OGH 13Os21/07y

OGH13Os21/07y11.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian C***** und andere Beschuldigte wegen des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen nach § 312 Abs 1 und 3 erster Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. August 2006, GZ 024 E Hv 101/06f-102, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, des Verteidigers Mag. Tomanek und des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Bischof, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. August 2006, GZ 024 E Hv 101/06f-102, verletzt im Zuspruch eines Schadenersatzbetrages von 3.000 Euro an den Privatbeteiligten Bakary J***** das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 366 Abs 2 und 369 Abs 1 StPO iVm §§ 1 Abs 1 und 9 Abs 5 AHG.

Das Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, wird im Umfang dieses Teils des Adhäsionserkenntnisses aufgehoben. Der Privatbeteiligte Bakary J***** wird gemäß § 366 Abs 2 StPO mit seinen Ersatzansprüchen zur Gänze auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (in gekürzter Form ausgefertigten) rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. August 2006, GZ 024 E Hv 101/06f-102, wurden die Polizeibeamten Christian C*****, Heinz M*****, Nicolai G***** und Florian Ma***** des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen nach § 312 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil sie - Florian Ma***** teils durch die seine Verpflichtung als Polizeibeamter zur Abwehr von Straftaten verletzende Unterlassung der Verhinderung der Tätlichkeiten der anderen - dem der Gewalt der drei Erstgenannten unterworfenen Schubhäftling Bakary J***** körperliche und seelische Qualen zugefügt hatten, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte. Dem Verletzten, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hatte, wurde gemäß § 369 (zu ergänzen: Abs 1) StPO ein Schadenersatzbetrag von 3.000 Euro „zugesprochen"; mit Ersatzansprüchen von weiteren 3.000 Euro wurde er gemäß § 366 (zu ergänzen: Abs 2) StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen (Seite 211/Bd III).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der - im Übrigen undeutliche, weil keinen konkreten Haftungsausspruch beinhaltende - „Zuspruch gemäß § 369 StPO in Höhe von 3.000 Euro" mit dem Gesetz nicht im Einklang:

§ 1 Abs 1 AHG sieht die Haftung der dort genannten Rechtsträger für von den als deren Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügte Schäden vor und bestimmt, dass das Organ selbst dem Geschädigten nicht haftet. § 9 Abs 5 AHG schließt überdies den ordentlichen Rechtsweg gegen das Organ aus. Der Geschädigte kann sich dem Strafverfahren gegen den als Organ handelnden Schädiger solcherart zwar anschließen, ist aber mit seinen ausschließlich im Amtshaftungsweg durchsetzbaren Ansprüchen jedenfalls auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (RIS-Justiz RS0050048, zuletzt 12 Os 125/05g; Spenling, WK-StPO § 365 Rz 20, § 369 Rz 71). Fallbezogen gehören sowohl die Abschiebung von Fremden und die Eskortierung von Schubhäftlingen (§§ 46, 76 FPG 2005) als auch Angelegenheiten sicherheitspolizeilicher Gefahrenabwehr (§§ 5 Abs 3, 20, 21 SPG) dem Bereich hoheitlicher Vollziehung an (Art 102 Abs 1 und2 B-VG). Eine Überschreitung dienstlicher Befugnisse und Zuständigkeitsgrenzen schließt den für ein Handeln in Vollziehung der Gesetze (§ 1 Abs 1 AHG) maßgebenden inneren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit ebenso wenig aus wie der Missbrauch der Amtsstellung zu strafbaren (oder anderen rechtswidrigen) Zwecken; vielmehr ist das Organ eines Rechtsträgers auch (und gerade) dann noch als in Vollziehung der Gesetze tätig anzusehen, wenn es das Gegenteil dessen tut, was seine dienstliche Pflicht wäre, oder selbst das tut, was es anderen zu wehren hätte (SZ 54/80, 109; Schragel AHG3

§ 1 Rz 126).

Folglich wäre der Geschädigte nach § 366 Abs 2 StPO mit seinen Ersatzansprüchen zur Gänze auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen. In Ausübung des dem Obersten Gerichtshof nach § 292 letzter Satz StPO eingeräumten Ermessens war der nach § 369 Abs 1 StPO erfolgte „Zuspruch" daher aufzuheben und in diesem Sinn zu erkennen. Vom kassierten „Zuspruch" rechtslogisch abhängige weitere Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt.

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