OGH 2Ob146/06v

OGH2Ob146/06v12.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Horst J*, vertreten durch Mag. Dr. Maximilian Motschiunig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Josefine F*, 2. Valentin F*, 3. W* Versicherungs‑AG, *, vertreten durch Dr. Frank Kalmann, Dr. Karlheinz de Cillia, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen EUR 38.778,34 sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2006, GZ 2 R 56/06g‑47, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E83987

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionswerber ist zunächst zuzugestehen, dass die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes insoweit verfehlt ist, als es ihm als weiteres Verschulden angelastet hat, er habe bei seinem Überholmanöver gegen § 16 Abs 2 lit c StVO verstoßen. Diese Rechtswidrigkeit liegt zwar vor. Zutreffend verweist der Revisionswerber aber darauf, dass es hier am Rechtswidrigkeitszusammenhang mangelt. Die Vorschrift des § 16 Abs 2 lit c StVO dient nur dem Zweck, an nicht geregelten Kreuzungen den Vorrang der von rechts kommenden Fahrzeugen wahren zu können, und nicht der Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen (stRsp, RIS‑Justiz RS0074174). Insbesondere bezweckt die Vorschrift nicht den Schutz eines vorschriftswidrig links abbiegenden (8 Ob 70/79 = RIS‑Justiz RS0074174 [T1]) und auch nicht den Schutz eines überholten Fahrzeuges (8 Ob 135/81 = RIS‑Justiz RS0074174 [T3]). Beim vorliegenden Unfall spielte die mögliche Verletzung des Rechtsvorranges auf der ungeregelten Kreuzung keine Rolle.

Der Revisionswerber bekämpft die Verschuldensaufteilung von 2 : 1 zu seinen Lasten durch das Berufungsgericht und strebt insoweit eine Wiederherstellung des Ersturteiles an, das eine Verschuldensaufteilung von 2 : 1 zu seinen Gunsten vorgenommen hatte.

Die Beurteilung des Verschuldensgrades bzw das Ausmaß eines Mitverschuldens des Geschädigten kann wegen Einzelfallbezogenheit in der Regel nicht als erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO gewertet werden, es sei denn, es läge eine krasse Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht vor (RIS‑Justiz RS0087606).

Dem Kläger fallen folgende Umstände zur Last: Er hat mit seinem Motorrad die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit um knapp 20 % überschritten, was unfallskausal war. Er hat auf die unklare Verkehrslage, die durch das zur Fahrbahnmitte hin eingeordnete Beklagtenfahrzeug geschaffen war, nicht richtig reagiert. Er hat schließlich die von ihm eingeleitete Vollbremsung nicht bis zum Stillstand durchgehalten (was die Kollision ebenfalls vermieden hätte), sondern die Bremse vor der Kollision gelockert.

Dem Zweitbeklagten ist Folgendes vorzuwerfen: Er hat das beabsichtigte Linksabbiegen nicht ausreichend angezeigt: Durch den Anhänger hinter dem Traktor war der linke Blinker für den Nachfolgeverkehr nicht sichtbar; der Zweitbeklagte hat auch nicht auf andere Weise, zB durch Handzeichen oder durch eine Signalstange, das beabsichtigte Einbiegen angezeigt. Er hat den Nachfolgeverkehr nicht beachtet.

Bei Abwägen dieser beiderseitigen Verschuldenselemente ist - auch ohne Berücksichtigung des nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang stehenden Verstoßes des Klägers gegen § 16 Abs 2 lit c StVO - die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Klägers noch vertretbar; eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalles liegt nicht vor.

Der Revisionswerber strebt eine Wiederherstellung des Ersturteiles auch insofern an, als dieses das angemessene Schmerzengeld mit EUR 25.000, das Berufungsgericht hingegen nur mit EUR 22.500 ausgemessen hat.

Bloßen Ermessensentscheidungen wie über die Höhe des Schmerzengeldes kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (2 Ob 25/01t = RIS‑Justiz RS0042887 [T2] ua). Lediglich im Fall einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, wäre zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Revision dennoch ausnahmsweise zulässig (2 Ob 104/06t = RIS‑Justiz RS0042887 [T5] ua).

Das Berufungsgericht hat ausführlich unter Heranziehung von Fällen mit vergleichbar hoch zuerkannten Schmerzengeldbeträgen die Bemessung des angemessenen Schmerzengeldes begründet. Die Revision vermag dagegen nichts Stichhaltiges ins Treffen zu führen. Unter der impliziten Prämisse des Revisionswerbers, das vom Erstgericht ausgemessene Schmerzengeld sei angemessen, kann schon wegen der Geringfügigkeit der berufungsgerichtlichen Kürzung des Schmerzengeldes eine auffallende Fehlbeurteilung nicht vorliegen.

Da eine präjudizielle (vgl Zechner in Fasching/Konecny², § 502 ZPO Rz 60 mwN) erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt, war die Revision zurückzuweisen.

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