Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Markus P*****, Peter P***** und Philipp L***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB „in der Fassung BGBl 1989/242 und BGBl 2001/230" schuldig erkannt.
Danach haben sie am 14. Februar 2003 in St. Georgen Sandra A***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem Philipp L***** den Eingang zu einer Partyhütte versperrte, sie das Mädchen gemeinsam zum Sofa zogen, Markus P***** sie entkleidete und während Peter P***** und Philipp L***** sie an Armen und Beinen festhielten, mit seinem Glied in ihre Scheide eindrang, anschließend Markus P***** und Philipp L***** sie festhielten und Peter P***** mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang und letztlich Markus P***** und Peter P***** sie festhielten und Philipp L***** mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Markus P***** und Peter P***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*****; ihnen kommt Berechtigung zu.
Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) der Angeklagten Markus P***** und Peter P***** auf, dass die Annahmen des Schöffengerichts, die Zeugin A***** habe „den eigentlichen Tathergang in den wesentlichen Punkten immer gleichlautend geschildert", woraus die Tatrichter auf die Wahrheit dieser Angaben geschlossen haben (US 11), in Zusammenhang mit dem teilweisen Unterbleiben einer Erörterung tatsächlich gegebener Widersprüche insofern eine unzureichende Begründung darstellen, als die genannte Zeugin bei ihren verschiedenen Befragungen auch zum Tathergang selbst widersprüchlich ausgesagt hat.
So hat sie unterschiedliche Angaben zu den Fragen gemacht, ob und welcher der Angeklagten ihr im Zuge des Geschehens auf die Brust gegriffen habe (S 33/I: jeder der drei Angeklagten; S 70/I: keiner; S 83/II: Markus P*****), sowie ob und bei welchem der Angeklagten es ihrer Wahrnehmung nach zu einem Samenerguss gekommen sei (S 33/I:
L*****; S 26/II: Markus P***** und L*****; S 83/II: bei allen drei Angeklagten), schließlich auch wann die Türe der Hütte zugesperrt worden sei (S 68/I und S 81f/II: gleich nach Ankunft der Zeugin; S 359/I: erst nach dem gemeinsamen Konsum von Alkohol). Im Recht ist weiters auch der Einwand des Angeklagten L*****, dass es das Erstgericht verabsäumt hat, sich mit der Aussage der Zeugin Daniela Au***** auseinander zu setzen, wonach ihr Sandra A***** - abweichend von ihren Angaben im Strafverfahren - erzählt habe, sie sei zwar von den Angeklagten Markus P***** und L*****, nicht aber vom Angeklagten Peter P***** vergewaltigt worden (S 185/I, 53/II). Weil nicht auszuschließen ist, dass die Tatrichter bei Berücksichtigung dieser Aussage zu einem für die Angeklagten günstigeren Ergebnis gekommen wären, haftet dem Urteil insoweit eine Nichtigkeit begründende Unvollständigkeit an.
Im Recht ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10) des Angeklagten L*****, der zufolge der Schuldspruch nicht nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2001/130, sondern in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 2004/15 erfolgen hätte müssen, weil das auf den festgestellten Sachverhalt anzuwendende zur Tatzeit geltende Recht für die Angeklagten nicht günstiger war als jenes des Urteilszeitpunkts (§ 61 StGB).
Das Urteil war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der drei Angeklagten bei nichtöffentlicher Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass die Zeugin A***** vor jeder weiteren Vernehmung über ihr Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO zu belehren ist (die diesbezügliche Unterlassung in der Hauptverhandlung - S 19/II - blieb von den Beschwerden ungerügt). Ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO in Zusammenhang mit einem möglichen Aussagedelikt steht der Zeugin hingegen - der Beschwerde des Angeklagten L***** zuwider - nicht zu (RIS-Justiz RS0109174, RS0097660).
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