OGH 4Ob247/06m

OGH4Ob247/06m20.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef W. Aichlreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Markus G*****,Verkaufsingenieur, *****, 2. B***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Werner Steinacher Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Widerruf (Streitwert eingeschränkt 34.500 EUR), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 9. November 2006, GZ 2 R 109/06x-26, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. März 2006, GZ 9 Cg 118/04k-22, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt lautet:

„1. Die beklagten Parteien sind schuldig, im geschäftlichen Verkehr die Behauptung, Dr. Wolfgang P***** sei unter von ihm zu vertretenden sehr negativen Umständen aus dem Unternehmen der B***** GmbH ausgeschieden, oder Behauptungen gleichen Inhalts zu unterlassen. Das Mehrbegehren, den beklagten Parteien auch die weitergehende Behauptung zu verbieten, Dr. Wolfgang P***** sei (ganz allgemein) unter sehr negativen Umständen aus dem Unternehmen der B***** GmbH ausgeschieden, wird abgewiesen.

2. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, gegenüber Dr. Bernhard A***** und Landeshauptmann-Stellvertreter a.D. Wolfgang E***** binnen 14 Tagen die Behauptung zu widerrufen, Dr. Wolfgang P***** habe das Unternehmen der Zweitbeklagten 'beinahe in den Graben gefahren' und 'schwer geschädigt'.

Das Mehrbegehren, den beklagten Parteien ganz allgemein den Widerruf der Behauptung aufzutragen, Dr. Wolfgang P***** sei 'unter sehr negativen Umständen aus dem Unternehmen der B***** GmbH ausgeschieden', wird abgewiesen.

3. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 9.818,29 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 545,49 EUR Barauslagen, 1.854,56 EUR USt) zu ersetzen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 3.509,93 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 584,98 EUR USt) zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen einen mit 221,76 EUR bestimmten Anteil an den Barauslagen des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der (spätere) Geschäftsführer der Klägerin war ursprünglich Geschäftsführer der Zweitbeklagten gewesen und hatte sich von ihr in „überaus streitintensiver" Weise getrennt. Er war danach in die Gründung der Klägerin involviert, die im selben Geschäftsbereich wie die Zweitbeklagte tätig werden sollte und eine Förderung durch das Land Salzburg anstrebte. Als diese Förderung (durch Beteiligung einer Fördergesellschaft des Landes) öffentlich bekannt wurde, nahm der Erstbeklagte in Absprache mit dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten Kontakt mit einem Referenten des zuständigen Landesregierungsmitglieds auf und äußerte sich negativ über den Geschäftsführer der Klägerin. Dieser habe das Unternehmen der Zweitbeklagten „beinahe in den Graben gefahren" bzw „schwer geschädigt"; auch bei einem anderen Unternehmen sei er „nicht lange geblieben". Damit wollte er eine Ansiedlung der Klägerin in räumlicher Nähe zur Zweitbeklagten verhindern; die Landesförderung sollte statt dessen der Zweitbeklagten zukommen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten die Behauptung, der Geschäftsführer der Klägerin sei unter „sehr negativen Umständen" aus dem Unternehmen der Zweitbeklagten ausgeschieden, sowie Behauptungen gleichen Inhalts zu verbieten. Weiters soll ihnen den Widerruf der „angeführten" Behauptung gegenüber dem Landesregierungsmitglied und dessen Referenten aufgetragen werde. Die Behauptungen hätten gegen § 7 Abs 1 UWG verstoßen; sie seien darauf gerichtet gewesen, der Zweitbeklagten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Klägerin zu verschaffen.

Die Beklagten wenden, soweit noch relevant, ein, dass die Behauptungen dazu gedient hätten, ein bevorstehendes wettbewerbswidriges Verhalten der Klägerin abzuwehren. Denn die Beklagten hätten den dringenden Verdacht gehabt, dass die Klägerin im Fall einer Ansiedlung in Salzburg auf sittenwidrige Weise versuchen werde, Mitarbeiter von der Zweitbeklagten „abzuziehen". Gerichtliche Hilfe wäre zu spät gekommen. Weiters sei das Klagebegehren zu weit formuliert, da es auch wahre Aussagen decke. Es könne nämlich nicht bestritten werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin unter objektiv negativen Umständen aus dem Unternehmen der Zweitbeklagten ausgeschieden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Äußerungen erfüllten den Tatbestand der Herabsetzung nach § 7 Abs 1 UWG; den Wahrheitsbeweis hätten die Beklagten nicht angetreten. Das Unterlassungsgebot sei allgemein zu fassen, um Umgehungen nicht allzu einfach zu machen. Die festgestellten Aussagen seien als Behauptung eines „Ausscheidens unter sehr negativen Umständen" anzusehen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Abwehrmaßnahmen gegen angebliche Wettbewerbsverstöße der Gegenseite müssten sich nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen halten. Insbesondere berechtige ein Wettbewerbsverstoß Mitbewerber nicht, selbst gegen Wettbewerbsrecht zu verstoßen. Aufklärung sei zwar zulässig, nicht aber ein damit verbundenes Anschwärzen des Gegners. Eine grundsätzlich § 7 Abs 1 UWG zu unterstellende Äußerung könne zwar im Rahmen einer Anzeige an Aufsichts- oder Standesbehörden gerechtfertigt sein, wenn sie nicht wider besseres Wissen erfolge. Hier hätten die Äußerungen aber dazu gedient, eine Förderung der Klägerin und damit eine Betriebsansiedlung zu verhindern. Das Klagebegehren entspreche dem Sinngehalt der getätigten Äußerungen und sei daher nicht zu weit gefasst.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen bei der Formulierung der Unterlassungs- und der Widerrufsverpflichtung im Ergebnis von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind. Sie ist aus diesem Grund auch teilweise berechtigt.

