfläche aufgebrachte Bodenmarkierungen - gekennzeichnet. Im November 2003 erließ der Bürgermeister der Gemeinde I***** als Straßenverkehrsbehörde eine Verordnung für den „Silvrettaparkplatz", mit der für die Dauer der jeweiligen Wintersaison ein allgemeines Parkverbot und im Bereich der Grundgrenze zu einem bestimmten Hotel eine Kurzparkzone für die Zeit von 7 bis 19 Uhr angeordnet wurden. Über Ersuchen der Klägerin wurde diese Verordnung jedoch per 1. 3. 2006 wieder aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt waren auf dem „Silvrettaparkplatz" während der Wintersaison unter anderem Parkverbotsschilder aufgestellt, darunter eines einige Meter nördlich der platzartigen Verbreiterung und eines bei der Südzufahrt des Grundstücks Nr 194. Bei diesen beiden Parkverbotsschildern waren jeweils Zusatztafeln „Ausgenommen Taxifahrzeuge mit Genehmigung der [Klägerin]" angebracht; an Parkverbotsschildern an anderen Stellen des „Silvrettaparkplatzes" fanden sich Zusatztafeln „Ausgenommen Taxi und Einsatzfahrzeuge", denen jedoch eine abgrenzbare Fläche nicht zuordenbar war, sodass auch kein Bereich auf dem Grundstück Nr 194 bestand, der ausschließlich Taxifahrzeugen mit Genehmigung der Klägerin vorbehalten gewesen wäre. Diese Zusatztafeln waren durch die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde I***** im Übrigen auch nicht gedeckt und es steht nicht fest, wer sie angebracht hatte. Eine Taxistandplatzverordnung wurde nicht erlassen.

Der Beklagte ist seit 16. 12. 2005 Inhaber einer Taxikonzession und betreibt das Unternehmen „S*****-Taxi".

Der Vorstandsvorsitzende der Klägerin, die drei anderen Taxiunternehmen Standplatzberechtigungen erteilt hatte, verweigerte dem Beklagten über dessen Anfrage eine solche bereits vor der Wintersaison 2005/2006. Dennoch stellte der Beklagte erstmals am 16. 12. 2005 seine Taxifahrzeuge auf dem „Silvrettaparkplatz" ab, um Fahrgäste zur Beförderung aufzunehmen. Dies wiederholte er in der Folge trotz Abmahnungen durch Mitarbeiter der Klägerin annähernd täglich, was zu Beschwerden samt Schadenersatzforderungen der anderen Taxiunternehmen gegenüber der Klägerin einerseits und zu Besitzstörungsverfahren zwischen den Parteien führte; in diesen blieb der Beklagte mit der Begründung erfolgreich, er habe seine Fahrzeuge auf „quasi-öffentlichem Grund" abgestellt, auf dem eine Besitzstörung nicht möglich sei.

Die Klägerin begehrte zunächst, dem Beklagten zu verbieten, Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück Nr 194 in jenem Bereich abzustellen, der ausschließlich Taxifahrzeugen mit ihrer Genehmigung vorbehalten sei. Sie berief sich auf ihr Eigentumsrecht an der Liegenschaft; eine Standplatzberechtigung habe sie dem Beklagten nicht erteilt, im Übrigen bestehe im gesamten Bereich ein Parkverbot. Der Beklagte hielt dem entgegen, der „Silvrettaparkplatz" sei eine öffentliche Verkehrsfläche gemäß § 1 StVO, weshalb der Klägerin als Liegenschaftseigentümerin kein privatrechtlich durchsetzbarer Anspruch zustehe, gegen Verstöße von Verkehrsteilnehmern einzuschreiten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte könne sich zwar nicht auf die von der Klägerin der Gemeinde I***** eingeräumte Dienstbarkeit berufen, weil diese die Nutzung des Grundstücks Nr 194 als Taxistandplatz nicht umfasse und der Beklagte außerdem seine Taxifahrzeuge außerhalb der Dienstbarkeitsstrasse abgestellt habe. Der „Silvrettaparkplatz" sei jedoch dem äußeren Anschein nach zur allgemeinen Benutzung freigestanden; es habe keine Abschrankungen oder Beschilderungen gegeben, jedermann habe ihn begehen und mit jeder Art von Kraftfahrzeugen befahren dürfen, der Bürgermeister der Gemeinde I***** habe eine Parkverbots- und Kurzparkzonenverordnung erlassen und deren Einhaltung sei auch von Straßenaufsichtsorganen überwacht worden. Da der „Silvrettaparkplatz" somit als Straße mit öffentlichem Verkehr gemäß § 1 Abs 1 StVO zu qualifizieren sei, richte sich die Frage, ob Taxifahrzeuge dort halten und parken dürften, nicht nach privatrechtlichen Vereinbarungen des Liegenschaftseigentümers mit dem Dienstbarkeitsberechtigten, sondern nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Ein Unterlassungsanspruch stehe der Klägerin somit nicht zu, wobei im Übrigen ein Bereich „im Sinne des Klagebegehrens", der ausschließlich Taxifahrzeugen mit Genehmigung der Klägerin vorbehalten gewesen wäre, gar nicht existiert habe.

Das Berufungsgericht verbot dem Beklagten, gewerblich Taxifahrzeuge auf dem Grundstück Nr 194 in jenem Bereich abzustellen, der ausschließlich Taxifahrzeugen mit Genehmigung der Klägerin vorbehalten sei, wies das Mehrbegehren auf Unterlassung jeglicher Nutzung des Grundstücks Nr 194 durch Abstellen von Kraftfahrzeugen ab und sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands zwar 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige sowie dass die ordentliche Revision zulässig sei; Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt und zu den Auswirkungen einer Beschränkung der Widmung eines Privatgrundstücks zur öffentlichen Verkehrsfläche fehle. In der Sache selbst meinte das Berufungsgericht, die Klägerin habe den der Öffentlichkeit eingeräumten Gemeingebrauch am Grundstücks Nr 194 durch Beschränkung seiner Nutzung als Taxistandplatz eingeschränkt, was auch durch die Parkverbotsschilder samt Zusatztafeln für jedermann erkennbar gewesen sei. Einen über die Widmung hinausgehenden Gebrauch könne sie mit Negatorienklage bekämpfen; es sei aber das gegen den Beklagten gerichtete Verbot auf die gewerbliche Nutzung des Grundstücks Nr 194 durch Abstellen von Taxifahrzeugen zu beschränken.

Die Revision des Beklagten ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagte macht zunächst geltend, das Berufungsgericht habe gegen § 405 ZPO verstoßen; die Klägerin habe ihre Unterlassungsklage „nicht in Anlehnung an das UWG eingebracht", sie erwähne in ihrem Vorbringen auch mit keinem Wort ein Taxifahrzeug.

Die Klägerin wollte dem Beklagten ganz allgemein verbieten, „Kraftfahrzeuge" abzustellen. Sie verwies bereits im Verfahren erster Instanz darauf, dass er seine Fahrzeuge auf ihrem privaten Taxistandplatz abstelle und diesen für gewerbliche Zwecke verwende, um von dort aus Fahrgäste zu akquirieren (vgl AS 3, 15). Demgegenüber verbot das Berufungsgericht dem Beklagten, „gewerblich Taxifahrzeuge" abzustellen.

Da auch Taxifahrzeuge Kraftfahrzeuge sind und eine gewerbliche Verwendung des Parkplatzes enger ist als eine unbeschränkte, hat das Berufungsgericht nicht ein aliud, sondern ein minus zugesprochen. Eine solche Vorgangsweise stellt aber keinen Verstoß gegen § 405 ZPO dar.

2. Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren außerdem auf jenen Bereich beschränkt, „der ausschließlich Taxifahrzeugen mit Genehmigung der Klägerin vorbehalten ist". Sie hat damit zwar jenen Bereich des „Silvrettaparkplatzes" gemeint, für den Parkverbotsschilder mit Zusatztafeln aufgestellt waren, die Taxistandplätze kennzeichneten. Das Erstgericht hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass den Parkverbotstafeln mit Zusatztafel „Ausgenommen Taxi und Einsatzfahrzeuge" keine abgrenzbare Fläche zuordenbar gewesen sei, die nicht von jedermann befahren werden durfte; es habe daher auf dem Grundstück Nr 194 gar kein Bereich im Sinne des Klagebegehrens existiert, der ausschließlich Taxifahrzeugen mit Genehmigung der Klägerin vorbehalten war (AS 143). Dazu hat die Klägerin in ihrer Berufung nicht Stellung genommen. Aus § 7 Abs 1 EO ergibt sich, dass einer Entscheidung neben der Person des Berechtigten und des Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung entnehmbar sein muss. Gerade dies ist hier aber nicht der Fall:

Jener räumliche Bereich, in dem der Beklagte „gewerblich Taxifahrzeuge" nicht abstellen sollte, war nach den Feststellungen des Erstgerichts in der Natur schon zu jenem Zeitpunkt nicht ersichtlich, zu dem die Klägerin dem Beklagten die Eingriffe in ihr Eigentum untersagen wollte. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die Klägerin - wie sie nunmehr in der Revisionsbeantwortung ausführt - in der Klage den betroffenen Teilbereich des Grundstücks Nr 194 tatsächlich „genau bezeichnet" hatte, wäre daraus für sie nichts gewonnen. Nach den Feststellungen waren nämlich die Parkverbotsschilder samt Zusatztafeln nur bis zur Aufhebung der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde I*****, also bis zum 1. 3. 2006, aufgestellt. Zum Zeitpunkt des maßgeblichen Schlusses der Verhandlung erster Instanz am 29. 8. 2006 waren sie hingegen bereits entfernt worden, worauf im Übrigen ja auch der Klagevertreter selbst hingewiesen hat (AS 65). Der Urteilsspruch des Berufungsgerichts wäre damit mangels hinreichender Bestimmtheit nicht exequierbar. Dass - wie die Klägerin in der Revisionsbeantwortung ebenfalls ausführt - eine Mitbewerberin des Beklagten aufgrund eines „fast wortgleich gefassten" Titels gegen ihn Exekution gemäß § 355 EO führen soll, ist eine Behauptung, die einerseits gegen das Neuerungsverbot verstößt und andererseits mangels Vorlage des Titels oder Angabe eines Aktenzeichens auch nicht überprüfbar wäre.

3. Im Übrigen teilt der erkennende Senat die Auffassung des Erstgerichts, wonach es sich beim „Silvrettaparkplatz" um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt; er ist weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet noch sind auf eine Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt (vgl RIS-Justiz RS0073102). Damit hat die Klägerin als Grundeigentümerin aber keinen privatrechtlich durchsetzbaren Anspruch (mehr), bei Verstößen von Verkehrsteilnehmern gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung, also etwa gegen Parkverbote, einzuschreiten; bei den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung handelt es sich um öffentlich-rechtliche Bestimmungen, deren Einhaltung der Verwaltungsbehörde zu überwachen hat (6 Ob 503/82 = SZ 55/142). Das Ersturteil wäre daher auch in der Sache selbst wieder herzustellen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revision stehen dem Beklagten aber nur 60 % Einheitssatz zu.

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