1. Soweit die Beklagten weiterhin die Auffassung vertreten, ihre herabsetzenden Äußerungen seien durch den Verdacht eines bevorstehenden Wettbewerbsverstoßes durch die Klägerin gerechtfertigt gewesen, sind sie auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Es trifft zwar zu, dass bei Abwehrmaßnahmen gegenüber unzulässigen Wettbewerbshandlungen eine mildere Beurteilung Platz zu greifen hat als bei Angriffshandlungen (RIS-Justiz RS0077873). Zulässig ist eine Abwehrmaßnahme aber nur dann, wenn sie sich im Rahmen des zur Bekämpfung des Angriffs Gebotenen hält; sie muss erforderlich, zur Abwehr tauglich und adäquat sein (4 Ob 129/98v; RIS-Justiz RS0077873 T6). Erlaubt ist eine sachliche Information über das Fehlverhalten eines Mitbewerbers (RIS-Justiz RS0077957); ein darüber hinausgehendes Anschwärzen ist unzulässig (4 Ob 260/03v = wbl 2004, 397 - Postkastenfirma).

Der bloße Verdacht eines zukünftigen Verhaltens (Abwerben von Mitarbeitern), das überdies nicht an sich wettbewerbswidrig ist (vgl RIS-Justiz RS0078388, RS0078421, RS0078427), kann keinesfalls ein Rechtfertigungsgrund für herabsetzende Behauptungen sein, die mit diesem Verhalten in keinem Zusammenhang standen und zudem einen Zweck hatten, der über die Abwendung dieses Verhaltens hinausging (Verhinderung einer Ansiedlung; Umleitung der Förderung auf das eigene Unternehmen).

2. Auf § 7 UWG gestützte Unterlassungsgebote sind eng zu fassen und auf die konkrete Behauptung sowie Behauptungen gleichen Inhalts zu

beschränken (4 Ob 109/01k = MR 2001, 242 - Diffamierung mwN;

RIS-Justiz RS0115334; zuletzt etwa 4 Ob 54/05b = ÖBl-LS 2005/203 -

Aon Sorglos-Paket). Ein Unterlassungsgebot ist jedenfalls dann zu weit gefasst, wenn der Beklagte damit zu Unterlassungen verhalten wird, zu denen er bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts nicht verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0037461).

Das Verbot der Behauptung, der Geschäftsführer der Klägerin sei „unter sehr negativen Umständen" aus dem Unternehmen der Zweitbeklagten ausgeschieden, geht auf dieser Grundlage zu weit. Durch die zu allgemeine Formulierung wird auch die zutreffende und daher nicht gegen § 7 UWG verstoßende Behauptung verboten, dass es bei der Trennung objektiv negative Umstände (insb den mit dem Ausscheiden verbundenen Rechtsstreit) gegeben habe. Insofern ist die Revision daher berechtigt. Das Unterlassungsgebot ist daher auf die Behauptung zu beschränken, der Geschäftsführer der Klägerin sei „unter von ihm zu vertretenden sehr negativen Umständen" aus dem Unternehmen der Zweitbeklagten ausgeschieden. Andere Behauptungen gleichen Inhalts sind ebenfalls zu unterlassen.

3. Der Widerruf kann nur hinsichtlich der tatsächlich aufgestellten Behauptungen, und zwar grundsätzlich nur in ihrem ursprünglichen Wortlaut, verlangt werden. Ausnahmen sind zwar möglich, doch darf dadurch der Sinngehalt der beanstandeten Äußerung nicht verändert werden (4 Ob 304/72 = SZ 45/10; RIS-Justiz RS0078813). Eine generalisierende Umschreibung ist hier nicht möglich. Im vorliegenden Fall hat sich der Widerruf daher auf die konkret festgestellten Behauptungen zu beschränken. Das gilt allerdings nur, soweit sie vom Klagebegehren erfasst sind. Das trifft bei der Behauptung, der Geschäftsführer der Klägerin sei auch bei einem anderen Unternehmen „nicht lange geblieben", nicht zu. Denn diese Aussage bezieht sich auch bei einem weitem Verständnis nicht auf das Ausscheiden aus dem Unternehmen der Zweitbeklagten.

4. Angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

5. Aufgrund dieser Erwägungen ist der Revision teilweise Folge zu geben. Die Unterlassungs- und die Widerrufsverpflichtung sind im Sinn der obigen Ausführungen zu konkretisieren; das Mehrbegehren ist abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 (iVm § 50) ZPO. Die Klägerin ist zwar im Kern durchgedrungen. Ihr Unterliegen ist aber doch nicht ganz zu vernachlässigen; es ist mit etwa 10 % zu bewerten. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz von 90 % der allein von ihr getragenen Barauslagen und von 80 % ihrer sonstigen Kosten. Den Beklagten hat sie 10 % von deren Barauslagen zu ersetzen. Der Kostenzuspruch des erstinstanzlichen Verfahrens war diesen Prozentsätzen entsprechend zu korrigieren. Die von den Beklagten für das erstinstanzliche Verfahren verzeichneten Barauslagen sind nicht bescheinigt, im Berufungsverfahren betrug die von den Beklagten zu zahlende Pauschalgebühr nur 932,80 EUR.

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